Förderprogramme laufen aus - Integrationsprojekten in Brandenburg droht das Aus

Fr 25.10.24 | 17:13 Uhr | Von Christoph Hölscher
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Theater im Werk - Oranienwerk, Bild: Tourismus-Marketing Brandenburg
Tourismus-Marketing Brandenburg
Audio: Antenne Brandenburg | 25.10.2024 | Sabine Loeprick | Bild: Tourismus-Marketing Brandenburg

Schwere Zeiten für Integrationsprojekte. Die politischen Debatten drehen sich vor allem um Abschiebungen. Gleichzeitig laufen wichtige Förderprogramme aus. Eine Begegnungsstätte in Oranienburg steht vor dem Aus. Von Christoph Hölscher

Vor den Backsteinbauten des "Oranienwerks" wird noch Fußball gespielt, in einer der alten Fabrikhallen startet gleich der Kunstkurs. Heute dabei: Ein halbes Dutzend Jungen und Mädchen aus der Ukraine. Für sie ist der Kurs mehr als nur Freizeitbeschäftigung - er soll ihnen auch helfen, mit schmerzhaften Erinnerungen an Krieg und Flucht zurechtzukommen. Die Kinder verteilen die Farbe mit bloßen Händen und haben dabei sichtlich Spaß. "Das befreit die Seele und macht die Ängste weg", erklärt Kursleiterin Sveta Esser. Es sei wichtig für die Kinder, sich im Hier und Jetzt zu fühlen, statt immer nur an die Schrecken in der ukrainischen Heimat zu denken.

Begegnungsstätte bald ohne Finanzierung?

Sveta Esser ist in der Sowjetunion geboren, später nach Israel ausgewandert und lebt seit 2010 in Oranienburg. Die Künstlerin engagiert sich seit vergangenem Jahr in der Begegnungsstätte, ist inzwischen auch Vorsitzende des Trägervereins "Willkommen in Oranienburg". Neben Kunstkursen bietet der Verein psychosoziale Beratungen, Sprachkurse oder auch einfach Freizeitangebote wie Chor, Tanzgruppe oder Spieleabende.

Willkommen sind Zugewanderte wie Einheimische gleichermaßen – mehr als 200 Menschen kommen jeden Monat her. Die Begegnungsstätte sei der einzige Ort in Oranienburg, wo sich Menschen mit und ohne Migrationshintergrund regelmäßig träfen, betont Esser. Doch der ist nun gefährdet. Weil das "Migrationsbudget", ein Förderprogramm des Landes Brandenburg, Ende 2024 ausläuft, droht das Ende der Finanzierung: Gut 40.000 Euro im Jahr für Miete, Betriebskosten, Versicherungen und Geld für Minijobs.

Auch wenn viel über ehrenamtliches Engagement läuft: Ganz ohne Geld gehe es nicht, sagt Esser. Vor allem für die regelmäßigen Besucher sei das drohende Aus zum Jahresende eine Katastrophe. Sie wisse noch gar nicht, wie sie den Menschen das beibringen solle: "Die Leute sind so traumatisiert und jetzt nehmen wir ihnen diesen einzigen Ort, an dem sie sich treffen, unterhalten und austauschen können."

Integrationsbeauftragte fordert weitere Förderung

In ganz Brandenburg sind insgesamt rund 120 Projekte und Initiativen vom Förderstopp bedroht. Der Grund: Das sogenannte Integrationsbudget, ein Förderprogramm des Landes über mehr als sechs Millionen Euro im Jahr, wurde von der alten Landesregierung nicht rechtzeitig verlängert.

Nun läuft es Ende 2024 aus. Ob die neue Landesregierung dieses Programm überhaupt verlängern wird und, falls ja, wann das passieren könnte, ist jedoch ungewiss. Die Integrationsbeauftrage des Landes, Diana Gonzalez Olivo, fürchtet, dass vieles verlorengeht, wenn sich keine Anschlussfinanzierung ergibt.

Olivo Gonzalez sieht Akzentverschiebung

Sie nimmt auch eine Akzentverschiebung in der öffentlichen Debatte über Flucht und Migration wahr: "Wir haben uns in den letzten Monaten sehr stark darauf konzentriert, Migration zu problematisieren und immer über Abschiebungen zu sprechen und wie man Migration begrenzen kann", beklagt Olivo Gonzalez. Stattdessen müsse man sich auch damit beschäftigen, wie Integration weitergehen könnte - für die Menschen, die bereits nach Brandenburg gekommen sind und für die, die im Rahmen des Werbens um Fachkräfte wohl noch kämen.

Daher hofft die Integrationsbeauftragte auf ein deutliches Signal von der zukünftigen Landesregierung, was den Rückhalt für vielfältige Integrationsprojekte betrifft. Denn gute Beratungsangebote und Unterstützung für die nach Brandenburg Gekommenen sorgten dafür, dass diese leichter Zugang zum Arbeitsmarkt fänden – ein wichtiger Beitrag für die Zukunft.

Im November will Diana Gonzalez Olivo neben anderen gefährdeten Integrationsprojekten auch die Begegnungsstätte “Willkommen in Oranienburg” besuchen. Zusammen mit Sveta Esser und ihren Mitstreitern will sie überlegen, wie der Fortbestand des Zentrums gesichert werden kann.

Sendung: Antenne Brandenburg, 25.10.2024, 18:17 Uhr

Beitrag von Christoph Hölscher

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11 Kommentare

  1. 11.

    Gerade als Feuerwehrmann sollte man doch aber FÜR das Gemeinsame stehen. Ich geh mal davon aus, dass dein Job nicht nur aus Katzen vom Baum retten besteht, a ist es irgendwie paradox sowas zu schreiben. Wenn wir alle nur noch gegeneinander sind, dann braucht es weder die Feuerwehr noch Polizei, Sozialarbeiter oder Verkäufer. Kann sich ja jeder um sich selbst kümmern...

  2. 10.

    Da finden sich freiwillige, die Ehrenamtlich Dinge auf die Beine stellen. Menschen helfen, in der Gesellschaft anzukommen. Und dann werden ihnen Steine in den Weg gelegt. Es sollen immer mehr Flüchtige aufgenommen werden, aber wenn sie dann erst mal da sind, kümmern sich Politiker nicht genug. Wie lange noch werden sich Menschen ehrenamtlich engagieren, noch dazu wenn sie diese negativen Kommentare dazu lesen? Schaffen kann man nur miteinander und nicht gegeneinander. Und ja, wir brauchen auch eine Obergrenze, denn wenn ein Gefäß voll ist, ist es voll. Dann passen auch keine Diamanten mehr hinein. Dieser Satz ist symbolisch zu werten.

  3. 9.

    Ehrenamt ist das Zauberwort/Nächstenliebe - dafür gibt es kaum Geld, kommt aber von Herzen.

    Es müssen nicht immer relativ hoch bezahlte Sozialarbeiter sein.

  4. 7.

    „Etwas stimmt nicht, da geben ich Ihnen Recht. Aber in Ihrer Einstellung zu dem, was "kostenlos" ist. Und Ihrer Wertschätzung der Menschen und ihrer Arbeit.“
    Als Feuerwehrmann stehe ich darüber...Sie stellen fest. Das machen Viele. Wir sind ein Land der Feststeller geworden. Auf gaaanz hohem Niveau...

  5. 6.

    Wurde nicht vor der Wahl beanstandet, dass man das ,Feld' zu viel der AfD überlässt?
    Nun soll es für ein solches Projekt nicht einmal 40.000 Euro im Jahr - all inclusive - geben?
    Traurig, traurig ... so kann Integration selbst im Kleinen nicht mehr laufen.

  6. 5.


    Warum nicht in die sozialen Medien? Einen Kanal aufmachen und regelmäßig über das Projekt berichten, vielleicht auch in anderen Sprachen (wesentlich größere Reichweite) und um Spenden bitten statt immer zu erwarten das die Allgemeinheit einspringt? Ich sehe überwiegend amerikanische Kanäle und es gibt eine große Anzahl von sozialen Projekten die sich so über Wasser halten. Wenn allen das Projekt so wichtig ist sollte das doch möglich sein?

  7. 4.

    Singen, Tanzen, Deutsch lernen im Park. Im Winter. Dann sind Sie die erste Person, die über den "Lärm" beschwert. Das nennt sich big brain energy.

  8. 3.

    Stellen Sie sich vor, das Programm für die Begegnungen muss organisiert werden. Sprachkurse laufen nicht ohne Lehrende. Chor funktioniert nicht ohne Chorleitenden, Tanzkurse eben auch. All diese Menschen müssen Zeit finden, SICH VORBEREITEN, eigene freie Zeit darin investieren, die sehr weit über eine Unterrichtsstunde hinausgeht. Und das meistens auf freiwilligem Basis. Da man davon nicht Leben kann, muss das Programm so angepasst werden, dass es allen mehr oder weniger passt. Und stellen Sie sich vor, dass ich auch Arbeit. Viel Kommunikation und Koordination.
    Und dann der Ort selbst. Was denken Sie, wer stellt denn einfach einen Ort für so ein Unterricht parat, wo auch alle Lernmittel vorhanden sind? Oder sollen Lehrenden eigenes Geld darauf verwenden, Tonanlage mitzubringen, Lernmaterial auf eigene Kosten ausdrucken usw.?
    Etwas stimmt nicht, da geben ich Ihnen Recht. Aber in Ihrer Einstellung zu dem, was "kostenlos" ist. Und Ihrer Wertschätzung der Menschen und ihrer Arbeit.

  9. 2.

    Sehe ich ich so. Wenn es so wichtig ist, sich gegenseitig beizustehen, dann sollte es auch möglich sein, sich in der eigenen Unterkunft, im Park oder sonstwo zu treffen.

  10. 1.

    Die Orte des Treffens „laufen nicht aus“. Es gibt kein Fördergeld? Dann trifft man sich nicht mehr? Hm, da stimmt was nicht... in der Einstellung...

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