Fünf Jahre "Fridays for Future" - Die steile Klimalernkurve der Berliner Politik

Fr 18.08.23 | 06:12 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Aktivisten haben vor dem Brandenburger Tor in Berlin ein "Fridays for Future"-Logo ausgelegt und Kerzen aufgestellt. (Quelle: imago-images/IPON)
Audio: rbb24 Inforadio | 18.08.2023 | Niels Walker | Bild: imago-images/IPON

Klimaschutz, Klimaneutralität, Klimawandel: Gut neunzigmal taucht das Wort „Klima“ im schwarz-roten Koalitionsvertrag auf. Kein anderes Thema ist so präsent in der Berliner Politik. Doch auch der Frust wächst, auf beiden Seiten. Von Sebastian Schöbel

Die AfD wird der Klimabewegung "Fridays for Future" nicht zum fünfjährigen Jubiläum gratulieren. Was die Aktivisten vermutlich auch nicht erwartet haben, schließlich gibt es mit niemandem im politischen Betrieb so unüberbrückbaren Differenzen wie mit der rechtspopulistischen Partei. Das beginnt schon bei grundsätzlichen Fragen. "Das Klima ist ständigem Wandel unterworfen", analysiert der umweltpolitische Sprecher der Berliner AfD-Fraktion, Alexander Bertram. "Aber ich glaube, dass der Einfluss des Menschen da überschätzt wird."

Die Mehrheit der Klimawissenschaftler:innen sieht das anders, und mit ihrer Position steht die AfD auch in der Berliner Politiklandschaft ziemlich isoliert da. Bertram fordert die "Bewahrung der Heimat" mit mehr "klassischem Umweltschutz" für Wälder und Gewässer statt Windräder und Emissionsauflagen für Unternehmen. Die Klimadebatte nennt er "kopflos" und Maßnahmen zur CO2-Reduktion wirtschaftsfeindlich. "Das Klima in der Diskussion um Umweltpolitik wurde vergiftet durch diese fast schon hysterisch geführte Debatte, die auch Fridays for Future herbeigeführt hat."

Die CDU lobt "Fridays for Future" und lernt dazu

Ob hysterisch oder nicht, gewirkt hat die Debatte durchaus: Klimaschutz ist zu einem Eckpfeiler der Berliner Landespolitik geworden. Seit mehr als einem Jahr werden Gesetzesvorlagen des Senats einem Klima-Check unterzogen, ungefähr genauso lange erarbeitet der Klimabürger:innenrat Empfehlungen für die Politik, und dass Berlin im Sinne des Pariser Abkommens klimaneutral werden soll, ist unstrittig – lediglich beim Tempo sind die Ambitionen nicht gleich verteilt. Allerdings atmeten auch viele Grüne insgeheim erleichtert auf, als Anfang des Jahres der Klima-Volksentscheid am Quorum scheiterte: Denn die Klimaziele 15 Jahren früher zu erreichen als bislang geplant, hielten nicht einmal die ehrgeizigsten Umweltpolitiker:innen für machbar.

Bei den Berliner Christdemokraten wird es also kaum jemanden stören, wenn AfD-Politiker Bertram sagt, bei der CDU sei heute "ganz schön viel Fridays for Future drin". Ein grüner Wolf im schwarzen Schafspelz? Danny Freymark lässt der Vorwurf kalt. Er hat für die CDU das Klima-Kapitel im Koalitionsvertrag mit ausgehandelt und ist umweltpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Freymark lobt "Fridays for Future" ausdrücklich. "Das hat mich persönlich sehr beeinflusst, aber auch meine Partei."

Klimaschutz, aber sozial

Streit über Radwege, Parkplätze oder die Autobahnverlängerung sei normal, sagt Freymark. Genauso wie der Wunsch, dass alle Klimaschutzmaßnahmen schneller gehen müssten. Politik müsse eben manchmal Kompromisse machen, so Freymark. Dass es im Wahlkampf auch mal zugespitzt und polemisch zugeht, etwa beim Zank um die Friedrichstraße, gehöre ebenfalls dazu. "Ich glaube, dass wir mehr Gemeinsamkeiten im Umwelt- und Klimabereich mit den Grünen haben, als man in der Öffentlichkeit vermutet", sagt Freymark. "Das Gleiche gilt auch für die Grünen mit uns." Bei der energetischen Gebäudesanierung, dem Ausbau von Solar-Anlagen, der Energieversorgung ohne fossile Quellen und anderen Ideen herrscht längst Konsens. "Wir haben noch nie so viel Geld ausgegeben für Umwelt und Klimapolitik wie in den letzten Jahren", sagt Freymark. Im neuen Doppelhaushalt sollen laut Senatsbeschluss weitere fünf Milliarden Euro im Sondervermögen Klimaschutz dazu kommen, mindestens. "Das hat keiner vor uns gemacht", so Freymark, "und es war immer eine Kernforderung auch der CDU".

Auch Linken-Fraktionschefin Anne Helm ist überzeugt, "dass es auch Fridays for Future zu verdanken ist, dass niemand mehr um das Thema Klimaschutz drumherum kommen kann". Gleichzeitig habe aber auch die Bewegung dazugelernt, sagt Helm. Soziale Aspekte des Klimawandels würden jetzt stärker in den Fokus genommen als früher – wenn es zum Beispiel um die Frage geht, welche Klimaschutzbemühungen man von Menschen mit geringen Einkommen verlangen kann, oder wenn der Abschied von fossilen Energieträgern wie Öl und Kohle Arbeitsplätze gefährdet. "Viele Menschen haben Angst, dass sie bei einem Strukturwandel die Verliererinnen und Verlierer sind", so Helm. Auch der Klimaschutz führe zu Zielkonflikten und sozialen Verwerfungen, das habe "Fridays for Future" inzwischen erkannt.

"Das ist nicht meine Protestform"

Den Druck von der Straße hätte ihre Partei beim Klimaschutz gar nicht gebraucht, sagt Julia Schneider, umweltpolitische Sprecherin der Grünen. "Dass das Thema anschlussfähiger wird, war ja ganz in unserem Sinne." Allerdings hat der Schwung der Mobilisierung nicht gereicht, um die Grünen auch ins Rote Rathaus zu bringen. Stattdessen sitzen sie inzwischen auf der Oppositionsbank und können nur ungeduldig den Senat an seine klimapolitischen Versprechungen erinnern. Schneider ist dennoch zufrieden. "Mir ist es im Endeffekt fast egal, wer die Welt rettet. Hauptsache, es macht jemand."

Mit erhobenem Zeigefinger sollte es allerdings nicht geschehen, sagt Schneider. Wie viel Klimaschutz Menschen leisten können, hänge von ihren Lebensumständen ab. Politik müsse es also allen möglichst einfach machen, ihren Teil zu leisten. So Schneider. Zum Beispiel, indem erst der bessere ÖPNV geschaffen wird, damit dann das eigene Auto stehen bleiben kann - oder gar abgeschafft wird. Nicht umgekehrt. Das sei inzwischen auch der Ansatz von "Fridays for Future".

Dass Klimaschutz die Gesellschaft spaltet, glaube sie nicht, sagt Schneider. Dafür seien Andere verantwortlich. Radikale Methoden, wie sie von der "Letzten Generation" angewendet werden, lehne sie allerdings ab: "Das ist nicht meine Protestform."

Ähnlich wie beim Klimaschutz sind sich auch in diesem Punkt alle Parteien, von CDU bis Linken, einig.

Beitrag von Sebastian Schöbel

79 Kommentare

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  1. 79.

    "Die Rechten wie Sie sie nennen, sind nicht dafür verantwortlich das immer mehr Menschen in diesem Land das Vertrauen in die Politik verlieren."

    Doch, auch (Stichworte: Hetze, Desinformation).

    "Die Rechten sind nicht dafür verantwortlich das immer mehr Unternehmen überlegen DE den Rücken zu kehren ,die Wirtschaft immer mehr einbricht."

    Natürlich gefährdet der Rechtsextremismus den Wirtschaftsstandort Ostdeutschland. Und inwiefern unsere Regierung Schuld daran trägt, wenn deutsche Unternehmen aus Kostengründen ins Ausland abwandern, haben Sie auch nicht dargelegt.

    "Sie sind nicht dafür verantwortlich das DE mit die höchsten Energiepreise in Europa hat."

    Nein. In erster Linie liegen die Gründe bei z.B. Putin, Klimawandel.

    "Sie [Anm.: die Rechten] sind nicht dafür verantwortlich das die Alters/Kinderarmut immer mehr zunimmt."

    Die aktuelle Regierung aber auch nicht wirklich. Und das Renten"konzept" der afd ist absolut unsozial.

  2. 78.

    Statt aber darüber froh oder gar dafür dankbar zu sein, dass viele andere ÖPNV und Rad benutzen, wovon die verbleibendenden Autofahrer profitieren, werden Radfahrer noch als störend und lästig empfunden. Unreflektierter geht es kaum.

  3. 77.

    Die Rechten wie Sie sie nennen, sind nicht dafür verantwortlich das immer mehr Menschen in diesem Land das Vertrauen in die Politik verlieren. Die Rechten sind nicht dafür verantwortlich das immer mehr Unternehmen überlegen DE den Rücken zu kehren ,die Wirtschaft immer mehr einbricht. Sie sind nicht dafür verantwortlich das DE mit die höchsten Energiepreise in Europa hat. Sie sind nicht dafür verantwortlich das die Alters/Kinderarmut immer mehr zunimmt. Sie sind nicht dafür verantwortlich das immer mehr Menschen in diesem Land trotz Arbeit immer weniger Geld für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung haben. Die vergangene und jetzige Regierung sind dafür verantwortlich, das die Rechten wie Sie sie nennen ,immer mehr Zuspruch in der Bevölkerung erhalten ,weil diese am Volk vorbei regieren.

  4. 76.

    Ich habe weder die eine Zahl noch die andere missverstanden, deshalb die Antwort an "Uwe", der einen Disput mit "Manfred" hatte.
    Das Deutschland hohe Werte an CO2-Ausstoß hat, das bestreite ich nicht, also was soll diese Frage, die wie eine Unterstellung "riecht"?.

  5. 75.

    Bleiben Sie entspannten, die Firmen und Konzerne die noch ein wenig bei Verstand sind verlassen sowieso nach und nach Deutschland. Ob Deutschland auf die Einnahmen aus Industrie und Wirtschaft verzichten kann,das glaube ich wohl eher nicht.

  6. 74.

    Ick komme sehr schlecht in Schlaf, solange wie sich diese Zahlen nicht wenigstens um ein Minimum verringern.

  7. 73.

    Der Klimawandel läuft doch schon auf Hochtouren. Und das nur, weil die Wirtschaft schreit, wir müssen mehr Gewinn machen, weil sonst Arbeitsplätze verloren gehen. Und warum? Weil Lohnkosten den Gewinn schmälern und somit das Betriebsergebnis! Aber man könnte weiter wirtschaften. Und auf die Einnahmen kann der Staat so gut verzichten wie auf die von Amazon, Apple, BASF, BMW, Google, Ikea, Siemens und VW etc.

  8. 72.

    Stimmt! Und das wird sich bei den Bauvorschriften auch nie ändern. Und jede Wohnung erzeugt auch wieder CO2, und davon fehlen hier 400 000 an der zahl. So drehen sich die ganzen Umweltretter immer wieder im Kreis.

  9. 71.

    Falsch, nicht "die " EU sondern die Vertreter der Fossil und Atomlobby haben es knapp geschafft Konservative zu " überzeugen".
    Gut das die teuerste aller Stromgewinnungsarten hier Geschichte ist.

  10. 70.

    Aber viele Rechte verstehen nicht den Unterschied zwischen Wetter und Klima. Viele Rechte weigern sich wissenschaftliche Erkenntnisse anzuerkennen. Viele Rechte bezeichnen das Verbreiten von Unwahrheiten als "berechtigte Kritik". Viele Rechte finden den Erhalt unserer aller Lebensgrundlage unsozial. Viele Rechte bezeichnen Umweltschutz und Nachhaltigkeit als "grüne Ideologie". Und all das trifft halt auch auf Sie zu...

  11. 69.

    Deutschlands CO²-Ausstoß ist im internationalen Vergleich deutlich zu hoch. Was gibt es da misszuverstehen?

  12. 68.

    Deutschlands CO²-Ausstoß ist im internationalen Vergleich deutlich zu hoch. Was gibt es da misszuverstehen?

  13. 67.
    Antwort auf [Dagmar] vom 18.08.2023 um 17:47

    Falsch, nicht "die " EU sondern die Vertreter der Fossil und Atomlobby haben es knapp geschafft Konservative zu " überzeugen".
    Gut das die teuerste aller Stromgewinnungsarten hier Geschichte ist.

  14. 66.

    Sie berechnen den Ausstoss an CO2 pro Kopf, und der "Manfred" bezieht sich auf den Anteil welchen Deutschland am globalen Austoss von CO2 hat.
    Was gibt es da zu missverstehen?

  15. 65.

    Die Klimalernkurve wird noch ganz andere Richtungen nehmen müssen. Denn es scheint sich immer mehr heraus zu kristallisieren, dem ganze Hype von "Grünem Wasserstoff" fehlt die wirtschaftliche und physikalische Grundlage. Der Energiekonzern RWE will nur dann in Wasserstoff-Technologie investieren, wenn die Regierung dafür auch Subventionen zur Verfügung stellt. Der Essener Konzern könne im Moment ohne staatliche Hilfen keine klimafreundlichen Wasserstoff-Projekte anstoßen, “denn wir werden kein Vorhaben freigeben, das sich nicht rechnet”, sagte die für das Wasserstoffgeschäft zuständige Vorständin Sopna Sury der “Süddeutschen Zeitung”

  16. 64.

    Sie sind ein hervorragendes Beispiel dafür warum man es unterlassen sollte mit Klimawandeleugner zu diskuieren.

    Da diskutiere ich lieber mit einem 10-jährigen, der versteht den Unterschied zwischen Klima und Wetter.

  17. 63.

    Na dann viel Spaß mit dem Zurückdrehen des Wirtschaftswachstums. Nun müssen Sie den Menschen draußen nur noch erklären, welche Sozialleistungen aufgrund der sinkenden Wirtschaftskraft leider nicht mehr möglich sind und welche Streichungen als Zweites folgen.
    Und dann versuchen Sie den Menschen klarzumachen, dass sie dafür auch noch gewählt werden wollen.
    Viel Glück dabei!

  18. 62.

    "Könnte man mit Abschaffung von nur 10% überflüssiger Parkplätze allein nur in Berlin ausgleichen. "

    Sie meinen, dass dann Blümchen gepflanzt werden? Warum wurde nicht die Friedrichstrasse begrünt?

  19. 61.

    "rechtsextreme Klimawandelleugner"

    Niemand leugnet dass sich das Wetter ändert, und Kritik an der Ökopolitik ist nicht rechts. Einer von vielen Vorwürfen an diese Politik ist ja, dass sie unsozial und reaktionär ist.

    "AKWs sind nicht klimaneutral"

    Nichts ist klimaneutral.

    "und woraus sind die Grünen nochmal entstanden?"

    Wen interessiert das? Wir sind nicht dazu da, grüne Ideologie zu leben.

  20. 60.

    Wir fahren Europa gerade vor die Wand, nicht den Planeten. Aber mit diesem ganzen Klimagedöns läßt sich nun mal gut Geld verdienen, was das Klima aber nicht ändern wird!

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