DDR-Garagen vor dem Abriss - Teures Ende für ein wenig Ost-Luxus
Wer in Brandenburg eine Garage besitzt, könnte bald unangenehme Post bekommen: Viele Städte suchen nach Bauland und haben dabei auch Grundstücke im Visier, die sie an Garagenbesitzer verpachtet haben. Von Michael Schon
Erhard Dolze öffnet das hellgraue Flügeltor seiner Garage: Auto, Fahrrad, Skiausrüstung - seit 35 Jahren stellt er hier alles ab, was nicht in Wohnung oder Keller passt, aber auch nicht auf der Straße stehen soll. Er kann heute noch genau erzählen, wie er 1988 zu seinem Unterstellplatz in einem Garagenkomplex in Cottbus Sandow kam: Abgekauft von einem, der ausgereist ist. Eine Garage kaufen? "Das war zu DDR-Zeiten nicht einfach", sagt der Mittsiebziger. "Weil andere, die irgendwo in bestimmten Bereichen saßen in der Stadt, natürlich auch ein Auge darauf hatten." Dolze wusste, welche Register er ziehen musste, um doch noch ordnungsgemäß an die Garage zu kommen.
Abreißen auf eigene Kosten
Was damals eine Art Luxusimmobilie war, kann auch heute noch einmal teuer werden. Denn das Grundstück, auf dem die Garage stand, blieb seinerzeit Volkseigentum. Heute gehört es der Stadt Cottbus – sie hat es an Erhard Dolze nur verpachtet. Sollte die Stadt hier eines Tages Wohnungen, eine Schule oder eine Kita bauen wollen, dann müsste Dolze die Garage abreißen. Auf eigene Kosten.
Freie Wähler wollen Thema auf Landtags-Agenda setzen
Die eigene Garage abreißen – und dann auch noch dafür bezahlen?
Cottbus wäre damit wohl im Recht. Denn Ende 2022 sind die letzten Übergangsfristen ausgelaufen, die Eigentümer wie Erhard Dolze vor dieser Härte schützen sollte. Die Stadt hat bereits ausgeschlossen, dass sie den Abriss der Garagen bezahlen würde. "Das gibt die Haushaltslage nicht her", sagt Jan Gloßmann, der Sprecher des Oberbürgermeisters.
Ungerecht, findet das Dolze, sagt aber: "Damit muss man sich abfinden." Genau das sieht die Landtagsfraktion von BVB / Freie Wähler (BVB/FW) anders und will das Thema auf die politische Agenda bringen. Die Fraktion fordert, dass zumindest rechtlich strittige Punkte zugunsten der Garagennutzer ausgelegt werden. So formuliert sie es in einem Antrag, den sie am Donnerstag in den Landtag einbrachte. Die Landesregierung solle Kommunen die juristischen Möglichkeiten dafür aufzeigen und darauf hinwirken, dass diese vorerst auf eine Kündigung der Grundstücks-Pachtverträge verzichten.
Und zwar so lange, bis höchstrichterlich geklärt sei, welche Kündigungsfristen tatsächlich gelten – und ob Eigentümer die Garagen wirklich abreißen müssen. Manche Juristen bezweifeln nämlich, dass die Grundstücke wirklich "besenrein" zurückzugeben sind, also ohne Garagen. Außerdem führen die Freien Wähler noch ein weiteres Argument an: Andere Kommunen wie Brandenburg an der Havel hätten bereits ausgeschlossen, Garageneigentümer zur Kasse zu bitten. Ein Moratorium bis mindestens Ende 2025 diene daher "dem sozialen Frieden", so der Landtagsabgeordnete von BVB/FW Matthias Stefke.
Linke sieht gesellschaftliche Dimension
Auch die Linke sieht eine gesellschaftliche Dimension beim Streit um die Garagen. Sie sollten sogar zum kulturellen Welterbe erklärt werden, forderte Linken-Fraktionschef Sebastian Walter am Donnerstag im Landtag – offenbar nur halb im Scherz. Die Garagenkomplexe seien bis heute ein sozialer und kultureller Raum, so Walter. Das so genannte Schuldrechtsanpassungsgesetz, das den Umgang mit Eigentum auf ehemaligen Pachtgrundstücken aus DDR-Zeiten regelt, habe keinen Rechtsfrieden geschaffen.
Regierungskoalition anderer Meinung
Dem widersprechen Vertreter der Koalitionsfraktionen von SPD, CDU und Bündnisgrünen. Andreas Noack (SPD) verweist auf die lange Übergangsfrist von 32 Jahren, die im vergangenen Dezember ausgelaufen sei. Das sei genug Zeit gewesen für alle Betroffenen, sich darauf einzustellen. André Schaller (CDU), weist auf ein anderes juristisches Detail hin: Alle Eigentümer, die ihre Garage erst nach der Wende auf einem Pachtgrundstück gekauft haben, seien im Ernstfall ohnehin schon längst zum Abriss verpflichtet – und das sei in neun von zehn Fällen die Lage. Innenminister Stübgen (CDU) spricht mit Blick auf das geforderte Moratorium von einer skurrilen juristischen Auseinandersetzung über unterschiedliche Rechtsauffassungen, in die sich die Landesregierung nicht einmischen werde. Im Klartext: Für ihn ist die Sache eindeutig – die Garagen müssen auf Kosten der Garagenbesitzer abgerissen werden, wenn der Verpächter andere Pläne mit seinem Grundstück hat.
Antrag im Landtag gescheitert
Der Antrag der Freien Wähler ist im Landtag gescheitert. Ob und wann die juristischen Feinheiten vor Gericht geklärt werden, ist offen. Auch wenn die Stadt Cottbus aktuell nicht plant, ihre Garagengrundstücke zu bebauen: Sollte dem Cottbuser Garagenbesitzer Erhard Dolze eines Tages doch die Aufforderung ins Haus flattern, seine Garage abzureißen, wird er wohl kaum darum herumkommen. Dolze sagt, er werde es dann sportlich sehen: "Das sind natürlich Kosten, die entstehen." Aber: Er habe die Garage ja auch lange genutzt.
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