Debatte um Standort - Schwarz-Rot in Berlin will Abschiebehaft ausweiten

Do 29.08.24 | 18:21 Uhr | Von Boris Hermel
  62
Archivbild: Haupteingang der früheren Jugendarrestanstalt am Kirchhainer Damm. (Quelle: dpa/Schoening)
Video: rbb24 Abendschau | 29.08.2024 | Sebastian Schöbel | Bild: dpa/Schoening

Nach dem Terroranschlag von Solingen fordert die CDU in Berlin eine deutliche Ausweitung der Abschiebehaft. Der Koalitionspartner SPD würde eine Ausweitung der Abschiebehaft mittragen, ist aber gegen den vorgeschlagenen Standort. Von Boris Hermel

Die frühere Jugendarrestanstalt am Kirchhainer Damm kurz vor der Berliner Stadtgrenze in Lichtenrade wird seit 2018 als Abschiebegewahrsam genutzt, ausschließlich für verurteilte ausreisepflichtige Straftäter und sogenannte Gefährder. Insgesamt gibt es dort zehn Haftplätze. Die Anstalt, die von der Polizei geleitet wird, ist oft nur mit wenigen Inhaftierten, teilweise monatelang auch gar nicht belegt.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Burkard Dregger, fordert nun, dass das Gefängnis "auch genutzt wird für sonstige Ausreisepflichtige. Das wäre ein probates Mittel, um das Abtauchen von Menschen vor ihrer Abschiebung zu unterbinden". Nach dem terroristischen Messeranschlag von Solingen sei es wichtig, "dass die Bevölkerung erkennt, es passiert einiges". Berlin müsse alle rechtsstaatlichen Mittel nutzen, um die Ausreisepflicht durchzusetzen.

SPD hält Standort für ungeeignet

Beim Koalitionspartner SPD stößt Dregger nicht auf grundsätzliche Ablehnung. Innensenatorin Iris Spranger hatte bereits am Montag in der rbb24 Abendschau ihre Zustimmung zur Ausweitung der Abschiebehaft erklärt. "Wir müssen einfach wissen, wo die Leute sind, um sie abschieben zu können."

Etwas zurückhaltender äußert sich Martin Matz, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Er sei für Vorschläge offen, wenn sie sinnvoll und effizient seien. Auch bei den bislang praktizierten Direktabschiebungen müsse die Polizei den Ausreisepflichtigen ja erstmal antreffen. Gleiches gelte bei der Verhängung von Abschiebehaft.

Den Standort am Kirchhainer Damm in Lichtenrade aber hält er nach eigener Aussage für ungeeignet, weil es dort zu wenige Haftplätze gebe. Außerdem seien Teile der Anstalt bereits für den völlig überlasteten Maßregelvollzug vorgesehen.

Ähnlich positioniert sich die Gewerkschaft der Polizei (GdP). "Wir brauchen ein Gebäude, in dem sämtliche humanitäre Grundsätze gewährleistet werden können. Das sehen wir momentan beim Vorschlag Kirchhainer Damm nicht", so GdP-Sprecher Benjamin Jendro. Allein die zehn Zellen, die es dort gebe, reichten vorn und hinten nicht aus.

GdP will verschärftes Aufenthaltsrecht nutzen

Jendro zeigt sich überzeugt, dass eine neue Haftanstalt die Abschiebezahlen erhöhen würde. Derzeit wüssten viele Ausreisepflichtige über soziale Medien schon vorher, wann ihr Charterflug stattfinden soll, und tauchten an dem Tag unter. Mit einem Gewahrsam hätte die Polizei die Möglichkeit, die Menschen "auch mal eine Woche vorher abzuholen".

Ohne eine Abschiebehaft könne Berlin die Verschärfungen im Aufenthaltsgesetz, die der Bundestag im Februar beschlossen hatte, nicht nutzen. Demnach kann Abschiebehaft auf richterliche Anordnung nicht nur bei Straftätern und Gefährdern angewendet werden, sondern auch bei Ausreisepflichtigen ohne Fluchtgefahr, wenn sie vollziehbar ausreisepflichtig sind.

Grüne gegen neuen Abschiebeknast

Die oppositionellen Grünen dagegen lehnen eine neue Abschiebehaftanstalt ab. "Wir müssen natürlich schauen, dass das Recht durchgesetzt wird", sagt deren innenpolitischer Sprecher Vasili Franco. Abschiebehaft sei aber ein teures Unterfangen. "Bevor man hier Millionen verpulvert, sollte man diese in Integration und Deradikalisierung stecken", so Franco.

Auch der Flüchtlingsrat warnt davor, "in Berlin lange erkämpfte Standards abzusenken, weil ausreisepflichtige Menschen unter Generalverdacht gestellt werden sollen für die Tat eines Einzelnen", so Sprecherin Emily Barnickel.

Die Berliner AfD-Vorsitzende Kristin Brinker hingegen unterstützt die Überlegungen für eine Ausweitung der Abschiebehaft in Lichtenrade. "Das ist eine Maßnahme, die Kai Wegner schon seit anderthalb Jahren hätte umsetzen müssen", so Brinker. Wegen des begrenzten Platzes am Kirchhainer Damm fordert sie darüber hinaus eine weitere, größere Abschiebehaftanstalt.

Viele Jahre lang hatte Berlin übrigens ein großes Abschiebegefängnis mit 350 Haftplätzen in Grünau. 2015 wurde es geschlossen – unter der Ägide des damaligen CDU-Innensenators Frank Henkel. Begründung: Direktabschiebungen ohne vorherige Haft seien effektiver.

Sendung: rbb24 Abendschau, 29.08.2024, 19:30 Uhr

 

Die Kommentarfunktion wurde am 30.08.2024 um 21:48 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Boris Hermel

62 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 62.

    Wenn Ihre Sichtweise die Lösung aller Probleme sein sollte, dann steht der Aufnahme von nochmal 84 Millionen ja nichts mehr im Wege. Es ist nur die Frage, ob die Bürger ihren Wohnraum teilen und auch alles bezahlen wollen ? Von der fehlenden Infrastruktur ganz zu schweigen. Aber auch dafür werden Sie sicherlich eine schnell umzusetzende Lösung parat haben.

  2. 61.

    Die Aufnahmekapazität ist noch lange nicht überschritten. Nach dem zweiten Weltkrieg kamen viele Deutsche zurück nach Deutschland und damals haben die Behörden festgelegt dass sie aufgenommen werden müssen und zwar dort wo noch Platz war. Also in privaten Wohnungen. War ein Raum dort noch frei, dann kam da eben die 3 oder 4- köpfige Flüchtlingsfamilie rein. Zwangsweise. Unsere Behörden sind da noch längst nicht, wir haben noch so viel Platz frei. Wieviele Berliner leben in mehr Zimmern als Personen in der Wohnung sind? Ist das überhaupt schon erfasst? Immerhin bezahlen die Flüchtlinge später mal unsere Rente, das hat sogar Frau Nahles als sie noch Ministerin war, gesagt, einfach mal den Medien folgen.

  3. 60.

    Das ganze Asyl-System ist anachronistisch und hätte schon vor Jahren dringend reformiert werden müssen. Die Väter des Grundgesetzes hätten das mit diesen Auswüchsen und Konsequenzen garantiert nicht so gewollt.

  4. 59.

    Ist es unmenschlich, 1000 Euro geschenkt zu bekommen, viel Geld in Afghanistan, wenn man hier viele Straftaten begangen hat? Wo sehen Sie die Ungerechtigkeit genau bei der Abschiebung von Intensivtätern, die keinen Asylgrund haben?

  5. 58.

    Sie entfernen sich immer weiter vom Thema und kommen nicht dazu, es wieder mit dem Ursprung, der Frage der Haftanstalten für ausreisepflichtige Flüchtlinge zu verbinden. Wenn sie schon so weit ins historische Abgleiten sollten sie doch bitte wenigstens ihre Schlussfolgerungen nennen.
    Es sollte natürlich heißen, dass nicht die gefährdetsten Menschen nach Deutschland kommen. Ich meine auch, dass eine Neuausrichtung der Asylpolitik notwendig wäre, diese aber nur schwer möglich ist. Zunächst müsste eine gewisse Kontrolle wer hier ist, wer bleiben darf und wer gehen muss gegeben sein.

  6. 57.

    Bei dem Thema das Personen nicht auffindbar wären, frage ich mich, warum eigentlich nicht. Die Personen erhalten doch trotzdem Geld und müssen ja wohl dieses Geld irgendwo abholen, bzw. abheben. Und schon weiß man wo sich die Person aufhält.

    Das nächste was mich bei den Punkt wundert, wenn ein normaler Arbeitsloser nicht auffindbar wäre, wird den doch das Geld sofort gestrichen, bzw. gekürzt. Bei den Personen die abgeschoben werden sollen, nicht. Wie geht das?

  7. 56.

    Dito. Das Hierlassen und Verschleppen und Dulden bringt weit mehr Folgekosten mit sich. Pro Person! zu [JoHannes] vom 29.08.2024 um 22:57

    Die gesamt Migrationspolitik gehört komplett neu aufgestellt, EU und D. Asyl erhalten eh nur 1-2%. Alle anderen haben einen anderen Status. Aktuell: Wer einmal da ist, bleibt (und wird in D eingebürgert).

  8. 55.

    Selbstverständlich beinhaltet alles, was mit menschlichen Verhaltensweisen zu tun hat, immer ein Maß an Spekulation und INterpretation - dies deshalb, weil ja kein materieller Gegenstand geschaffen wurde, der für alle Augen sichtbar ist. Insofern geht es um Schlüssigkeit.

    Dass die europäischen Kolonialherren den Gedanken eines einheitlichen Landes mit definierter Hauptstadt und für alles zuständiger Regierung eingebracht haben, war in den Kolonien fremd, soweit es sich um Stammesgesellschaften handelt. Dass diese friedlich gewesen seien, sei es erst einmal dahingestellt. Selbstverständlich hat das Zerwürfnis innerhalb dieses dann geschaffenen Landes und auch gegenüber anderen Ländern in Folge dieser Denkhaltung zugenommen.

    Das Gleiche gilt auch, was die technische Bewältigung angeht, die uns vollkommen normal erscheint, den Menschen dort aber nicht.

    Am Spekulativsten, um nicht zu sagen, hergeholt, erscheint mir (aber) Ihr letzter Satz. ;-

  9. 54.

    Denn niemand darf in der BRD, dessen Volk sich "zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt" bekannt hat, wegen seiner Abstammung oder Herkunft benachteiligt werden.

  10. 53.

    Sie stellen jedoch die derzeitigen Bemühungen in Frage, ohne dass die übrigen Lösungsansätze zur Integration oder auf der Ebene der Diplomatie in Frage gestellt wurden. Weder sie noch sonst irgendwer weiß, wie die Situation in Syrien oder dem Iran heute aussehen würde, ohne den Einfluss der damaligen Weltmächte. Aber sie leiten eine Verantwortung… Deutschlands ab. Ist das irgendwie sowas wie ein automatisierter Reflex?
    Was für Deutschland notwendig ist, ist eine Kontrolle über die Zuwanderung. So kann man auch humanitären Fragen gerecht werden. Es kommen mit Sicherheit nicht die Menschen hier an, die am gefährdendsten sind.

  11. 52.

    „ Jeder der hierist, hat ein auch ein Recht darauf hier zu bleiben.“

    Eben nicht.

  12. 51.

    Neben den sehr wohl praktischen Fragen geht es immer darum, dass alles Praktische, d. h. jede nur technische Lösung deshalb scheitern muss, soweit derartige genannte Umstände unberücksichtigt bleiben.

    Auch wenn es ggf. Etliche nicht hören mögen, weil es ihnen zu fremd vorkommt: Es gibt eine Vergangenheit im bloß Zeitlichen, damit wir unser Tun auseinanderhalten können, und es gibt eine Vergangenheit von der Wirkung her. Da ist in Bezug auf den Iran (und was die ehem. SU angeht) in Bezug auf Syrien nichts vergangen.

    Das mag Sie nicht befriedigen. Mich auch nicht. Dennoch ist es da und entfaltet immer noch seine Wirkung. Maschinen lassen sich einfach abstellen, Menschen in ihren Verhaltensweisen nicht. Dazu müssen wir nur an die Entwicklung des eigenen Landes denken.

  13. 50.

    Auf das von mir bloß Wiedergegebene läuft es hinaus. Dieser DAHINTER liegende Zynismus ist in der Tat nicht mehr zu überbieten.

  14. 49.

    Nicht groß reden, endlich machen. Und bitte ohne 1.000 Euro Taschengeld. Das Ausland lacht schon genug über die deutsche Politik.

  15. 48.

    Ihre Ansichten in allen Ehren. Vielleicht ändern Sie diese, wenn Sie nicht zu den Zuschauern sondern zu den Betroffenen gehören.

  16. 47.

    Was ist mit den Opfern, den Angehörigen der Opfer oder jene die ein Leben lang mit den Auswirkungen der Tat die an ihnen verübt wurde leben müssen.
    Wer hier Schutz sucht und dann meint er müsse sich an keine Regel und Gesetze halten ,der hat glaube ich keinerlei Recht hierzubleiben und sich schon gar nicht auf irgendwelche Rechte zu berufen.
    Es ist immer wieder schön zu lesen wie sich hier für die Täter eingesetzt wird, aber nicht für die Opfer einfach nur erbär...ch und immer daran denken jeder kann selbst zum Opfer solcher Einzelfälle werden .

  17. 46.

    Wenn ich bei jemanden "zu Gast" bin, habe ich mich entsprechend zu verhalten, gleiches erwarte ich von meinen Gästen. Wer Mist macht fliegt achtkantig vom Hof und zwar ganz fix. Es gibt rote Linien, egal ob gesetzlich oder gesellschaftlich, die nicht überschritten werden sollten. Wer sehr erlebnisorientiert ist kann das ja ja austesten. Übertragen auf die Migration: Egal wo jemand herkommt, es gibt gesellschaftliche Mindeststandards, es gibt, auch ungeschriebene, gesetzliche Mindeststandards - überall. Vergessen diese "Normen" Einige, nicht Alle, beim Erreichen dieses Landes? Stellt diese Klientel, eine Minderheit der Migranten, diese Standards evtl. wissentlich in Frage? Wohlwissend oder aus der Erfahrung heraus, das hier juristisch eher nichts passiert?
    Wer Hilfe benötigt, soll sie bekommen. Wer jedoch einfachste Normen eines normalen Miteinanders ad absurdum führt, sollte auch wieder gehen bzw. "gegangen werden" - am Besten sehr schnell. Das hilft auch der Mehrheit der Migranten.

  18. 44.

    Es kommt jetzt darauf an Lösungen zu finden, die der gegenwärtigen Situation in Deutschland gerecht werden! Die Erfahrung müssen nun im Bund z.B. auch die Grünen machen (die Berliner Grünen sind davon offenbar noch weit entfernt).
    Sie beantworten ganz praktische Fragen nicht und holen statt dessen weit aus mit geschichtlichem Bezug und daraus leiten sie eine fragwürdige Verantwortung ab.
    Wohin dies führt ist ihnen offenbar letztendlich egal, da es wohl vor allem um die eigene Profilierung geht und sich als geschichtlich gebildeter moralisch handelnder Mensch präsentieren.

Nächster Artikel