Interview | DDR-Garagen als Kulturgut - "Die Denkmalpflege sollte sich neu erfinden"
Martin Maleschka macht es sich seit zehn Jahren zur Aufgabe, hinter die Tore ehemaliger DDR-Garagen zu blicken. Was er dort entdeckt hat, stellt er nun im DDR-Museum vor. Im Interview erzählt er, inwiefern die Garagen für ihn Denkmäler sind.
rbb: Herr Maleschka, was interessiert und fasziniert Sie so an DDR-Garagen?
Martin Maleschka: Das sind Randerscheinungsobjekte, also Mikroarchitekturen eigentlich. Es hat lange gedauert, bis mir die Garagen selbst aufgefallen sind. Ich habe viele Streifzüge durch Neubaugebiete und Städte landauf, landab im Osten gemacht und irgendwann sind diese Garagen bei mir in den Fokus gerückt. Mir fiel auf, dass die Architektur der Garagen - so ähnlich sie auf den ersten Blick auch wirken mögen - regionale Unterschiede aufweist. Ob Erzgebirge, Thüringer Wald, Lausitz, Uckermark ...
Worin bestehen die Unterschiede?
Es werden zum Teil unterschiedliche Materialien verwendet, verschiedene Holzstrukturen und auch unterschiedliche Schlösser und Scharniere an den Metalltoren. Im Erzgebirge wird zum Beispiel viel Schiefer verwendet, damit es nicht reinregnet.
Vor allem, wenn man durch ländliche Gebiete läuft, sieht man, dass die Garagen zwar optisch alle an einem Strang ziehen, aber dazwischen gibt es Lücken. Und Unterschiede zeigen sich vor allem bei den Dächern. Die sind manchmal rund, manchmal flach, manchmal sind es sattelförmige Dächer, also eigentlich alle möglichen Dachformen. Manche Garagen haben ein Fenster, manche haben kein Fenster, manche haben eine einfache Tür, manche eine Doppeltür.
Aufgrund der Ermangelung mancher Materialien in der DDR wurde außerdem viel zusammengeschustert, da haben alle mitgemacht – der eine bringt den Betonmischer mit, der andere den Kasten Bier. Man nutzte, was da ist, vom Bau übrig geblieben zum Beispiel. Das war ein besonderer kultureller Moment, weil die Menschen gemeinsam etwas Eigenes erschaffen haben, in dem sie ihre Heiligtümer unterstellen; zum Beispiel den Trabi oder den Wartburg.
Wie reagierten Menschen darauf, wenn sie gesehen haben, wie Sie ihre Garagen fotografiert haben?
Viele Leute denken, du kommst in ein paar Tagen wieder und willst sie ausrauben. Wenn man dann aber erklärt, dass es sich um ein universitäres und künstlerisches Projekt handelt, werden die Garagentore sogar freiwillig geöffnet. Das sind zum Teil große Schatzkammern und die Geschichten dazu sprudeln aus den Menschen dann nur so raus. Manche Garagen dienten und dienen vor allem als Lager oder Archiv, auch wenn das rechtlich gar nicht erlaubt ist.
Ist es nicht?
Das ist wie bei Kleingartensiedlungen: Es gibt Garagenvereine und die haben eine Satzung und da steht zum Beispiel drin, dass in der Garage dein Auto untergebracht sein muss, oder auch dein Moped, aber sie eben nicht als Lagerstätte genutzt werden darf.
Welche Geschichten erzählen die Dinge, die dort gelagert werden?
Das Öffnen der Garagentore doppelt diesen kulturellen Moment. Zum Beispiel habe ich dort mal ein Bohrblatt gefunden, das extra zurechtgebastelt wurde, dass man damit das Westfernsehen anzapfen konnte - mit Schweißnaht. Generell findet man in den Garagen viel selbst gebautes Werkzeug, weil es einiges im Baumarkt nicht gab.
Ende 2022 ist das Schuldrechtsanpassungsgesetz, auch Garagengesetz genannt, ausgelaufen. Das hat nach der Wende verhindert, dass die Menschen mit Garagen das Besitzrecht darauf verloren haben, nur weil ihnen der Grund und Boden nicht gehörte. In der DDR war es nicht so, dass man nur auf eigenem Grund bauen konnte. Nun ist das anders und Menschen in ganz Ost-Deutschland wurden zum Teil gezwungen, ihre Garagen auf eigene Kosten abzureißen.
Hat dieses Thema bei Ihrer fotografischen Dokumentation auch eine Rolle gespielt?
Man stelle sich das mal vor, da ist ein älterer Herr, der da Jahrzehnte lang gewerkelt hat - natürlich hat der eine emotionale Bindung zu diesem Ort aufgebaut. Mit dem Erlöschen dieses Gesetzes geht die Garage automatisch in den Besitz des Grundstückeigentümers über. Das macht die Leute wütend und das kann ich auch verstehen. Auf der anderen Seite muss man den Wohnraummangel bedenken, der in einigen Städten wie zum Beispiel Potsdam herrscht. Die DDR-Garagen stehen zum Teil auf begehrter Wohnfläche und da muss man abwiegen: emotionaler und kultureller Wert oder infrastrukturelle Notwendigkeiten?
Sie stammen ja aus Eisenhüttenstadt (Oder-Spree) und leben dort nach vielen Jahren auch wieder. Wie ist es da?
Wohnraummangel haben wir in Eisenhüttenstadt nicht.
Müssen trotzdem Garagen abgerissen werden?
Ja, aber das hat andere Gründe. Die Leute nutzen die Garagen teilweise als Mülldeponie, weil die direkt an Plattenbauten angeschlossen sind. Die werden dann abgerissen, um der Vermüllung vorzubeugen. Auch Müllentsorgung ist teurer geworden.
Es gibt also einige pragmatische Gründe, die den Abriss von Garagen rechtfertigen. Würden Sie die DDR-Garagen dennoch als Denkmäler bezeichnen?
Die Betrachtung der Denkmalpflege geht 30 Jahre zurück. Insofern würde es als Zeitzeugnis da reinfallen. Man könnte es aber auch ausdehnen und fragen: Wie ist es mit Kleingärten, Kiosken und so weiter? Da müsste sich die Denkmalpflege vielleicht ein Stück weit neu erfinden, um diese Kleinst-Architekturen zu berücksichtigen.
In jedem Fall sind DDR-Garagen identitätsstiftend. Das sind Orte, wo man sich jahrzehntelang getroffen hat und es waren auch Zufluchtsorte vor der Stasi. Ich glaube, man denkt bei dem Begriff "Denkmal" oft an etwas Bauliches. Vielleicht aber liegt der kulturelle Wert nicht so vorwiegend in den Bauten selbst, sondern eher darin, was dort alles passiert ist. Die Beurteilung dessen, was ein Denkmal ist, wird sich hoffentlich nach und nach entwickeln.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview wurde von Nina Heinrich für Antenne Brandenburg geführt. Für die Online-Fassung wurde das Gespräch redigiert und gekürzt, inhaltlich aber nicht verändert.
Sendung: Antenne Brandenburg, 29.01.2025, 14 Uhr