Prüfbericht - Landesrechnungshof rügt rbb für Digitales Medienhaus

Do 28.11.24 | 15:13 Uhr | Von René Althammer und Jo Goll, rbb24 Recherche
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Außenraumperspektive Digitales Medienhaus, Entwurf BE Berlin (Bild: rbb/BE Berlin)
Audio: rbb24 Inforadio | 28.11.2024 | René Althammer | Bild: rbb/BE Berlin

Der Landesrechnungshof Berlin hat die Vorbereitung der Baumaßnahmen zum Digitalen Medienhaus des rbb scharf kritisiert. Die Prüfer werfen den damals Verantwortlichen vor, gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie rbb-interne Regelungen verstoßen zu haben. Von René Althammer und Jo Goll

Wer sich durch die seitenlange Auflistung von Versäumnissen, Nachlässigkeiten und Pflichtverletzungen kämpft, kann am Ende der Lektüre nur zu einem Schluss kommen: Die rbb-Chefetage unter und mit der damaligen Intendantin Patricia Schlesinger hat beim Projekt Digitales Medienhaus (DMH) so ziemlich alles falsch gemacht.

Was die Prüfer des Landesrechnungshofes Berlin (LRH) am Donnerstag der neuen rbb-Geschäftsleitung präsentieren, ist eine schallende Ohrfeige für die Verantwortlichen der Ära Schlesinger - und eine teure dazu. Am Ende des ambitionierten, aber völlig aus dem Kostenrahmen gefallenen Bauprojekts steht ein Verlust von knapp sieben Millionen Euro. Im Vergleich zu den anfänglich geplanten Gesamtkosten von 63 Millionen Euro im April 2018, aus denen bis 2022 geschätzte 311 Millionen Euro wurden, nimmt sich der wirklich eingetretene Verlust geradezu glimpflich aus.

Fast sieben Millionen Euro ohne Gegenwert

Die Planungen für den immer teurer gewordenen Glaspalast hatte Interimsintendantin Katrin Vernau Ende 2022 gestoppt. Dennoch gab es Vorarbeiten, Beraterleistungen, mussten Verträge wieder abgewickelt werden. Dank gilt hier wohl nachträglich auch den Whistleblower:innen aus dem rbb, die sich mit internen Informationen zu unklaren Beraterverträgen und ständig steigenden Kostenschätzungen über Medien an die Öffentlichkeit wandten.

Dennoch steht der Rundfunk Berlin-Brandenburg nach Beendigung des Bauvorhabens mit leeren Händen da - 6,88 Millionen Euro in den Sand gesetzt und kein adäquater Gegenwert. Das ist die bittere Bilanz des Bauvorhabens. Zugleich kann der Prüfbericht aber auch als Lehrbuch gelesen werden, wie der rbb zukünftig vorgehen muss, wenn er (wieder mal) ein größeres Bauvorhaben plant. Der rbb selbst, so schreiben die Prüfer, "ist den Feststellungen nicht entgegengetreten und wolle die vom Rechnungshof geäußerten Erwartungen und Empfehlungen umsetzen".

Landesrechnungshöfe und der rbb

Fehler von Anfang an

Die Prüfer attestieren dem rbb unter der 2022 fristlos gekündigten Intendantin Patricia Schlesinger schon in der Frühphase der Planungen für das Medienhaus am Standort Berlin schwere Versäumnisse. So sei nicht daran gedacht worden, für den Bau des DMH ein Bedarfsprogramm mit belastbaren Angaben zur benötigten Fläche und einen Kostenrahmen einschließlich Obergrenze aufzustellen. Motto: Mal sehen, wie groß und wie teuer das Projekt am Ende wird. Geld spielte lange Zeit wohl keine große Rolle.

Zudem wurden nach Ansicht der Rechnungshof-Prüfer die (immerhin) vorhandenen Erkenntnisse zu den voraussichtlichen Gesamtkosten der Baumaßnahme nicht vollständig in den Wirtschaftsplänen 2021 und 2022 berücksichtigt und dadurch der "Gesamtfinanzierungsbedarf für die Investition in Millionenhöhe zu niedrig angegeben".

Heißt im Klartext: Die rbb-Geschäftsleitung pokerte von Anfang an hoch und ging mit den Kostenschätzungen nicht transparent um. Davon waren auch die Kontrollgremien, der Rundfunk- und der Verwaltungsrat, betroffen.

Die jetzige rbb-Geschäftsleitung hat auf die Vorwürfe reagiert und will "für zukünftige Baumaßnahmen ordnungsgemäße Bedarfsprogramme aufstellen und bis Ende 2024 prüfen, wie er das Vieraugenprinzip zur baufachlichen Prüfung durch eine gesonderte Organisationseinheit sicherstellen kann", wie sie dem Landesrechnungshof mitteilte.

Wenig Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter

Weiter monieren die Prüfer, dass der rbb seinerzeit die Gesamtprojektleitung im Wesentlichen an einen externen Dritten, einen Projektmanager, übertragen hatte. Damit gab die damalige rbb-Geschäftsleitung das Zepter für die Baumaßnahme nahezu komplett aus der Hand, ohne diesen Projektentwickler einer ausreichenden baufachlichen Leitung und Kontrolle durch die hauseigene Bau- und Gebäudemanagementabteilung zu unterziehen. Im Gegenteil: "Die mit der Baumaßnahme DMH befassten internen Organisationseinheiten unterlagen sogar dem fachlichen Weisungsrecht der externen Gesamtprojektleitung."

Heißt de facto: Die rbb-Fachleute wie Bauingenieure und Architekten wurden kaltgestellt. Dabei sei die Bauabteilung nach Auffassung der Prüfer "fachkundig" gewesen und es hätte "ausreichende Steuerungs- und Koordinierungskapazitäten" gegeben. Doch stattdessen hatten teure externe Berater und Projektentwickler das Sagen beim Medienhaus-Projekt. Der damaligen Senderspitze fehlte ganz offensichtlich das Vertrauen in die eigenen Leute.

Hochgelobtes Partnering-Verfahren wird zur Kostenfalle

Das von der ehemaligen Intendantin Patricia Schlesinger auch öffentlich häufig als besonders kostengünstig gelobte Partnering-Vertragsmodell kritisieren die Prüfer ebenfalls. Entgegen interner rbb-Beschaffungsvorgaben wählte der Sender damit ein Vertragsmodell, dessen Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen wurde.

Zudem besteht bei dem Modell das Risiko späterer Interessenkonflikte. Beim Partnering-Modell übernimmt der Auftragnehmer zunächst Planungsaufgaben und später die sich daraus ergebenden Bauleistungen - keine gute und vor allem wohl keine wirtschaftlich sinnvolle Idee, so die Prüfer des Landesrechnungshofs. "Der RBB hat außerdem nicht im Rahmen einer systematischen Wirtschaftlichkeitsuntersuchung geprüft und dargelegt, ob das für die Realisierung des DMH gewählte Partnering-Vertragsmodell wirtschaftlich vorteilhaft ist", lautet das Fazit der Prüfer.

Zudem herrschte bereits im Planungsverfahren offenbar Chaos bei den Abläufen. So wurden Planungsleistungen für die sogenannte Leistungsphase 3 vergeben, bevor die vorhergehende zweite Leistungsphase abgeschlossen und eine "baufachlich geprüfte und genehmigte Vorplanung mit vollständiger Kostenschätzung" vorlag, heißt es im Prüfbericht. Alles offenbar frei nach dem Motto: Tempo, Tempo, wir müssen weiterkommen.

Leitende rbb-Mitarbeiter berichteten rbb24 Recherche, dass die damalige Intendantin Schlesinger in Sitzungen mehrfach stolz verkündet habe, man hätte sich mit der Beauftragung der Berater und Projektentwickler "Zeit erkauft", um schneller mit der Baumaßnahme ans Ziel zu kommen. Offenbar war hier der Ehrgeiz einer ambitionierten Intendantin wichtiger, als ein millionenschweres Bauprojekt kostengünstig und nach den eigenen Vorschriften anzugehen.

Tempo führt zu schweren Verfahrensfehlern

Weil Schnelligkeit offenbar vor Sorgfalt ging und hier und da Sachkenntnisse fehlten, hat der rbb schon in der Planungsphase des DMH auch gegen die Haushaltsordnung des Landes Berlin verstoßen. So jedenfalls sieht das der Landesrechnungshof. Ebenso stellen die Prüfer Verstöße gegen die in Berlin geltenden Anweisungen für Baumaßnahmen im öffentlichen Sektor fest.

Der rbb als Anstalt des öffentlichen Rechts kann als Bauherr nicht frei entscheiden, wie der Bau eines Gebäudes abzulaufen hat. "Für die Wahrnehmung seines Auftrags gelten für den RBB […] die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Diese staatsvertraglich normierten Grundsätze der Wirtschaftsführung gelten auch für Baumaßnahmen", befinden die Prüfer. Und genau diesen Grundsätzen wäre der rbb verpflichtet gewesen.

Doch Missmanagement, Ungeduld und wohl eine ordentliche Portion Größenwahn haben zu einem Desaster geführt, das den rbb nicht nur viel Geld gekostet hat, sondern auch seiner Reputation erheblichen Schaden zugefügt hat.

Update - Reaktion des rbb vom Donnerstagmittag

Der Rundfunk Berlin-Brandenburg hat den am Donnerstag (28.11.) vom Landesrechnungshof Berlin vorgelegten Bericht zu seinem beendeten Projekt "Digitales Medienhauses (DMH)" begrüßt. "Der Bericht beschreibt sehr genau institutionelle Defizite und gibt uns mit seinen Empfehlungen eine wichtige Richtschnur für unser künftiges Handeln", sagte rbb-Intendantin Ulrike Demmer am Donnerstag. "Die Ergebnisse zeigen, dass beim DMH grundlegende Fehler gemacht wurden. Der Bericht zeigt aber auch, wie man diese Fehler vermeiden kann. Daraus ziehen wir Konsequenzen."

Die vollständige Mitteilung des rbb lesen Sie hier.

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.11.2024, 13:00 Uhr

Beitrag von René Althammer und Jo Goll, rbb24 Recherche

13 Kommentare

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  1. 13.

    So sei nicht daran gedacht worden, für den Bau des DMH ein Bedarfsprogramm mit belastbaren Angaben zur benötigten Fläche und einen Kostenrahmen einschließlich Obergrenze aufzustellen. Motto: Mal sehen, wie groß und wie teuer das Projekt am Ende wird. Geld spielte lange Zeit wohl keine große Rolle.

    seltsam: der Architekt hatte offenbar ein Bedarfs- und Flächenprogramm vorliegen - scheinbar kann man das aber beim rbb nicht mehr finden.

    https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wirtschaft/turbulenzen-um-den-rbb-das-aus-fur-das-digitale-medienhaus-ist-ein-fehler-9306476.html

  2. 12.

    Warum kann ich nicht selbst entscheiden, wofür ich Gebühren bezahle? Den Staatsvertrag mit dem rbb auflösen.

  3. 11.

    Meisten kommt von solchen Leuten ihnen keine Kritik, sondern Hetze und Schmähungen.

    Unter Kritik versteht man die Beurteilung eines Gegenstandes oder einer Handlung anhand von Maßstäben. Wie die Philosophin Anne-Barb Hertkorn ausgeführt hat, sei Kritik damit „eine Grundfunktion der denkenden Vernunft und wird, sofern sie auf das eigene Denken angewandt wird, ein Wesensmerkmal der auf Gültigkeit Anspruch erhebenden Urteilsbildung.“

  4. 10.

    Das ist bei Lehnwörtern ganz normal, also Usus. Ob es nun das Gendern im Speziellen sein muß sei hier mal dahingestellt, aber im Allgemeinen folgen Anglizismen der deutschen Grammatik. Das bedeutet auch, dass die deutsche Grammatik vom Englischen praktisch unbeeinflusst bleibt; trotz des großen Wortschatzzuwachses ist das sprachliche System des Deutschen nicht berührt. Unabhängig davon kommt es zu Anwendungsfehlern wie "an Weihnachten", spaßig für have fun etc.
    Eine Idee für eine halbwegs adäquate deutsche Variante für Whistleblower wäre Hinweisgeber, es fehlte dann aber die enthaltene Konnotation für das laute alarmierende Pfeifen und damit auch das Aufschreckende, Warnende im Wort (früher pfiffen Polizisten bei Regelverstößen in die Trillerpfeife, alarmierten und riefen so Verstärkung herbei), daher wohl die eher übliche Verwendung dieses Lehnwortes, es paßt einfach besser vom Bedeutungsumfang her.

  5. 9.

    Bin gespannt, wann der RBB hier die Kommentarfunktion schliesst. Schließlich könnte hier Kritik geübt werden.

  6. 8.

    Hier : https://www.wettbewerbe-aktuell.de/ergebnis/medienhaus-campusentwicklung-rundfunk-berlin-brandenburg-108766#resultWinner

    steht:
    "Allerdings stiegen die Kosten von rund 60 Millionen Euro auf 311 Millionen Euro, ein nicht ganz unerheblicher Faktor für den endgültigen Stopp des Projekts. " . D.h. irgendeine Art von "Vorplanung" hat da wohl schon stattgefunden, aber wahrscheinlich nicht die eines Architekten oder Bauunternehmers, steht leider nicht im Artikel wer die externe Projektleitung inne hatte.

  7. 7.

    Beitragsgelder bitte erhöhen, die Intendanten und Intendantinen sollen in Bernsteinzimmern sitzen, sollen zu Arbeit mit feinen, Panzerlimousinen abgeholt werden. Die Mitarbeiter sollen schön still bleiben und das senden was die jetzige Strukturen stärkt und verteidigt.

  8. 6.

    Das gibt es ja wohl nicht. Protzen wofür denn,? Alle müssen in Berlin sparen, und der rbb will sich soetwas leisten? Unverschämt.

  9. 5.

    Kann man die damals verantwortlichen auf Schadensersatz verklagen?

    Erfolgsaussichten?

  10. 4.

    So wird mit unseren Beitragsgeldern umgegangen. Auf der anderen Seite wird ein höherer Beitrag gefordert.

  11. 2.

    Es ist doch wohl ein bißchen absurd ein englisches Wort: whistleblower deutsch zu gendern.
    Das nervt mich ,wenn es um Inhalte geht,bei denen -welches Geschlecht auch immer- keine Rolle spielt.

  12. 1.

    Das gibts doch nicht! Das haut ja den Boden aus dem Faß!

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