Interview | DDR-Garagen als Kulturgut - "Die Denkmalpflege sollte sich neu erfinden"

Di 28.01.25 | 16:31 Uhr
  30
Garagentor in Eisenhüttenstadt. (Quelle: Martin Maleschka)
Audio: Antenne Brandenburg | 29.01.2025 | Bild: Martin Maleschka

Martin Maleschka macht es sich seit zehn Jahren zur Aufgabe, hinter die Tore ehemaliger DDR-Garagen zu blicken. Was er dort entdeckt hat, stellt er nun im DDR-Museum vor. Im Interview erzählt er, inwiefern die Garagen für ihn Denkmäler sind.

rbb: Herr Maleschka, was interessiert und fasziniert Sie so an DDR-Garagen?

Martin Maleschka: Das sind Randerscheinungsobjekte, also Mikroarchitekturen eigentlich. Es hat lange gedauert, bis mir die Garagen selbst aufgefallen sind. Ich habe viele Streifzüge durch Neubaugebiete und Städte landauf, landab im Osten gemacht und irgendwann sind diese Garagen bei mir in den Fokus gerückt. Mir fiel auf, dass die Architektur der Garagen - so ähnlich sie auf den ersten Blick auch wirken mögen - regionale Unterschiede aufweist. Ob Erzgebirge, Thüringer Wald, Lausitz, Uckermark ...

Worin bestehen die Unterschiede?

Es werden zum Teil unterschiedliche Materialien verwendet, verschiedene Holzstrukturen und auch unterschiedliche Schlösser und Scharniere an den Metalltoren. Im Erzgebirge wird zum Beispiel viel Schiefer verwendet, damit es nicht reinregnet.

Vor allem, wenn man durch ländliche Gebiete läuft, sieht man, dass die Garagen zwar optisch alle an einem Strang ziehen, aber dazwischen gibt es Lücken. Und Unterschiede zeigen sich vor allem bei den Dächern. Die sind manchmal rund, manchmal flach, manchmal sind es sattelförmige Dächer, also eigentlich alle möglichen Dachformen. Manche Garagen haben ein Fenster, manche haben kein Fenster, manche haben eine einfache Tür, manche eine Doppeltür.

Aufgrund der Ermangelung mancher Materialien in der DDR wurde außerdem viel zusammengeschustert, da haben alle mitgemacht – der eine bringt den Betonmischer mit, der andere den Kasten Bier. Man nutzte, was da ist, vom Bau übrig geblieben zum Beispiel. Das war ein besonderer kultureller Moment, weil die Menschen gemeinsam etwas Eigenes erschaffen haben, in dem sie ihre Heiligtümer unterstellen; zum Beispiel den Trabi oder den Wartburg.

Wie reagierten Menschen darauf, wenn sie gesehen haben, wie Sie ihre Garagen fotografiert haben?

Viele Leute denken, du kommst in ein paar Tagen wieder und willst sie ausrauben. Wenn man dann aber erklärt, dass es sich um ein universitäres und künstlerisches Projekt handelt, werden die Garagentore sogar freiwillig geöffnet. Das sind zum Teil große Schatzkammern und die Geschichten dazu sprudeln aus den Menschen dann nur so raus. Manche Garagen dienten und dienen vor allem als Lager oder Archiv, auch wenn das rechtlich gar nicht erlaubt ist.

Ist es nicht?

Das ist wie bei Kleingartensiedlungen: Es gibt Garagenvereine und die haben eine Satzung und da steht zum Beispiel drin, dass in der Garage dein Auto untergebracht sein muss, oder auch dein Moped, aber sie eben nicht als Lagerstätte genutzt werden darf.

Welche Geschichten erzählen die Dinge, die dort gelagert werden?

Das Öffnen der Garagentore doppelt diesen kulturellen Moment. Zum Beispiel habe ich dort mal ein Bohrblatt gefunden, das extra zurechtgebastelt wurde, dass man damit das Westfernsehen anzapfen konnte - mit Schweißnaht. Generell findet man in den Garagen viel selbst gebautes Werkzeug, weil es einiges im Baumarkt nicht gab.

Ende 2022 ist das Schuldrechtsanpassungsgesetz, auch Garagengesetz genannt, ausgelaufen. Das hat nach der Wende verhindert, dass die Menschen mit Garagen das Besitzrecht darauf verloren haben, nur weil ihnen der Grund und Boden nicht gehörte. In der DDR war es nicht so, dass man nur auf eigenem Grund bauen konnte. Nun ist das anders und Menschen in ganz Ost-Deutschland wurden zum Teil gezwungen, ihre Garagen auf eigene Kosten abzureißen.

Hat dieses Thema bei Ihrer fotografischen Dokumentation auch eine Rolle gespielt?

Man stelle sich das mal vor, da ist ein älterer Herr, der da Jahrzehnte lang gewerkelt hat - natürlich hat der eine emotionale Bindung zu diesem Ort aufgebaut. Mit dem Erlöschen dieses Gesetzes geht die Garage automatisch in den Besitz des Grundstückeigentümers über. Das macht die Leute wütend und das kann ich auch verstehen. Auf der anderen Seite muss man den Wohnraummangel bedenken, der in einigen Städten wie zum Beispiel Potsdam herrscht. Die DDR-Garagen stehen zum Teil auf begehrter Wohnfläche und da muss man abwiegen: emotionaler und kultureller Wert oder infrastrukturelle Notwendigkeiten?

Sie stammen ja aus Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) und leben dort nach vielen Jahren auch wieder. Wie ist es da?

Wohnraummangel haben wir in Eisenhüttenstadt nicht.

Zur Person

Martin Maleschka. (Quelle: Denise Schmidt)
Denise Schmidt

Martin Maleschka

dokumentiert seit mehr als zwei Jahrzehnten gegen das Verschwinden des baukünstlerischen Erbes der DDR an. Die Publikation "Das Garagen-Manifest", der er einen Foto-Essay beisteuerte, wurde 2022 vom Deutschen Architekturmuseum ausgezeichnet. 2023 zeigte Maleschka in der Architektur-Galerie-Berlin die Ausstellung "Garagenland".

Am Mittwoch, 29. Januar berichtet er um 18 Uhr bei der Veranstaltung "Die Garagen Ostdeutschlands" im DDR-Museum in Berlin über seine Beobachtungen der baulichen Ensembles rund um diesen ostdeutschen Mikrokosmos.

Maleschka lebt und arbeitet in seiner Geburtsstadt Eisenhüttenstadt.

Müssen trotzdem Garagen abgerissen werden?

Ja, aber das hat andere Gründe. Die Leute nutzen die Garagen teilweise als Mülldeponie, weil die direkt an Plattenbauten angeschlossen sind. Die werden dann abgerissen, um der Vermüllung vorzubeugen. Auch Müllentsorgung ist teurer geworden.

Es gibt also einige pragmatische Gründe, die den Abriss von Garagen rechtfertigen. Würden Sie die DDR-Garagen dennoch als Denkmäler bezeichnen?

Die Betrachtung der Denkmalpflege geht 30 Jahre zurück. Insofern würde es als Zeitzeugnis da reinfallen. Man könnte es aber auch ausdehnen und fragen: Wie ist es mit Kleingärten, Kiosken und so weiter? Da müsste sich die Denkmalpflege vielleicht ein Stück weit neu erfinden, um diese Kleinst-Architekturen zu berücksichtigen.

In jedem Fall sind DDR-Garagen identitätsstiftend. Das sind Orte, wo man sich jahrzehntelang getroffen hat und es waren auch Zufluchtsorte vor der Stasi. Ich glaube, man denkt bei dem Begriff "Denkmal" oft an etwas Bauliches. Vielleicht aber liegt der kulturelle Wert nicht so vorwiegend in den Bauten selbst, sondern eher darin, was dort alles passiert ist. Die Beurteilung dessen, was ein Denkmal ist, wird sich hoffentlich nach und nach entwickeln.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview wurde von Nina Heinrich für Antenne Brandenburg geführt. Für die Online-Fassung wurde das Gespräch redigiert und gekürzt, inhaltlich aber nicht verändert.

 

Sendung: Antenne Brandenburg, 29.01.2025, 14 Uhr

Nächster Artikel

30 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 27.

    Ich muss mich korrigieren, ich meinte eigentlich von der Kommune gepachtet und nicht gekauft.

  2. 26.

    Oft sind Garagen auf Minderwertigen Grund errichtet worden, wo nur mit sehr viel Erdarbeizfn größere Gebäude errichtet werden können.

  3. 25.

    Ja, darum geht es doch. Die Kommunen können nicht Garagen auf Privatlsnd abreißen lassen. Unsere Garagenverein hat 308 Mitglieder. Was auch Wähler sind!

  4. 23.

    Was ich nicht verstehe ist, dass Sie jede, egal welche, Migration befürworten und andererseits 16 Millionen Ostdeutsche jedesmal „runterschreiben“. Hier mal was für Sie zum nachdenken (nicht provozieren): Sind Sie Mann oder Männin?
    „Machetenträger:innen“ werden bei uns diskriminiert und leiden unter sozialer Herabsetzung? In diesen zwei Sätzen steckt soviel drin, dass Sie viel Zeit brauchen werden...

  5. 22.

    ich vermiete auch 2 DDR-Garagen, die sind gefragt! Dadurch hat man ein schönes Zubrot, for Nothing!

  6. 21.

    Der Befürworter sollte sich das Landes-Denkmalschutzgesetz in die Hand nehmen u. selber abschecken, dass - welche Garage oder u.U. Garagenstandort die gesetzlich definierten Bedingungen einer Unterschutzstellung erfüllt.
    Dennoch das Thema Garage ist schon ein wichtiges in der Entwicklung in der ehem. DDR: Und man kann an die Vielfältigkeit Garage auch auf anderem Wege u. v.a. mit anderen Mitteln erinnern. Denn, wer kein Geld hatte, sich ein Auto leisten zu können u. überdies ohnehin nicht zahlungskräftig genug war, der hatte eben keinen zusätzlichen(zur Wohnung)Rückzugsort. Die ja bekanntlich auch Gärten oder auch einsame Datschas darstellten, die auch wiederum nur mit einem fahrbaren Untersatz zu erreichen waren. Dennoch, ich maße mir nicht an, die gewiss tollen Erlebnisse, des unbeschwertsein Könnens, feiern, über Gott u. die Welt quatschen, bewerten zu wollen oder überhaupt zu können. Bekannt war aber auch, dass so manche krumme Geschäfte getätigt wurden. -- In 15890 kann man das!

  7. 20.

    Wir hatten als Garagengemeinschaft unser Land gekauft, vor ca. 10 Jahre.

  8. 19.

    Erst wurden Steuergelder verwendet um Plattenbauten abzureißen, jetzt hat man Wohnungdmangel! "Wir bauen auf, reißen nieder, Arbeit gibt es immer wieder!"

  9. 18.

    >"es war alles schlecht in der Diktatur!"
    Sie verwechseln da Heimat und Diktatur. Beides kann in einem Staatsgebiet sein, sind für die Menschen aber zwei getrennte Empfindungen. Wer seine Heimat liebt und dort gerne lebt muss nicht zwangsläufig auch ein Kuschelverhältnis mit dem dort herrschenden politischen Staatssystem haben.
    Sie wissen, was Heimat ist? Das ist die Region, das Umfeld, die Familie, die Freunde, die Arbeit, der Garten, die Natur, die Erlebnisse und vieles mehr was mit Gefühlen zu tun hat und den Lebensmittelpunkt zu einem Ort verbindet. Politik spielt dabei nur eine sehr untergeordnete Rolle im Alltag.

  10. 17.

    Unsere (Ost-)Garagen sollen auch abgerissen werden. Stattdessen soll Wohn- & Gewerberaum geschaffen werden. Allerdings ist auch zu erwarten, dass der qm über 20€ kalt kosten wird. Für mich zählt das nicht zu bezahlbaren Wohnraum, vor allem nicht, wenn dort nur Menschen einziehen können, die Leistungen aus Steuereinnahmen erhalten. Wenn Stadt voll, dann ist sie eben voll. Sonst gibt es keine bezahlbaren Garagen in der Stadt. Ich habe dafür kein Verständnis und wundere mich nicht, dass Parteien gewählt werden, die man sonst nicht wählen sollte.

  11. 16.

    Das ist Rest-sozialistische Realsatire, oder? Identitätsstiftende Garagen? Ich bin sprachlos.

  12. 15.

    Dazu gibt es den großartigen Film von Nathalija Yefemkhina „Garagenvolk“, der 2020 auf der Berlinale lief.
    https://de.m.wikipedia.org/wiki/Garagenvolk

  13. 14.

    Gerne kann man dokumentieren, inwieweit solche Garagen eine Rolle im Leben der Bürger*innen spielten. Das macht sie noch lange nicht selbst erhaltenswert. Vieles ist einfach verrottender Müll - da die Garagen auch so behandelt wurden. Ob in der achso-tollen EU-Kulturhauptstadt Chemnitz oder sonstwo, es ist irrelevant und unbedeutend. Erst recht mit dem obligatorischen 'uns-wird-etwas-genommen'-Ossigejammere, s. rechtlichen Hinweis - so viel Larmoyanz dürfte gar keine Tränen mehr übrig lassen. Als der "NSU"-Komplex solche Garagen zur Planung von Terrorismus und zur Lagerung von Waffen bzw. Sprengstoff nutzte, da konnte man Relevanz ablesen. Wie wäre es statt der Pflege der Zerrbilder und Verklärungen von einem Gestern, das es so nie gab, nur um sich selbst aufzuwerten, mit politischer BIldung, in allen möglichen Bereichen? Könnte ja sein, dass eine ausgeprägte Zivilgesellschaft für eine Demokratie nützlicher ist, als es zeitgenössisch zugemüllte Barracken jemals sein konnten.

  14. 13.

    Die Überschrift sagt es ja schon.
    Genau da frage ich mich, wo wird gepflegt???
    Es verrottet doch überall. Wann wird endlich über so viele Bauten und Flächen entschieden bzw. erhalten???

  15. 11.

    Zwangslasur von Eigentümern ist in der Denkmalpflege eher unüblich. Sie haben vielleicht etwas mißverstanden im Artikel?