Unterwegs auf dem Land - Was bringen Dorfmobile?

So 16.02.25 | 15:49 Uhr
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Seit fünf Jahren gibt es das Dorfmobil in Barsikow (Foto: rbb/Haase-Wendt)
Audio: rbb24 Inforadio | 13.02.2025 | Björn Haase-Wendt | Bild: rbb/Haase-Wendt

Einkauf, Arzt und Besuche bei Freunden? - Ohne Auto ist es in Brandenburgs Dörfern schwer, mobil zu sein. Ostprignitz-Ruppin fördert deshalb spezielle Dorfmobile. Barsikow war der Vorreiter, seit 2024 hat Flecken Zechlin ein Dorfmobil. Von Björn Haase-Wendt

Das kleine weiße Elektroauto steht vor dem alten Konsum in Barsikow – einem 180-Einwohner-Dorf, das zur Gemeinde Wusterhausen/Dosse (Landkreis Ostprignitz-Ruppin) gehört. An den Autotüren steht in grüner Schrift "Dorfmobil Barsikow". Seit genau fünf Jahren können Einwohner und Besucher des Ortes den kleinen Flitzer buchen.

"Wir hatten uns überlegt, was man im Ort braucht", erklärt Fabio Meister von der Dorfmobil-Arbeitsgemeinschaft im Ort. "Dass also jemand ohne ein eigenes Auto die Chance hat, seine Ziele zu erreichen, ohne auf die Nachbarschaftshilfe angewiesen zu sein." Ein Blick auf den Fahrplan an der örtlichen Bushaltestelle verrät: Außerhalb des Schülerverkehrs wird es schwer, von hier aus in die nächstgrößeren Orte wie Wusterhausen, Kyritz oder Neuruppin zu kommen.

In Barsikow war deshalb die Idee eines Dorfmobils geboren, auch weil der Landkreis Ostprignitz-Ruppin eine finanzielle Förderung neuer Mobilitätsideen in Aussicht gestellt hatte. Barsikow bewarb sich und erhielt 2020 den Zuschlag. "Wir haben die Anschaffung - also die Investition in das Auto - unterstützt und auch punktuell Beratungsleistungen, um das Projekt zu stemmen", sagt Vize-Landrat Werner Nüse. Den laufenden Betrieb aber unterstütze man nicht. 25.000 Euro gab es also vom Landkreis für den Kauf des Elektroautos. Ebenso für den Ort Flecken Zechlin bei Rheinsberg, wo seit dem vergangenen Sommer das zweite Dorfmobil im Kreis unterwegs ist.

Örtliche Vereine übernehmen ehrenamtlich Wartung und Pflege

Die Dorfmobile werden als Carsharing angeboten. Die Betreuung, Wartung und Pflege der Autos übernehmen ehrenamtlich örtliche Vereine. Interessierte Nutzer müssen sich zunächst dort registrieren. "Wir erfassen dabei die Konto- und Kontaktdaten, überprüfen den Führerschein und dann gibt es einen Link zur Buchungsapp", sagt Fabio Meister. Über die App kann das Auto reserviert werden, abgerechnet wird pro Stunde und gefahrenen Kilometern.

Die Barsikower sind vor fünf Jahren mit großen Zielen angetreten. "Wir wollten zum einen die Mobilität im Ort verbessern, auch die ökologische Bilanz der Einwohner sollte verbessert werden, und wir wollten auch das bürgerschaftliche Engagement im Dorf stärken", erläutert Meister. Und noch mehr: Sogar von einem zweiten Dorfmobil wurde geträumt, weil die Nachfrage so groß sein würde und Einwohner auf ihr eigenes Auto dauerhaft verzichten würden.

Willem Schoeber vom Dorfmobilteam hätte sich eine stärkere Nutzung des Leihautos gewünscht. (Foto: rbb/Haase-Wendt)
Bild: rbb/Haase-Wendt

Ernüchterung nach fünf Jahren Praxis mit Mobil

Jetzt, fünf Jahre später, tritt so etwas wie Ernüchterung ein. "Die Nutzung könnte besser sein", sagt Ortsvorsteher Willem Schoeber. Auch er engagiert sich ebenfalls in der Dorfmobil-AG. "Wir haben einige Leute dafür begeistern können, haben eine tolle Nutzergemeinschaft, die auch von Anfang an dabei ist." Den ursprünglichen Anspruch ihres Projekts aber, jeden im Dorf zu erreichen, hätten sie verfehlt.

Das zeigen auch Zahlen, die das Dorfmobil-Team in einer Diskussionsrunde im alten Konsum vorstellt. Demnach wird das Leih-E-Auto zwar durchschnittlich täglich, aber nur von einem harten Kern genutzt. "Wir haben insgesamt 45 registrierte Nutzer. Davon sind jeden Monat im Durchschnitt 19 fahrberechtigt, haben also ihren Führerschein innerhalb des letzten halben Jahres kontrollieren lassen."

Tatsächlich aber fahren Meister zufolge pro Monat lediglich acht verschiedene Nutzer, also nur ein Bruchteil der 180 Einwohner von Barsikow, von denen schätzungsweise zwei Drittel einen Führerschein haben. Der Betrieb rechnet sich trotzdem, um die Kosten für das Auto, den verbrauchten Strom und die Wartungskosten abdecken zu können. Insgesamt wurden in fünf Jahren knapp 80.000 Kilometer mit dem Auto zurückgelegt.

Ein Ziel: Die Auslastung verdoppeln

Ernst-Peter Jeremias aus Flecken Zechlin berichtet von ähnlichen Herausforderungen. In dem Rheinsberger Ortsteil gibt es seit Juni 2024 das "FleckoMobil": "Wir müssen in diesem Jahr die Auslastung unseres Fahrzeugs verdoppeln, damit es wirtschaftlich ist – sind aber optimistisch, dass wir das schaffen." Allerdings zeige sich, dass selbst unter den knapp 60 Mitgliedern im dortigen Heimat- und Kulturverein nur ein kleiner Teil bisher das Leih-E-Auto nutzt.

Die Hoffnungen liegen hier aber auf den Touristen, die im Sommer mit ihren Booten in Flecken Zechlin einen Zwischenstopp einlegen, das Auto buchen und so für eine stärkere Auslastung sorgen. "Und sogenannte Service- oder Eventfahrten werden bei uns ein Thema, also wenn jemand, der selbst nicht mehr richtig mobil ist oder keinen Führerschein hat, zum Arzt oder Einkauf gefahren werden will. Aber da stehe ich vor dem neuen Problem, dass ich ehrenamtliche Fahrer brauche", so Jeremias.

Wichtig für die Dorfentwicklung

Also viel investiertes Geld für wenig Mobilität? "Nein", sagt Ostprignitz-Ruppins Vize-Landrat Werner Nüse. Das Dorfmobil in Barsikow habe etwas für die Dorfentwicklung gebracht. Es habe die Gemeinschaft und deren Mobilität gestärkt. "Es ist vor allem gut, wenn es um spontane Fahrten geht - am Vormittag, abends oder am Wochenende. Das können wir mit dem Bus klassisch in den kleinen Dörfern nicht abdecken", sagt Nüse.

Aber es gebe eben auch Hürden für den Einsatz der Dorfmobile. Zum einen können sie - anders als oftmals in den Großstädten - nicht flexibel als sogenanntes Free Floating angeboten werden. Das heißt: Das Auto muss immer wieder zum Heimatstandplatz zurück. Wer also das Leih-E-Auto zur Fahrt zum Bahnhof nutzt und es dort tagsüber stehen lässt, um abends wieder zurück ins Dorf zu kommen, wird mit hohen Standgebühren konfrontiert.

Zum anderen brauche es auch einen Wandel der Gewohnheiten, sagt Fabio Meister: "Es ist sehr schwierig, Menschen zu überzeugen, die das ganze Leben ein Auto hatten und gewohnt waren, dass das Auto immer ohne Anmeldung in der eigenen Einfahrt steht, dass sie jetzt eine Fahrt anmelden und auch überlegen müssen, wann sie zurück sein wollen."

Der Umgang mit einem fremden Auto schreckt ab

Auch schrecke der Umgang mit einem fremden Auto einige potenzielle Nutzer ab, wie die Barsikowerin Barbara Linke erklärt: "Ich habe das Auto schon getestet und bin damit auch mal nach Potsdam gefahren. Aber wenn ich es nicht oft benutze, habe ich Schwierigkeiten, das Auto überhaupt erstmal in Betrieb zu bekommen: Also wo stecke ich den Schlüssel rein, wo kommt der Stromstecker hin - das macht mir ein bisschen Probleme."

Auch die persönliche Registrierung und dass eine eigene Smartphone-App genutzt werden müsse, sei eine Barriere, erklärt Ostprignitz-Ruppins Mobilitätsmanagerin Elisabeth Jänsch. Den Einsatz der Dorfmobile halten der Landkreis und die beteiligten Initiativen trotz aller Herausforderungen für sinnvoll. So gaben etwa Nutzer aus Barsikow in einer anonymen Umfrage an, dass sie sich kein zweites Auto anschaffen. Schließlich könnten sie im Ernstfall auf das Dorfmobil zurückgreifen.

Vize-Landrat Werner Nüse fügt hinzu: "Es kann keinen vollständigen Busverkehr ersetzen, aber es kann ein kleiner Baustein sein, um die Mobilität in den Dörfern zu verbessern. Von daher werden wir das auch künftig gerne unterstützen." Weitere Interessenten gibt es schon. Etwa das Dörfchen Zempow bei Wittstock.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.02.2025, 16:39 Uhr

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8 Kommentare

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  1. 8.

    Vater Staat möchte aber nicht, in Infrastruktur investieren !!!
    Es ist doch viel einfacher, nur Steuern zu kassieren und Nichts zu investieren.
    Die beste Ausrede der Welt : Lohnt sich sowieso Nicht !!!
    Damit kann man Radwege, Bahnausbau/Reaktivierung, Straßenbau und sonstige Investitionen in Infrastruktur, klever und einfach, abblocken.
    Was bleibt, ist Dorfmobil und Reiten auf Schwalbe, Habicht und Spatz.

  2. 7.

    Warum gibt es denn keine Mitfahrgelegenheit? Wenn einer es benötigt, könnte er ja bekannt geben, wohin er fährt und da könnten doch einige mitfahren. Und ja, das wäre von einem Ehrenamtlichen besser koordiniert. Oder wenn einige ein gleiches Event besuchen möchte, können doch mehrere mit, muss aber auch kommuniziert werden. Also da ist noch Luft nach oben. Und für Touris würde ich das nicht anbieten. Denn dann kommen die Dorfbewohner gar nicht mehr dazu, den zu benutzen.

  3. 6.

    Hört sich gut an, hätte ich auch gerne bei uns hier. Oder Carsharing …..

  4. 5.

    Wäre nicht ein Fahrdienst sinnvoller? Was machen die, die weder Auto noch Fahrrad fahren können, z.B. alte Leute mit Rollator? Oder gibt es das auf dem Dorf nicht? Dann müsste man auch keine Standgebühren bezahlen, weil der Fahrdienst doch den ganzen Tag genutzt werden könnte.

  5. 4.

    Fahrradwege, aber breit genug, physisch getrennt und nicht zugänglich für Autos, auch nicht für Lieferverkehr oder Landwirtschaft!

    Stimmt, und meistens gibt es Platz. Falls Platz knapp ist könnten Autostraßen von drei auf zwei Fahrspuren zurückgebaut werden.

    Teils ist die Situation besser im westen, etwa in Schleswig-Holstein.

    Sage ich als begeisterte Autofahrerin!

  6. 3.

    Das ist doch ein super Anfang. Immerhin hat man rund 5% aller Dorfbewohner erreicht und 80.000 km in 5 Jahren lässt sich sehen.
    Ich kann verstehen, dass die Wünsche und Erwartungen größer waren - aber insbesondere weil es ein kleines Dorf am Ende der Welt ist, ist es ein toller Erfolg.

  7. 2.

    Fahrrad + Fußgängerwege neben Landstraßen wären super - auch für Jugendliche…
    Wie vor mir schon geschrieben ist auf der Landstraße Fahrrad fahren völlig verrückt. So käme man mit dem Fahrrad wenigstens zum nächsten größeren Bahnhof oder könnte auch zu Fuß mal die Menschen im Nachbardorf besuchen…
    Dennoch: dasDorfgemeinschaftsauto ist ein guter Anfang.

  8. 1.

    Auf dem Dorf haben halt alle die Auto fahren können schon ein Auto. Besser wären Investitionen in die Infrastruktur für Fahrräder. Auf der Landstraße fahren grenzt an Selbstmord, auch wenn das Ziel nur ein paar Kilometer weg ist.