Viele Aktionen bis Ende April geplant - Das sind die größten Klimaprotest-Gruppen und ihre Forderungen
Mit den Aktionen der "Letzten Generation" und "Extinction Rebellion" startet eine neue Protestwelle der Klima-Aktivisten. Doch worin unterscheiden sie sich? Ein Überblick über die wichtigsten Gruppen, ihre Protestformen und Forderungen. Von Simon Wenzel
Bis Anfang Mai dürften die Proteste der größten Klimaschutz-Gruppen mal wieder sichtbarer werden. Vor allem die "Letzte Generation" und "Extinction Rebellion" haben einiges geplant. Ein Überblick:
"Letzte Generation"
Die Gruppe über die derzeit wohl am meisten berichtet wird. Die "Letzte Generation" gründete sich erst 2021 ist aber schon nach weniger als zwei Jahren höchst professionell aufgestellt. Sie agiert zwar gewaltfrei, aber konfrontativ und bedient sich einer dramatischen Rhetorik, so beschreibt sich die Gruppe selbst als "Widerstandsbewegung". Den Namen "Letzte Generation" gab sie sich, um zu verdeutlichen, dass die derzeitige Generation die letzte sei, die noch etwas gegen einen Klima-Kollaps tun könne - in Anlehnung an die wissenschaftlichen Prognosen zu Klima-Kipppunkten.
Aktuelle Forderungen der "Letzten Generation" sind die Einführung eines Tempolimits auf deutschen Autobahnen (100 km/h), ein dauerhaftes Neun-Euro-Ticket und die Gründung eines Gesellschaftsrates, der unter anderem Maßnahmen erarbeiten solle, wie Deutschland bis 2030 die Nutzung fossiler Rohstoffe beenden könne.
Ihre Aktionen führen immer wieder zu Kritik: Straßenblockaden, Farbattacken auf Parteizentralen und Katroffelbreiwürfe auf (von Glas geschützte) Gemälde in Museen sicherten der "Letzten Generation" Schlagzeilen, machen sie aber auch zum Feindbild für viele Menschen. Vor allem die Straßenblockaden führen zu Ärger und teilweise zu Handgreiflichkeiten und Aggression der behinderten Autofahrer gegenüber den Demonstrierenden. Ihr "ziviler Ungehorsam" führte außerdem bereits zu zahlreichen Festnahmen und ersten Verurteilungen für Mitglieder der "Letzten Generation". Immer wieder wird auch der Vorwurf laut, ihr Straßenblockaden würde die Arbeit von Rettungskräften sabotieren. Das wies die "Letzte Generation" bereits mehrfach von sich.
Der nächste große Protest ist ab dem 19. April in Berlin geplant. Bis Anfang Mai soll es mehrere Kundgebungen und Straßenblockaden geben. Die Gruppe wirbt dafür um Protestierende und bereitet Neulinge akkribisch vor. Zum Beispiel mit "Protesttrainings", die am vergangenen Wochenende in mehreren deutschen Städten stattfinden sollten und für die bis zu sechs Stunden veranschlagt waren. Auch sonst ist die Gruppe gut organisiert, es gibt verschiedene Aufgaben-Profile, klare Abläufe und sogar die Möglichkeit, sich Kosten für einen Protest von der Organisation erstatten zu lassen.
Bekannte Personen der Bewegung sind die Sprecherin Carla Hinrichs, der Aktivist Henning Jeschke, der sich unlängst im Gerichtssal an seinem Tisch festklebte, die Aktivistin Mirjam Herrmann, die den Kartoffelbrei auf ein Monet-Gemälde in Potsdam warf, und Aimée van Baalen, die als Mitglied der Gruppe in der Talkshow "Hart aber fair" im Ersten auftrat.
"Fridays for Future"
Hat sich schon 2018 gegründet, nach einem Schulstreik der schwedischen Klimaschutz-Aktivistin Greta Thunberg für den sie den Hashtag "Fridays for Future" (FFF) nutzte. Die Schulstreiks und Demonstrationen an Freitagen wurden von Schülerinnen und Schülern in vielen großen Städten übernommen. Die Organisation ist weltweit in vielen Ländern aktiv und vernetzt, deutsche Vertreter sind regelmäßig vertreten in Talkshows und anderen Diskussionsrunden. Dadurch ist "Fridays for Future" wahrscheinlich die bekannteste Klima-Protestbewegung.
Die Forderungen von "Fridays for Future Deutschland" sind detailliert und ausführlich begründet. Aktuell richten sie sich vor allem an die Bundesregierung. So fordert FFF zahlreiche Maßnahmen zum Klimaschutz, die in den ersten 100 Tagen von der neuen Regierung hätten umgesetzt werden sollen. Unter anderem die Verabschiedung eines geeigneten CO2-Budgets, mit dem das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden könne, den Ausstieg aus den fossilen Energien und eine Mobilitätswende. Auch für die Landwirtschaft hat "Fridays for Future" zahlreiche detaillierte Forderungen zur Verbesserung der Situation, wie die Förderung von Ökolandbau, den Schutz von Mooren oder eine artgerechte Nutztierhaltung, sowie eine Förderung inhabergeführter Landwirtschaftsbetriebe. Begründet werden die geforderten Schritte unter anderem mit einer eigens angefertigten, umfassenden Studie.
"Fridays for Future" hat zahlreiche Unterstützergruppen, die mal mehr, mal weniger aktiv sind und deren Zusammensetzung sich meist schon aus dem Namen erklärt: "Parents for Future", "Grandparents for Future", "Artists for Future", "Scientists for Future" und manche mehr.
Die nächsten Protestaktionen, die "Fridays for Future" unterstützt, sind die Aktionstage zur Mobilitätswende am 22. und 23. April, organisiert vom Bündnis "Wald statt Asphalt". In Berlin ist für den 23. April ein Protestkonzert auf der Stadtautobahn A100 geplant. Seit 2019 ruft FFF außerdem regelmäßig zu globalen Klimastreiks auf - zuletzt fanden diese stets im März und September statt. im Internet läuft derzeit eine "Fridays for Future"-Kampagne gegen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Da sein Sektor die Klimaschutzziele nicht einhält, fordern die Klimaschützer in einer Online-Petition Wissings Rücktritt oder seine Entlassung.
Bekannte Personen sind neben der globalen Überfigur Greta Tunberg in Deutschland vor allem die Aktivistin und Buchautorin Luisa Neubauer, Grünen-Politiker Jakob Blasel und die Sprecherinnen Carla Reemtsma und Annika Rittmann.
"Extinction Rebellion" (XR)
Auch schon 2019 gegründet, galt vor der "Letzten Generation" als das radikale Gegenstück zu "Fridays for Future" (auch wenn anfangs Aktionen wie der globale Klimastreik 2019 von beiden Gruppen gemeinsam durchgeführt wurden). "Extinction Rebellion" (XR) gibt es in mehreren Ländern. Die Organisation ruft wie die "Letzte Generation" zu "zivilem Ungehorsein" auf und erregt Aufmerksamkeit durch provokante Protestformen - dabei wird allerdings seltener die Öffentlichkeit in ihrem Alltag behindert.
Die Forderungen von "Extinction Rebellion" sind radikaler und gleichzeitig etwas schwammiger als bei "Fridays for Future" formuliert. Die Organisation fordert, dass die Bundesregierung "die Wahrheit sagen" und die existenzielle Bedrohung durch den Klimawandel anerkennen solle, heißt es auf der Homepage. Der Ausstoß sämtlicher fossiler Treibhausgase soll bis 2025 auf "Netto-Null" gesenkt und weitere Emissionen massiv reduziert werden. Die Organisation fordert außerdem eine "sozial gerechte Wirtschaftsweise", die sich an den Planetaren Grenzen orientieren solle und Bürgerräte, deren Empfehlungen als Handlungsleitfaden für die Regierung zu betrachten sei.
Die Aktionen der Gruppe erinnern teilweise an Performance-Kunst. In Berlin färbte die Gruppe 2020 die Spree grün, mit einem (als biologisch unbedenklich geltenden) Farbstoff. Gedacht war das als Protest gegen die Wasserverschmutzung im Lausitzer Kohleabbau. Es waren aber auch schon einzelne Verkehrsblockaden dabei, zum Beispiel am Flughafen in Genf (Schweiz). Zuletzt erregte die Gruppe am Donnerstag Aufsehen, als sie eine Protestaktion im Hotel Adlon starteten und Plakate an Unternehmenssitze von Unternehemn wie Bayer, Vattenfall und Shell klebten.
Die nächsten Protestaktionen sollen in Berlin schon seit dem vergangenen Wochenende stattfinden: Vom 12. bis 17. April hat "Extinction Rebellion" zur "Spring-Rebellion" aufgerufen. Unter anderem fanden bereits am Samstag eine Fahrrad-Demonstrationsfahrt aus Potsdam nach Berlin und eine Demonstrationen in Mitte statt. Auch Aktionen des zivilen Ungehorsams seien geplant. Bis Montagabend ist im Invalidenpark zudem ein Protestcamp aufgebaut.
Über bekannte Personen funktioniert "Extinction Rebellion" weniger. Vielleicht auch weil die eine bekannt gewordene Person, Roger Hallam, der XR in England mitgründete, durch Relativierung des Holocausts auffiel. "Extinction Rebellion Deutschland" distanzierte sich daraufhin von Hallam.
Dezentrale Proteste
Neben den größeren Aktivistengruppen gibt es auch kleinere Bewegungen, die zu dezentralen und teilweise illegalen Aktionen aufrufen. Dazu zählen beispielsweise die sogenannten "Tyre Extinguisher", die die Luft aus den Reifen von Geländewagen und SUV-ähnlichen Autos lassen. In Berlin gab es zuletzt vermehrt solche Fälle - wobei nicht zweifelsfall zu klären ist, ob tatsächlich in allen Fällen die "Tyre Extinguisher"-Bewegung dahinter steckt. Die Gruppe gibt allerdings im Internet recht simple Anleitungen, wie die Autoreifen zu manipulieren seien.
Schon länger bekannt ist die deutlich weniger radikale "Critical Mass", eine Form des Fahrrad-Protestes. Demozüge auf Fahrrädern, die regelmäßig stattfinden und sich vor allem für fahrradfreundliche Innenstädte einsetzen, aber auch gegen Flächenversiegelung und den Ausbau von Autobahnen.