Märkisch-Oderland - Einziger Supermarkt in Neutrebbin schließt nach 45 Jahren

Di 04.03.25 | 17:31 Uhr
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Supermarkt in Neutrebbin im Oderbruch (Märkisch-Oderland) schließt nach 45 Jahren. Es ist die letzte Einkaufsmöglichkeit für die Einwohner gewesen. (Quelle: rbb/Felicitas Montag)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 03.03.2025 | Felicitas Montag | Bild: rbb/Felicitas Montag

Nach 45 Jahren hat der einzige Supermarkt in Neutrebbin geschlossen. Die Kosten zu hoch, die Kunden zu wenig. Doch aufgeben möchte das Dorf im Oderbruch nicht. Die Inhaberin und die Gemeinde kämpfen um eine Einkaufsmöglichkeit.

Das Licht ist aus, die Türen sind zu, die Regale halbleer. Der einzige Supermarkt in Neutrebbin im Oderbruch (Märkisch-Oderland) hat mit dem Ende des Februars geschlossen.

Bis zuletzt wurden hier Lebensmittel verkauft. Auch eine Lotto- und Poststelle sowie eine Umtauschstation für Propangasflaschen gab es hier. Am vergangenen Freitag hat "Hübner’s Einkaufsquelle", die zur Edeka-Kette "nah&gut" gehörte, ein letztes Mal seine Kunden empfangen. Mit dabei war auch Karin Schelpeper: "Ich habe die Halle eingeräumt und nun räum ich sie aus."

Die etwas in die Jahre gekommene Einrichtung weckt Erinnerungen an die DDR. Erstmals eröffnet wurde das Geschäft tatsächlich im November 1979. Von Anfang an war Schelpeper als Verkäuferin mit dabei. Doch der Betrieb habe sich am Ende wirtschaftlich nicht mehr getragen, erklärt sie. "Man muss sich das so vorstellen: Man hat auf dem Dorf immer den gleichen Umsatz, aber das andere steigt ja", sagt die heute 62-Jährige mit Blick auf die Kosten. Die führen auch Inhaberin Sigrid Hübner sowie deren Tochter und Marktleiterin Andrea Hübner-Vogt als Grund für die Schließung an.

Ausbleibende Kundschaft, aber hohe Personalkosten

Den ersten größeren finanziellen Einbruch habe es vor zwölf Jahren gegeben, als das Enten-Schlachthaus im Ort mit seinen mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dicht gemacht hat. Dadurch habe die "Einkaufsquelle" auch viel ihrer Kundschaft verloren.

Für einen kurzen Aufschwung hatte zwischenzeitlich die Corona-Pandemie gesorgt, die wieder mehr Menschen in das Geschäft gezogen hatte, berichtet Andrea Hübner-Vogt. Die Leute wären wegen der Kontaktbeschränkungen im Ort geblieben und nicht in größere Städte gefahren. "Nach Corona ist es wieder weniger geworden an Kundschaft. Das ist halt der Zahn der Zeit. Das ist halt eine alte Halle. Alle wollen es neu und schick haben." Zuletzt seien dann die Ausgaben, vor allem die Personalkosten, zu hoch gewesen, während die Einnahmen zu gering blieben.

Die Schließung jetzt ist auch für Sigrid Hübner ein schwerer Einschnitt. Denn die Kaufhalle war seit 1993 in der Hand ihrer Familie. Obwohl die Inhaberin selbst im rund 25 Kilometer entfernten Seelow wohnt, sei sie durch den Laden mit den Neutrebbinern zusammengewachsen: "Und ich bin traurig, dass sie nicht mehr einkaufen können", erzählt sie wehmütig.

Supermarkt in Neutrebbin im Oderbruch (Märkisch-Oderland) schließt nach 45 Jahren. Es ist die letzte Einkaufsmöglichkeit für die Einwohner gewesen. (Quelle: rbb/Felicitas Montag)

Soziale Anlaufstelle für die Dorfgemeinschaft

Gerade auch für die älteren Menschen im Dorf ist der Laden eine wichtige soziale Anlaufstelle gewesen, berichtet Elsbeth Kentsch. Die fast 90 Jahre alte Neutrebbinerin sei fast jeden Tag in die "Einkaufsquelle" gekommen. Andere Einkaufsmöglichkeiten, wie einen Bäcker oder Fleischer, gibt es in dem Ort mit seinen nicht mal 1.500 Menschen nicht mehr. Die Schließung belaste Kentsch emotional sehr, vor allem, weil sie jetzt noch abhängiger von ihrer Familie sei, erzählt die Frau. "Ich könnte mich hinstellen und weinen. Wenn man so alt ist wie ich und jetzt nicht weiß, wohin. Man ist so schon ein Anhängsel und jetzt muss ich fragen: Bringst du mir das mal mit oder kannst mich mitnehmen? Das ist traurig."

Folgen hat die Geschäftsaufgabe neben den Anwohnern auch für das Personal. Neben Verkäuferin Karin Schelpeper waren dort bis zuletzt fünf weitere Mitarbeitende und ein Minijobber beschäftigt. Ihnen habe die Inhaber-Familie angeboten, in ihren zwei anderen Edeka-Filialen in Briesen (Oder-Spree) oder Lebus (Märkisch-Oderland) zu arbeiten.

Dorfbewegung fordert Hilfe aus der Politik

Laut Frank Schütz, dem Vorsitzenden der "Dorfbewegung Brandenburg" und ehemaligen Bürgermeister im benachbarten Golzow, ist der Dorfladen in Neutrebbin kein Einzelfall. So musste auch der Konsum in Golzow vor wenigen Jahren geschlossen werden. In anderen Orten kämpften Geschäfte ebenfalls ums Überleben. "Wir haben derzeit in der Regionalplanung eine Fokussierung auf Mittelzentren", kritisiert Schütz. "Dort sehen wir in den größeren Orten die Ballungen, wo man von einem Supermarkt zum anderen gehen kann." Leidtragende seien diejenigen, die weniger mobil sind.

Er fordert deshalb Hilfe aus der Politik. So müssten laut Schütz in der Landesplanung Einkaufsflächen an Schwerpunktorten ausgewiesen und Ansiedlungen gefördert werden. In anderen Bundesländern wie Schleswig-Holstein habe man mit Anschubfinanzierungen und Digitalisierung gute Erfahrungen gemacht. Denn eine Grundversorgung sei Schütz zufolge auch für einen attraktiven ländlichen Raum wichtig.

Laden-Rettung durch besondere Initiativen

Dass ungewöhnliche Konzepte Dorfläden erhalten können, zeigen andere Beispiele aus Brandenburg. In Jänschwalde (Spree-Neiße) stand der Konsum 2018 vor dem Aus. Dann übernahm ein neuer Betreiber. Seitdem der dort einen Mittagstisch anbietet, kommen wieder Kunden aus der gesamten Umgebung. Neben typischer Hausmannskost gibt es auch stets ein vegetarisches Gericht. Der alte Konsum besteht ebenso weiter und bietet Dinge für den täglichen Bedarf.

In einer Kaufhalle in Teschendorf (Oberhavel) wurde hingegen bereits auf die Digitalisierung gesetzt. Fast 13 Jahre lang gab es dort gar keine Einkaufsmöglichkeit. Nun können Kundinnen und Kunden ihren Einkauf dort auf Touchscreens, ähnlich wie in Fastfood-Restaurants, tätigen. Die Produkte werden dann von Automaten ausgegeben. Insgesamt stehen rund 650 Produkte zur Auswahl, viele davon von regionalen Erzeugern. Das Geschäft kommt komplett ohne Mitarbeiter aus.

In Walsleben (Ostprigitz-Ruppin) kommt der Dorfladen direkt zu den Kunden. Dort fährt Laden-Inhaberin Catherin Grabow Lebensmittel oder Zeitungen anhand der eingereichten Einkaufslisten mit dem Pkw aus.

Hoffnung auf einen Neuanfang

Endgültig aufgeben wollen auch die Neutrebbiner noch nicht. Zusammen mit dem ehrenamtlichen, parteilosen Bürgermeister Mario Hirschbein kämpfen die Inhaber des nun geschlossenen Supermarktes dafür, dass es auch zukünftig wieder einen Lebensmittelmarkt im Ort gibt.

Keine leichte Aufgabe, denn zunächst steht die Halle vor einer notwendigen Modernisierung und Verkleinerung. Hirschbein zeigt sich jedoch optimistisch: "Da gibt es private Initiativen, die sich einbringen. Auch wir von der Gemeinde werden nicht nur mit Rat und Tat zur Seite stehen, sondern auch finanziell, sodass das hier relativ kurzfristig gelingt."

Das Ziel: Spätestens im Herbst soll es in Neutrebbin wieder einen Lebensmittelmarkt inklusive Lotto- und Poststelle geben, erklärt Hirschbein: "Wir wollen nicht, dass Neutrebbin ein verschlafenes Dörfchen wird."

Sendung: Brandenburg Aktuell, 03.03.2025, 19.30 Uhr

Mit Material von Felicitas Montag

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7 Kommentare

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  1. 7.

    Frage an Deborah: Was bitte ist bei Ihnen der Unterschied zwischen einer Kaufhalle und einem Supermarkt? Ich glaube mich erinnern zu können , denn ich habe zu DDR -Zeiten mal Werbepsychologie studiert. Damals haben wir gelernt das Werbung sozialistisch ist u. Reklame Kapitalistisch. Und eben auch , das ein westlicher Einkaufsladen Supermarkt und ein östlicher Kaufhalle. Das Wort Supermarkt wurde deshalb nicht übernommen weil sich die DDR nicht die Blöße geben wollte. So Super waren nämlich die Kaufhallen in der DDR nicht. Und noch ein Unterschied: In der damaligen BRD gab es Supermärkte ab ca.1949 in der DDR jedoch erst ab ca. 1967.Unterscheiden Sie!

  2. 6.

    Sehe ich seit Jahren genauso! Als alter Mensch würde ich never ever aufs Land ziehen. Das macht überhaupt keinen Sinn! Durch die fehlende Infrastruktur, fehlende Gesundheitsversorgung usw. ist man total abhängig von anderen Menschen - Nachbarn, Kindern usw. - wenn man kein Auto hat. Wer will das schon im Alter? Würde mir nicht im Traum einfallen, mich in eine solche Abhängigkeit zu begeben. In der Stadt (je nachdem, wo man wohnt) sind Einkaufsläden, Gesundheitsversorgung, Kino, einfach alles direkt vorort oder gut mit dem ÖPNV erreichbar.

    Landleben ist eher was für junge Familien, finde ich.

  3. 5.

    Das ist doch so ähnlich wie der Wunsch nach "vielen kleinen Läden mit abwechslungsreichem Angebot", am besten inhabergeführt, jedenfalls mit kompetentem, engagiertem Personal, nach denen gern für die Einkaufsstraßen der Städte geschrien wird. Und wie oft gehen all jene, die danach schreien, dann auch hin und kaufen etwas in diesen Läden? Eine entsprechende Umfrage in Österreich ergab: Vielleicht einmal im Vierteljahr, eher seltener.

    Im Kapitalismus ist die Sache doch relativ einfach: Angebote, die man weiterhin haben möchte, muss man nachfragen, in Läden, deren Weiterbestehen man sich wünscht, muss man kaufen.

    Aber klar: Wenn dann dort irgendwas zehn Cent mehr kostet als im Riesenmarkt, zu dem man zehn, zwanzig, dreißig Kilometer fährt, ist mal wieder das böse System schuld und am besten sollte der Staat eingreifen, am allerbesten mit Subventionen.

  4. 4.

    Meine Rede, Die älteren Menschen müssten ja verrückt sein wenn sie , wie hier vorgeschlagen wurde, von Berlin aufs Land ziehen sollen. Im übrigen: Die Jugend haut ab aus den Dörfern und die Alten sollen hinziehen? Was ist denn das für ein Blödsinn

  5. 3.

    Also doch nicht aufs Land ziehen als alter Mensch. Dann gibt es ja Dauerfasten weil man nirgensmehr einkaufen kann ohne Führerschein, Auto.

  6. 2.

    Sehr schade, so eine schöne, kleine Kaufhalle! Ich verstehe den Druck der alten Bewohner, auch meine Eltern leben auf'm Kaff und dort wurde der örtliche "Supermarkt" (auch eher Kaufhalle...) vor ein paar Jahren von Bunting übernehmen und zum komplett-Nahversorger ausgebaut, zieht sehr viele Einkäufer an. Frischtheke, Lebensmittel , Post, Schreibwaren und Druckerzeugnisse, Drogerieartikel, Haushaltswaren (Bügeleisen, Schrubber, Socken, Unterwäsche, alles!). Da wurde erfolgreich nach oben erweitert.
    Im anderen Kaff gibt's hingegen nach Ende des Mini-Marktes nun einen "Dorfladen" ab 5 Kafffee, frisches Gebäck, Wurst, Käse, Eier aus der Umgebung, Milch, Marmelade, etc für den kleinen Einkauf. Für mehr muss man mit dem Bürgerbus oder per Mitfahrbank zum Nahversorger in unser Kaff.
    Bei meiner Oma fuhr der Laden in einem Marktwagen rum. Da gab's sogar Zahnpasta (eine Sorte) und 2 Rollen Klopapier ;-)

    Lange Rede, kurzer Sinn:
    Ihr findet eine Lösung :-) ich drücke die Daumen!

  7. 1.

    Supermarkt? Da ist nichts "super".

    Bei uns gibt es sowieso "Kaufhallen", die aber auch nicht "super" sind.