Ull Hohn im Haus am Waldsee - The Boy of Painting

Abstrakt, figürlich, körperlich, klassisch, konzeptuell? Der früh verstorbene Künstler Ull Hohn malte sehr unterschiedliche Serien - mit nebulösen Landschaften oder reduzierten Penis-Umrissen. In seiner Ausstellung "Revisions" werden die Werke neu betrachtet. Von Julia Sie-Yong Fischer
Vor der idyllisch an der Krummen Lanke gelegenen Villa steht schon ein Aufsteller mit dem Ausstellungsplakat: Darauf zu sehen ist Ull Hohns Gebirgslandschaft in knalligem Hellblau, lila Nebel, moosgrünen Tannen und jeder Menge gespachteltem Deckweiß. Passenderweise ist die Tanne auch Bestandteil des Logos des Hauses am Waldsee. Und die Neugier ist bereits geweckt: Handelt es sich womöglich um eine Schau von gruseliger, deutscher Heimatkunst? Und sollte hier Malerei gezeigt werden, die manche verächtlich als Hobbykunst abstempeln würden?

Kunst als Lebensaufgabe
Ull Hohn (1960-1995) war es sehr ernst mit seiner professionellen Künstlerkarriere, die mit einer soliden akademischen Ausbildung begann. Er studierte zunächst bei Gerhard Richter an der Kunstakademie in Düsseldorf und ging 1986 nach New York, um als Stipendiat des Studienprogramms des Whitney Museums teilzunehmen. In den 1980er Jahren hatte dort der künstlerische Diskurs einen hohen theoretischen Anspruch und förderte die Produktion von konzeptuellen Werken. Zudem wurden Künstler:innen aktiver im Formulieren von politischen Meinungen und Forderungen.
Aids bedrohte die blühende queere Szene New Yorks existenziell und führte traurigerweise auch zu Hohns frühem Tod 1995. Seine eigene (sexuelle) Identität wurde in dieser Zeit Gegenstand und Ausgangspunkt seiner Arbeit. Aber die wichtigste Beschäftigung war die Infragestellung der Malerei selbst auf geistiger sowie praktischer Ebene.
Kontextuelle Landschaftsmalerei
Die fünf vor Farbe quietschenden Landschaftsmalereien "Untitled" (1993) mögen manchen Fernsehzuschauer:innen durchaus bekannt vorkommen. Es sind tatsächlich Bilder, die sich an den Anweisungen des US-amerikanischen Fernsehmalers Bob Ross (1942-1995) orientierten. Mit dichter Dauerwelle und beruhigender ASMR-Stimme zeigte dieser in seiner Sendung "The Joy of Painting" (1983-94), wie jede:r mit Pinsel, Spachtel und ein bisschen Ölfarbe eigene Werke fürs Wohnzimmer anfertigen kann.
Ull Hohns Versionen kokettieren mit ihrem offiziellen Status, anerkannte Kunst zu sein, denn nun hängen die vermeintlichen Hobbybilder ja in einem institutionellen Kunstraum. Und dadurch, dass sie genau gegenüber des wunderbaren Ausblicks auf den englischen Garten des Museums installiert sind, stellen sie als Landschaftsbilder Fragen nach der von Menschen konstruierten Natürlichkeit. Gleichzeitig finden sich in ihnen auch Verweise und Parallelen zu historischer Malerei - wie der nordamerikanischen Hudson River School oder der deutschen Romantik.
Andere Werke Hohns, wie seine Abschlussarbeit "Untitled" (1988) und "Nine Landscapes" (1988), ordnen sich formal eher abstrakt ein. Die acht monochromen Bilder sind Gipsreliefs, die braun übermalt wurden. Ihre Farbigkeit spielt auf die skurrile Vereinbarkeit von Schokolade und Kot an. Begehren und Kink, also eine sexuelle Vorliebe, lassen sich an dem genussvoll gestischen Auftrag der Masse ablesen.

Als Installation ihnen gegenübergestellt sind die uringelben Landschaften, die in der Manier eines Gerhard Richters verschwommen flirren. Einige Stellen wurden konkretisiert, andere wieder weggenommen - ein andauernder ästhetischer Schwebezustand.
Beide Arbeiten lassen viel Raum für ihre Betrachtung und Lesart und laden dazu ein, an Hohns malerischer Herangehensweise teilzunehmen. Seine subtilen Darstellungen drängen sich dem Publikum nicht auf, sondern wollen sich finden lassen: Die von ihm eingesetzten halbabstrakten Formen in seinen sogenannten Penis Patterns (zu deutsch: Penis Muster) werden erst nach mehrmaligen Hinschauen als solche erkennbar. Bei "Ohne Titel/Landscape" (1992/93) entsteht das Boot mit Menschen nur aus zarten Strichen in einer halb gemalten, halb gekratzten Landschaft.

Das Ende ist auch der Anfang
Die letzte Werkreihe "Revisions" gibt der Ausstellung ihren Namen. Sie ist der Versuch des Malers vor seinem anstehenden Tod wieder an seine künstlerischen Anfänge zu gehen und sie neu zu betrachten. So nimmt er ohne Scheu Zeichnungen, Reliefs und Bilder, die er noch im minderjährigen Alter erschuf – um sie zu kopieren. Diesmal aber anders, ohne Wertung und mit der Ernsthaftigkeit einer Retrospektive. So wird ein schwarz-weißer Linolschnitt einer Schildkröte zu einem Gemälde, ein Stillleben mit Karaffe und Apfel wurde wiederum nur malerisch leicht verändert.
Auch diese Serie Hohns beweist, dass Malerei mit konzeptuellen Anspruch nicht langweilig oder steril sein muss. Im Gegenteil: Durch seinen künstlerischen Rückblick bleibt ein Gefühl der melancholischen Rührung angesichts seiner Realisierung der eigenen Endlichkeit. Und am Ende des Ausstellungsbesuchs bleibt die sentimentale Frage danach, was Ull Hohn noch alles erforscht und ausprobiert hätte, wäre er noch länger am Leben geblieben.
Ull Hohn: "Revisions" vom 31.1. bis 11.5.25 im Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, 14163 Berlin
Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet
Jeder 2. Freitag im Monat: 11 bis 20 Uhr
An Feiertagen geöffnet (außer am 24., 25. und 31.12.)
Sendung: Radioeins, 31.01.2025, 7:50 Uhr
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