Fremdenfeindlicher Schiffs-Kalender - Kreuzfahrtunternehmen wollen AfD-Fraktion Senftenberg verklagen

Di 04.06.24 | 06:06 Uhr | Von Jo Goll und Tina Friedrich
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Symbolbild: Kreuzfahrtschiff Jewel Of The Seas in Miami. (Quelle: IMAGO/Inna Talan)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 04.06.2024 | T. Friedrich, J. Goll | Bild: IMAGO/Inna Talan

Die Senftenberger AfD-Stadtratsfraktion benutzt Bilder international bekannter Kreuzfahrtschiffe für ausländerfeindliche Remigrationsparolen. Jetzt drohen hohe Anwalts- und Schadenersatzkosten. Von Jo Goll und Tina Friedrich

  • Senftenberger Stadtratsfraktion verbreitet "Abschiebekalender"
  • Verband kündigt juristische Schritte an
  • Kreuzfahrtunternehmen lassen Schadenersatz prüfen

Der Traum vom nächsten Urlaub hängt mitunter großformatig an der Wand. Strahlend blaues Meer, glitzernde Reeling, Sonnenterrassen am Oberdeck: Kalender mit diesen Motiven trösten über kalte Winter und lange Arbeitstage hinweg. Sie versprechen Erholung, Entspannung und Abenteuer.

Die AfD-Stadtratsfraktion im brandenburgischen Senftenberg hat diese Idee für ihre politischen Zwecke benutzt und einen Kalender produziert. International bekannte Kreuzfahrtschiffe zieren einzelne Monate und dazu gibt es fremdenfeindlichen Parolen zu "Remigration" und Abschiebung. Der Kalender liegt rbb24 Recherche vor.

Mit Slogans wie "Recht auf Heimat. Wir bringen euch zurück" oder "Sichere Fluchtrouten Richtung Heimat. Wir machen es möglich" suggeriert der Kalender, die Kreuzfahrtschiffe wären auch für Abschiebungen zu nutzen oder würden gar dabei behilflich sein. In einem Facebook-Video der AfD-Oberspreewald-Lausitz wird er beworben und für einen "Unkostenbeitrag" von 10 Euro plus Versand angeboten.

Die Idee ist nicht neu. In Baden-Württemberg und in Cottbus gab es in den vergangenen Monaten bereits Berichte über ähnliche AfD-Kalender mit Flugzeugmotiven. Der Unterschied: Der Name und das Logo der jeweiligen Reederei prangen deutlich sichtbar auf mehreren Seiten des Senftenberger Kalenders. Was fehlt sind Bildquellennachweise und ein klassisches Impressum.

Reedereien prüfen rechtliche Schritte

rbb24 Recherche ist der Frage nachgegangen, ob die sechs betroffenen Reedereien von der Kalenderproduktion wussten, und ob sie der Verwendung der Bilder und ihrer Logos zugestimmt haben. Die Reaktionen sind einstimmig: Nach Angaben der Reedereien ist keine von ihnen um Erlaubnis gefragt worden. Aus den Antworten geht auch deutlich hervor, dass keines der Unternehmen diesen Kalender unterstützt hätte, wäre es angefragt worden.

Auf der Kalenderseite für August behaupten die nicht näher genannten Autoren des Kalenders, "Remigration" schaffe bezahlbaren Wohnraum. Die Aussage prangt über dem Bild eines bekannten Kreuzfahrtschiffs der Reederei Carnival Cruise Line. Der rbb hat dem Unternehmen das Kalenderblatt vorgelegt. Die Reaktion: "Wir sind schockiert, dass Fotos unserer Schiffe, auf denen Menschen verschiedenster Herkunft und Kultur friedlich zusammen Urlaub machen und arbeiten, für die fremdenfeindlichen Botschaften der AfD missbraucht wurden. Wir möchten uns in aller Deutlichkeit von den Aussagen distanzieren und werden rechtliche Schritte einleiten."

Ähnlich die Antwort von MSC Cruises, bekannt für Reisen in die Karibik und durchs Mittelmeer: "Wir haben und hatten nichts mit diesem abscheulichen Kalender der AfD zu tun und lehnen die darin enthaltenen Botschaften ab. Unser Schiffsbild wurde ohne unsere Zustimmung verwendet." Das global tätige Unternehmen unterstütze in keiner Weise die diskriminierenden und fremdenfeindlichen Botschaften des Kalenders.

Kreuzfahrtverband spricht von Volksverhetzung

Was die Reaktionen der Reedereien noch eint: Sie erinnern daran, dass in der Kreuzfahrtbranche Menschen unterschiedlichster Nationalitäten auf engstem Raum zusammenarbeiten. Deshalb werde die Branche mit aller Härte dagegen vorgehen, sagt Georg Ehrmann, Deutschland-Chef des internationalen Kreuzfahrtverbands CLIA. "Die Kreuzschifffahrt steht für Werte wie Weltoffenheit und Toleranz. Wir haben sehr viele Nationen auf unseren Schiffen", sagt Ehrmann im Interview. Die Machart des Kalenders hält er für "widerlich".

Der Verband prüfe nun alle rechtlichen Möglichkeiten. Im ersten Schritt wolle man das "Machwerk" verschwinden lassen. Im Briefkasten der AfD-Stadtratsfraktion werden wohl demnächst mehrere Unterlassungserklärungen ankommen, mit denen die Weiterverbreitung des Kalenders verhindert werden kann. Danach könnten die Reedereien nach Ansicht von Ehrmann noch Schadenersatz "im sechsstelligen Bereich" fordern. Außerdem fordert Ehrmann, dass sich die zuständige Staatsanwaltschaft den Vorgang anschaut. "Hier riecht es sehr stark nach Volksverhetzung", meint der ausgebildete Anwalt.

Hohe Hürden für Schadenersatzforderungen

Wird die Aktion die AfD-Stadtratsfraktion Senftenberg also teuer zu stehen kommen? Caroline Glasmacher, eine unabhängige, auf IT-, Urheber- und Markenrecht spezialisierte Rechtsanwältin, geht davon aus, dass im Fall einer oder mehrerer Abmahnungen die Verfahrenskosten von der AfD-Fraktion zu tragen wären. Schadenersatzforderungen durchzusetzen sei aber nicht so einfach, sagt sie.

"Wenn ein Unternehmen einen Schadenersatzanspruch geltend machen will, dann muss es zunächst den konkret dem Unternehmen entstandenen Schaden nachweisen", erklärt die Anwältin im Interview. Die Unternehmen müssen in diesem Fall belegen, dass Stornierungen von Buchungen oder Umsatzrückgänge konkret auf den Kalender und dessen Verbreitung zurückzuführen sind. Die Kernfrage der juristischen Auseinandersetzung ist aus ihrer Sicht, ob der Kalender die Reedereien in eine Nähe zur AfD rückt.

Die AfD-Stadtratsfraktion antwortet auf die Bitte von rbb24 Recherche um Stellungnahme, dass sie sich angesichts des Wahlkampfes außerstande sehe, "zeitnah" Fragen zu beantworten. Ein "lokales Printerzeugnis" würde das rbb-Publikum ohnehin nicht interessieren, zumal es die Bürger "auf satirische Art und Weise" anspreche.

Sendung: Inforadio, 04.06.2024, 05:11 Uhr

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96 Kommentare

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  1. 96.

    Ja, fragt sich nur auf wessen Kosten.
    In der westlichen Welt geboren zu sein, ist reiner Zufall. Glück hat dann auch nur jemand, der ins optische Bild passt.
    Die AfD hat meiner Meinung nach gehörig was vor den Bug verdient, damit sie mal klare Bilder sehen…
    Satire… ja nee, is klar
    Zynismus passt wohl eher.

  2. 95.

    Und wenn man dann noch genauer nachschaut, wer bneben den offensichtlichen Spendern aus der Regierung in den Stiftungen sitzt ..."

    Genau so macht man das: Mit unfertigen Sätzen nebulöse Andeutungen in die Welt setzen und warten, das Andere darauf anspringen.

  3. 94.

    Das hat mit dem Thema AgD-Kalender und Urheberrecht genau was zu tun? Richtig, genau gar nichts.

  4. 93.

    Sie machen es sich hier aber sehr einfach. Sie verbreiten zuerst irgendwelche Behauptungen, die nachweislich so nie aufgestellt wurden, und machen sich dann über eine mögliche praktische Umsetzung keine Gedanken ? Das ist doch seltsam. Es geht also im Kern um eine unbewiesene Behauptung, von der man schon vorher weiß, dass diese gar nicht umzusetzen ist, selbst wenn man wollte. Es wäre schön, wenn Sie hier mal die möglichen Wege und Machbarkeit einer Massen-Deportation aufzeigen würden, und sich nicht hinter Sellner verstecken würde. Der hätte doch schon längst dazu was gesagt, wenn die Behauptungen annährend der Wahrheit entsprechen würden.

  5. 92.

    Zur Finanzierung folgendes:

    Annette Dowideit, Stellv. Chefredakteurin, behauptet im Presseclub der ARD, dass man nicht staatlich finanziert wird, sondern von Stiftungen und Dauerspendern.

    https://correctiv.org/ueber-uns/finanzen/

    Und wenn man dann noch genauer nachschaut, wer bneben den offensichtlichen Spendern aus der Regierung in den Stiftungen sitzt ...

  6. 91.

    "aber ist sie so dämlich, sich wegen einem ,Kreuzfahrtschiff' die nächste Klage einzuhandeln?"

    Wie man sieht: ja.

  7. 90.

    Wenn ich nur Medien konsumiere, die in mein Weltbild passen, dann mache ich was falsch. Um sich ein eigenes Bild machen zu können, muss man mehrere Sichtweisen betrachten. Das gebietet schon die Freiheit. Ihr Argument spricht genau dagegen.

  8. 89.

    Mit diesen Fragen haben sich die Herren Sellner, Höcke und Kubitschek bereits umfassend beschäftigt.
    Sie sollten Ihre Fragen an diese richten.

  9. 88.

    "Correctiv ist unglaubwürdig."

    Selbst wenn das stimmen würde, noch unglaubwürdiger wie die AfD Fanboys und -girls hier geht nicht.

  10. 87.

    Seit wann kommen von den Rechtsextremisten logische Vorschläge? Die geplanten Deportationen finden unter den rechtsextremen Wählern der AgD trotzdem Zuspruch.

  11. 86.

    Das sind nicht meine Phantasien die in dieser Wannseekonferenz 2.0 geäußert wurden, wie soll ich Ihnen erkären was die Rechtsextremen sich gedacht haben? Fragen Sie doch Sellner und Co wie diese ihren grundgesetzwidrugen Plan umsetzen wollen!

  12. 85.

    Auch wenn Sie es nicht hören wollen, in allen Klagen hst Correctiv in der Hauptsache gewonnen. Nicht alles glauben was Wespenstich Tino so von sich gibt.

  13. 84.

    Ich freue mich schon drauf wie die Senftenberger AfD nun pleite geht.
    Und sich dabei heillos zerstreiten wird.
    Weils niemand gewesen sein will.

    Viel Spaß mit den Anwälten der Kreuzfahrtlinien. Womöglich den Urhebern der verwendeten Fotografien.

  14. 83.

    Tja...Sie können gerne versuchen "Correctiv" alleine damit am Zeug zu flicken, dass Sie ganz einfach mal behaupten die seien nicht seriös, oder Ihre Fakten nicht grundsätzlich überprüfbar. Kurzum ihre Recherche und ihr Journalismus folge nicht den ethischen und professionellen Prinzipien, denen sich der ernstzunehmender Journalismus in Deutschland zu stellen hat.
    Die sogenannte "Kritik" der von Ihnen aufgezählten Presseerzeugnisse kann somit nicht an den Fakten und Rechercheergebnissen von "Correctiv" liegen.
    Vielmehr möchten die von Ihnen Zitierten die Falkten und Rechercheergebnisse anders eingeordnet wissen. Zumeist heisst das: Sie tiefer gehängt wissen.
    Das kann man aus weltanschaulich-machttaktischen Gründen wollen.
    Ändert aber nichts an den Falten, die "Correctiv" recherchiert und fortlaufend aktualisiert.

  15. 82.

    Ich verweise auf ein Urteil vom 27.April 2017--Az 1ZR 247/15---§ 59 Urheberrecht

    Terhag und Partner--"Auch für Kreuzfahrtschiffe gilt die Panoramafreiheit"..alles, was öffentlich ist, darf fotografiert und veröffentlicht werden.....

    Man wird sehen.

    Übrigens: die SPD bietet über ihr SPD-Reiseservice-Büro in Berlin Wilhelmsstraße--ebenfalls Kreuzfahrten z.B. in China (MS China Goddess No2) oder auf dem Nil (MS ..Vision) an.

    Außerdem Flugreisen nach China, Kuba, Usbekistan, Marokko....
    Hoffentlich werden in diesen Ländern, auf diesen Schiffen und Hotels die Mnschenrechte eingehalten.
    Davon muss ja ausgegangen werden.
    Wenn dann in Marokko Menschenrechte eingehalten werden, warum gilt Marokko dann bei einigen als nicht sicheres Herkunftsland?

    Ich denke, die AfD wird mit ihrem Kalender Diskussionen anstoßen......

  16. 81.

    Bitte nicht dieses heikle Thema anschneiden, sonst bricht zu guter Letzt das ganze schöne Konstrukt wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Bröckeln tuts ja schon !

  17. 80.

    Genau diese Blätter sind tendenziell rechts-konservativ bis links-Putinaffin...Deshalb rate ich zu anderen Zeitungen, der Wahrheit wegen.

  18. 79.

    Das wahrscheinlich nicht. Aber Sie finden in der einschlägigen Presse durchaus kritische Hinweise auf Cirrectiv und deren Glaubwürdigkeit. Da geht es um Finanzierung, Faktenrecherche, journalistische Aufarbeitung usw. Z.B Focus, NZZ, Berliner Zeitung. Und sicgerlch noch mehr, wenn sie im Internet suchen u d sich diese Fakten vorurteilsfrei durchlesen.

  19. 78.

    ...Correctiv ist unglaubwürdig....
    Das mit belegbaren Fakten zu belegen ist noch nie jemand aus der rechtnational verlogenen Blase gelungen.

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