Interview | Fotograf Mischa Fanghaenel - "Es wurde nie gezeigt, wie schön diese Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit sind"

Sa 01.02.25 | 08:14 Uhr
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Micha Fanghaenel from the series Nachts 2022 ongoing. (Quelle: Micha Fanghaenel)
Video: rbbKultur | 01.02.2025 | Max Spallek | Bild: Micha Fanghaenel

Mit seiner Serie "Nachts" gibt Mischa Fanghaenel der Berliner Clubkultur ein Gesicht. Als Türsteher des Berghain hat er diese Menschen kennengelernt - und später für seine Porträtreihe fotografiert. Wie wurde das Berliner Nachtleben für ihn zur Inspiration?

rbb: Herr Fanghaenel, Sie sind Fotograf und Türsteher an Berliner Nachtclubs. Seit vielen Jahren arbeiten Sie fürs Berghain. Ihre beiden Berufe kommen hier in dieser Ausstellung zusammen. Wann haben Sie gemerkt, dass beides miteinander funktionieren kann?

Mischa Fanghaenel: Sehr spät. Ich habe mit dem Fotografieren zwar schon vor der Arbeit an der Tür begonnen, aber Bilder lange nur für mich gemacht. Ich war schon 40, als ich meine Fotos zum ersten Mal der Welt gezeigt habe und mir klar wurde, dass ich damit auch meine Brötchen verdienen kann.

zur person

Gab es für Sie einen bestimmten Auslöser, um Ihre Bilder erstmals auszustellen?

Meine Fotos habe ich früher immer nur meiner Frau gezeigt. Als ich dann einmal im Sicherheitspersonal bei einer Ausstellung gearbeitet habe, meinte sie, wenn ich jetzt nicht verstünde, dass das ein Zeichen ist, dann kann sie mir auch nicht mehr helfen. Ich wurde also von meiner Frau motiviert, meine Fotografien mitzunehmen und sie dem Kurator der Ausstellung zu zeigen. Ein halbes Jahr später wurde ich dann in die nächste Ausstellung mitaufgenommen. So hingen meine Bilder erstmals im Februar 2017 in Berlin auf einer Gruppenausstellung, und ich habe vier von sechs Fotos direkt verkauft.

Auf den Bildern Ihrer Fotoreihe "Nachts" sieht man Menschen vor schwarzem Hintergrund. Was haben diese Personen gemeinsam?

Sie sind alle verbunden durch die Clubkultur - und die Vorstellung, dass Gemeinschaft nicht bedeutet, man müsse jemand Bestimmtes sein, etwas Bestimmtes anziehen oder sich auf eine bestimmte Art und Weise verhalten. Es geht darum, zusammenzukommen, zu tanzen und sich zu vereinen. Gerade bei elektronischer Musik ist es nicht so, dass ein Gemeinschaftsgefühl entsteht, weil alle den gleichen Text mitsingen können, sondern weil alle zum gleichen Rhythmus tanzen. Das ist es, was die Leute, so unterschiedlich sie auch sind, zusammenbringt und miteinander vereint.

Micha Fanghaenel from the series Nachts 2022 ongoing. (Quelle: Micha Fanghaenel)
Zwei Porträts von Mischa Fanghaenel aus der Serie "Nachts".Bild: Micha Fanghaenel

Das sind also Leute, die Sie aus dem Nacht-Kontext kennen. Sprechen Sie die als Türsteher in der Schlange vor dem Club an?

Nein, ich habe versucht, diese beiden Welten, soweit es geht, zu trennen und habe niemandem an der Tür angesprochen. Über Instagram habe ich eine Story gemacht, in der ich 2022 schrieb, dass ich gerne ein Fotoprojekt mit Menschen aus der Clubszene machen würde. Über 150 haben sich daraufhin bei mir gemeldet. Ich habe dann geschaut, ob ich die als Gast schonmal wahrgenommen habe und sie dann in mein Fotostudio eingeladen.

Hat Ihre Porträtreihe eine Botschaft?

Ich wollte eine Geschichte von den Menschen erzählen, die ich jedes Wochenende sehe und sie auf eine Art und Weise porträtieren, die ich vorher noch nicht gesehen habe. Es wurde nie gezeigt, wie schön diese Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit sind. Es wurde immer nur betont, dass sie besondere Merkmale hätten, die man nicht so oft sieht. Ich aber sehe genug Menschen in der Schlange vor der Diskothek, die ein ganz alltägliches Leben haben und ganz alltäglich aussehen.

Im Fotografiska hängen nur Porträts. Sie fotografieren Berlin bei Nacht aber auch ganz ohne Menschen in Ihrer "Blurred"-Serie. Brauchen Sie das als Ausgleich?

Am Wochenende ist es laut, ich bekomme eine Menge Input. Als Ausgleich gehe ich nachts mit der Kamera in der Hand durch Berlin spazieren und kann die Stadt so auf eine Art und Weise entdecken als tagsüber.

Ich versuche, in dieser Reihe durch die Unschärfe zu zeigen, wie schön ich Berlin finde – und das, obwohl Berlin so richtig schön nicht ist, aber die Stadt transportiert ein besonderes Gefühl. Dieses Gefühl wollte ich festhalten und habe mich dem dann künstlerisch genähert. Daraus ist meine ist meine Blurred-Serie entstanden.

Berlin verändert sich und auch die Clubkultur verändert sich gerade massiv. Was macht das mit Ihnen?

Ich sehe das nicht negativ. Ich stehe jetzt seit über 20 Jahren an Berliner Türen und habe über diese Zeit natürlich viele Menschen gesehen. Im Vergleich zu den frühen 2000ern sind die Menschen heute viel bunter und offener.

Ehrlich gesagt finde ich Berlin jetzt geiler als damals.

Danke für das Gespräch.

Das Interview führte Max Spallek.

Sendung: rbbKultur – das Magazin, 01.02.2025. 18:30 Uhr

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12 Kommentare

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  1. 12.

    Aber in den Club hat er unterschiedliche Menschen nicht reingelassen. Andere wiederum schon.

  2. 11.

    Und das von einem Türsteher, der die Menschen strikt nach seinem Gusto an der Tür auswählt nach erwünscht und nicht erwünscht. Momentan mal, … ?!

  3. 10.

    Gemeinplatz.
    Das Unterschiedliche und doch Gleichwertige liegt im Auge des Betrachters und ist damit subjektiv wie bei der Selektion vor der Tür. Dass ist die Lüge, wenn bei Kameras von Objektiven die Rede ist. Sich das im Wahl der Mittel vor Augen zu führen zeigt sich als Kunst oder eben bloßes Ablichten mit Attitüde.
    All are equal, but some are more equal. That‘s it. Der hinter dem Sucher hat die Entscheidungshoheit. Ganz unabhängig von der Inszenierung wählt er nach Belieben aus, was seines Erachtens verdient von ihm festgehalten zu werden. Das ist das Gegenteil von Gleichwertigkeit und macht egozentrisch den Unterschied, der meist nur an der Oberfläche und einer gewissen Affektiertheit festzumachen ist. So können Fotos zwar lecker inszeniert sein, aber doch eher leere Phrasen. Nan Goldin zeigt das vortrefflich. Hingehen und wirken lassen.

  4. 9.

    Gemeinplatz.
    Das Unterschiedliche und doch Gleichwertige liegt im Auge des Betrachters und ist damit subjektiv wie bei der Selektion vor der Tür. Dass ist die Lüge, wenn bei Kameras von Objektiven die Rede ist. Sich das im Wahl der Mittel vor Augen zu führen zeigt sich als Kunst oder eben bloßes Ablichten mit Attitüde.
    All are equal, but some are more equal. That‘s it. Der hinter dem Sucher hat die Entscheidungshoheit. Ganz unabhängig von der Inszenierung wählt er nach Belieben aus, was seines Erachtens verdient von ihm festgehalten zu werden. Das ist das Gegenteil von Gleichwertigkeit und macht egozentrisch den Unterschied, der meist nur an der Oberfläche und einer gewissen Affektiertheit festzumachen ist. So können Fotos zwar lecker inszeniert sein, aber doch eher leere Phrasen. Nan Goldin zeigt das vortrefflich. Hingehen und wirken lassen.

  5. 8.

    Da sagen sie was. Ist ja das Wesen der Fotografie. Wo erkennen sie das Besondere, so unter Experten?

  6. 5.

    Die Unterschiedlichkeit und doch Gleichwertigkeit jedes Individuums. Ist doch nicht schwer zu akzeptieren.

  7. 4.

    Ich kann da nichts Außergewöhnliches entdecken. Wäre dieser Fotograf Bouncer vor einem McDonalds würde sich niemand für ihn interessieren. Ich fände es hingegen viel spannender. Dieser ewige Fame bzgl. dieser Großraumdisko, der auf jeden abfärbt, der damit zu tun hat, turned ab.

  8. 1.

    Das ist ein Dorn im Auge der Rechtspopulisten.