Verdacht der Veruntreuung - Wie es zum Millionenschaden bei einer Charité-Tochter kam

Mi 12.04.23 | 16:41 Uhr | Von René Althammer
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Außenaufnahme des Charité-Hauptgebäudes in der Dunkelheit
Audio: rbb24 Inforadio | 13.04.2023 | Robin Marienfeld | Bild: dpa

Eine Charité-Tochter soll mehrere Millionen Euro veruntreut haben. Der Senat hat nun weitere Details mitgeteilt. Die Mitarbeiter, die den Skandal aufdeckten, mussten teuer dafür bezahlen. Die Linke fordert nun deren Rehabilitation. Von René Althammer

Der mutmaßliche Millionenschaden bei der Charité-Tochter Charité Facility Management (CFM) soll vor allem - so der bisherige Verdacht - durch nicht erbrachte oder "überteuerte Leistungen aus Geschäftsbeziehungen mit Dritten erfolgt sein". Konkret heißt das, Mitarbeiter der CFM werden verdächtigt, Rechnungen von Firmen bezahlt zu haben, obwohl dafür entweder keine Leistungen erbracht worden waren oder die Preise viel zu hoch waren.

Dies teilte die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit, Pflege und Gleichberechtigung dem Abgeordneten Tobias Schulze (Linke) auf eine parlamentarische Anfrage mit und bestätigte damit Recherchen des rbb. Die Antwort liegt rbb24 Recherche vor.

Nach den bisherigen Ermittlungen besteht außerdem der Verdacht, dass "externe Unternehmen teils Verbindungen zu handelnden Personen der CFM aufwiesen". So wurden Aufträge ohne Ausschreibung an Firmen vergeben, die weder in einschlägigen Firmendatenbanken verzeichnet waren noch anders öffentlich in Erscheinung traten. In einem Fall handelte es sich um die Firma einer Mitarbeiterin der CFM.

Aus einer aktuellen Senats-Antwort auf eine Anfrage der AfD-Fraktionsvorsitzenden Kristin Brinker geht außerdem hervor, dass die "potentiell strafrechtlich relevanten Sachverhalte in dem Zeitraum von 2017 bis 2022" stattfanden.

Charité-Revision wird im zweiten Anlauf fündig

Die interne Revision der Charité war erst im zweiten Anlauf auf die mutmaßlichen Straftaten gestoßen. Mitarbeiter der CFM hatten sich bereits Anfang 2021 an den Vertrauensanwalt der CFM gewendet und ihn über ihren Verdacht informiert. Im Sommer 2021 wurde dann auch Astrid Lurati, die Vorsitzende des Aufsichtsrats und Mitglied des Charité-Vorstands, informiert. Anschließend beauftragte Deutschlands größtes Universitätsklinikum eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, möglichen Verstößen gegen das Vergaberecht und Compliance-Vorschriften nachzugehen.

Das Ergebnis der Wirtschaftsprüfer wurde der Staatsanwaltschaft übermittelt, die damals jedoch keinen Anfangsverdacht erkannte und im Dezember das zuvor eingeleitete Ermittlungsverfahren "mangels Tatverdacht" wieder einstellte. Nachdem sich bei rbb-Recherchen herausstellte, dass es Auffälligkeiten bei den Metadaten diverser Angebote und Rechnungen gab, nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder auf.

Die Charité-Revision wurde eingeschaltet und hat die CFM wohl einer Tiefenprüfung unterzogen, deren Ergebnis im Februar dann dem Aufsichtsrat vorgestellt wurde. "Mit Bekanntwerden der potentiell strafrechtlich relevanten Sachverhalte wurden seitens der CFM unverzüglich personalrechtliche Konsequenzen eingeleitet", heißt es in der Antwort auf die parlamentarische Anfrage. Laut Handelsregister schied eine Geschäftsführerin aus und einem Mitarbeiter wurde die Prokura - also die Berechtigung, Aufträge zu erteilen und die Bezahlung von Rechnungen anzuweisen - entzogen.

Aufmerksame Mitarbeiter wurden gekündigt

Einige der Mitarbeiter, die den Skandal intern aufgedeckt hatten, arbeiten inzwischen nicht mehr bei dem Unternehmen: Sie wurden - anders als die Tatverdächtigen - noch 2021 freigestellt oder gekündigt. Tobias Schulze fordert jetzt eine Rehabilitation der Mitarbeiter. "Diese Mitarbeiter haben mutig und ohne Ansehen des eigenen Wohlergehens im Interesse der Charité und der Öffentlichkeit skandalöse Missstände aufgedeckt", schreibt Schulze dem rbb. Nach seiner Auffassung "wäre die Rücknahme aller Maßnahmen gegen sie fällig."

In der Antwort an die AfD-Fraktionsvorsitzende Brinker heißt es aus der Senatsverwaltung dagegen, dass die "arbeitsrechtlichen Maßnahmen", also Kündigungen und Freistellungen, "nach Angaben der Charité nicht wegen der Abgabe von Hinweisen" erfolgten.

Verdi hatte dagegen schon im März erklärt, dass eine "Diskussion um die Kündigung der Hinweisgeber" aus der CFM im Aufsichtsrat "nicht gewünscht" war. In einer Pressemitteilung hatte die Charité mitgeteilt, dass sowohl "der Vorstand der Charité, als auch die neue CFM-Geschäftsführung" die Aufklärung in der CFM "maßgeblich vorangetrieben" hätten.

Auf Anfrage des rbb wies der Charité-Pressesprecher am Mittwoch den Vorwurf zurück, dass CFM-Mitarbeiter "wegen der Abgabe von Hinweisen zu einem möglichen Fehlverhalten" gekündigt wurden. Er verwies auf die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen, wegen der das Unternehmen sich nicht weiter zu Details äußern könne.

Sendung: rbb24 Inforadio, 12.04.2023, 17:00 Uhr

26 Kommentare

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  1. 26.

    1. Ein Controller (m/w-x-0) ist auch nur ein angestellter MA, außerdem ohne jegliche Sanktionsbefugnis 2. externe Prüfer prüfen wie gewünscht soweit es die bestehenden Gesetze u. Rechtsprechungen zulassen u. der eigene Ruf. und 3. , wie ich schon schrieb, die vielen Tochtergesellschaften - diese existieren nicht ob tatsächlichem faktischen sachlichem Grund hinsichtlich dem mal eigentlichen Grund eines Krankenhauses 4. das mit dem Fisch stimmt übrigens auch nicht generell, wie wir wissen ;-)

  2. 25.

    Das stellt man erst 32 Jahre nach der Wende fest? Hat die Charité keinen Controller? Ach habe vergessen, sind ja nur die Beiträge der versicherten, da muss man nichtcso genau hinschauen.

  3. 24.

    Pwc hat es auf Drängen ihrer Klientin (Charité) derart entschärft, dass weder Aufsichtsrat noch Staatsanwaltschaft hier einen Verstoß sehen konnten.

  4. 22.

    Auch jemand der Zusammenhänge nicht erfassen kann - natürlich haben einzelne Senatoren/in hier bei RRG versagt in den jeweiligen Abteilungen. Aber Ämter sind eher Fachwissenfremd bei Politiker/in.
    Wirecard/Scholz: Auch hier haben Politiker gemauschelt - erwiesen.

    Aber der Desaster-Senat ist zum Glück von schlauen Berlinern abgewählt worden.

  5. 21.

    die Leute gucken Serien wie 4 Blocks, und denken, dass sie sowas in der Art auch chilliger aufziehen können.

    Charite, vor allem aber Corona-Hilfen, alles ne Art ABM für Juristen ! Flüchtende sowieso... was da an Synergien freiwürde, wenn das überflüssige mal durch echte Arbeit ersetzt würde !

    Ich finde es grundsätzlich gut, wenn beschäftigungsgeber MA´s verantwortung übertragen... aber da müssen eben auch schnell rote Lampen leuchten wenn schotter versickert !

    Ich geh heute über die Strasse und denk mir: Jeder dritte ist nen abzocker !

    dem Vorredner kann ich nur widersprechen: Ich würd gern ne offene Haustür als standard haben wollen !

    es mangelt an spürbaren Sanktionierungen der Täter ! Ich will das verbriefte Recht, ohne Sorge einen Eindringling blutiger zu prügeln, als ein Rindersteak medium rare... oder auch mal ne Faust ausstrecken zu dürfen, wenn nen MA oder Kunde klaut !

  6. 20.

    Man muss schon mit sehr viel Willen alle Augen zukneifen, um da keinen Zusammenhang sehen zu wollen. Halten Sie die Mitarbeiter echt für so doof, dass die absichtlich einen Kündigungsanlass geben, wo sie doch wissen, dass die korrupte Geschäftsführung von der Weitergabe der Erkenntnisse nicht begeistert sein würde? Nein, ist natürlich purer Zufall, dass ausgerechnet diese Mitarbeiter gegen ihre vertraglichen Pflichten verstoßen haben und ihnen deshalb ganz korrekt gekündigt werden musste.

  7. 19.

    Das Problem liegt m.E. in zu vielen Regelungen, die einladen, sie zu umgehen.
    Zudem macht es die Politik mit ihrer Verschwendungssucht und Selbstbedienung vor. Warum sollen dann Andere nicht ebenso handeln. Selbstbedienung ohne nennenswerte Konsequenzen, Gerichte, Ermittler sind völlig überlastet, ist in D an der Tagesordnung. Verfahren werden mangels Personal z.T. gar nicht eröffnet!
    Also los!!!

  8. 18.

    Ist nicht jedermanns Sache den Artikel zu lesen und zu verstehen - ja, RRG ist nicht iu beteiligt daran

  9. 17.

    Es ist schon erstaunlich, dass hier einige Kommentatoren vorgeben, mehr zu wissen als der RBB, und behaupten, dass die Kündigungsgründe erwiesen seien.

    Ich warte da lieber ab, was die Untersuchungen ergeben werden, als vorschnelle Urteile zu fällen. Und nur, wenn sich ergibt, dass die Aufdeckung der Unregelmäßigkeiten Kündigungsgründe waren, bin ich bereit, diese Kündigungen zu verurteilen und die Rücknahme dieser Kündigungen zu fordern.

    Aber ich werde nicht schon aufgrund bloßer Presseberichte, die keine abschließende Beurteilung zulassen, und ohne weitere Faktenkenntnis, behaupten, mehr als die Presse zu wissen und irgendwelche Handlungen verurteilen.

    Dass da Korruption, Vorteilsnahme bzw. Betrug im Spiel waren, scheint wahrscheinlich und muss aufgeklärt werden und wird aufgeklärt. Und erst bei dieser Aufklärung wird sich zeigen, ob die Kündigungen legitim waren.

    Geduld ist hier besser als vorschnelle Vorverurteilung!

  10. 16.

    Thomas:
    "Ist doch der selbe Sumpf wie Scholz und Wirecard. Alles schön unter dem Deckel halten - zahlen muss es am Ende der blöde, wehrlose Bürger."

    Was haben Scholz und Wirecard mit dieser Charite-Sache zu tun???

    Thomas:
    "Aber RRG ist zu recht Geschichte und sollte nie mehr zurückkommen in Berlin"

    Was soll das mit RRG zu tun haben???

  11. 15.

    Wir brauchen wohl sowas wie ein WhistleblowerSchutzGesetz. Am besten europaweit oder UN weit. Räudig, das alles. Immer wieder der gleiche Mist, und ja, es wird überall besch...en, mir geht's aber darum, dass die, die den Beschi.. aufdecken, dann rausgeschmissen oder mundtot gemacht werden.

  12. 14.

    Was das ganze Thema jetzt r2g zu tun hat, würde mich brennend interessieren. Könnten Sie meinen Geist erhellen, bitte? Aber so mit richtigen Argumenten, falls Ihnen das ein Begriff sein sollte. Danke schon mal und viel Spaß

  13. 13.

    Die Dame die aus der cfm Geschäftsführung ausgeschieden ist, ist wie seit Jahren feststand nur in Rente gegangen. Hier gab es also keine Konsequenzen.

  14. 12.

    Ist doch der selbe Sumpf wie Scholz und Wirecard. Alles schön unter dem Deckel halten - zahlen muss es am Ende der blöde, wehrlose Bürger.
    Aber RRG ist zu recht Geschichte und sollte nie mehr zurückkommen in Berlin

  15. 11.

    Wie beim rbb.
    Der Fisch riecht vom Kopf!

  16. 10.

    "Und das alles in einem Universitätskrankenhaus, welches zu 100% dem Land Berlin gehört! "
    Ich verstehe das Ausrufzeichen am Ende dieses Satzes nicht.
    Wäre die Korrption wenger schlimm wenn die Eigentumsverhältnisse andere wären? Oder glauben Sie, die Tatsache dass Land Berlin Eigentümer des Klinikum ist verleiht den Politikern besondere Fähigkeiten so dass sie leichter dahinter kommen können?
    Eins ist klar: überall dort, wo riesige Geldmengen die der Allgemeinheit gehören ohne ausreichende Kontrolle hin und hergeschoben werden entsteht früher oder später ein Sumpf.
    Dabei ist es egal um welche Bereiche es sich handelt.

  17. 9.

    Können Sie ihren Verdacht auch mit Fakten belegen oder ist das nur so ein Gefühl im Bauch? Vielleicht ist es dann auch nur das gestrige Fischbrötchen...

  18. 8.

    Hatte der RBB nicht im Jahre 2022 schon mal über ein 'Problemchen' bei einer anderen Tochter der Charite berichtet? ;-)
    Es ist sowieso interessant, wieviele DL, auch ärztliche, labortechnische usw. in Tochtergesellschaften ausgegliedert sind, welche ja alle ein bis x GF mit Prokura u. dementsprechendem Salär, benötigen, aber keinen BR. Und auch diese Tochtergesellschaften vergeben ja Aufträge .... - und stellen evtl. bei einer der Töchter entlassenen GF glatt ob dringenden Fachkräftemangels wieder ein ;-) - das Jahr 2023 ist noch lang genug für die nächsten 'Problemchen'

  19. 7.

    Wenn mehrere Hinweisgeber gekündigt werden, dann muss man sich doch nicht fragen, ob es andere Gründe hat, ausser den, dass sie einen Hinweis gegeben haben. Eine etwaige Vertuschungsaktion aber vertuschen zu wollen, da fährt man dann doch aber im selben Boot mit.

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