Eigengewächse von Hertha BSC - Aus der Not eine Jugend machen
Hertha BSC möchte zurück zu seinen Wurzeln und die Arbeit mit den Eigengewächsen stärken. Welche Jugendspieler aufgrund ihres Talents für diesen Weg in Frage kommen, erklärt Marc Schwitzky.
"Wir müssen zurück zu unserem Weg, zum Hertha-Weg", sagte Kay Bernstein, Präsident von Hertha BSC, auf einer Pressekonferenz am 29. Januar. Bernstein erklärte, dass es einen "Kurswechsel" bräuchte, zu welchem der Klub aufgrund massiver Sparmaßnahmen gezwungen sei. Hertha wolle in Zukunft wieder das Prunkstück - die Jugendakademie - in den Vordergrund stellen und es als "Hauptfundament" für die sportliche Ausrichtung nutzen.
Doch gibt es aktuell überhaupt Talente in Herthas Reihen, die den neuen Weg bereits kurz- bis mittelfristig mit Leben füllen können?
Viel Talent bereits in der Profi-Mannschaft
Lange muss nicht gesucht werden, um vielversprechende Hertha-Eigengewächse zu finden, denn bereits in der Profi-Mannschaft tummeln sich einige Talente. Innenverteidiger Marton Dardai (20) und Angreifer Jessic Ngankam (22) haben sich als gebürtige Berliner bereits fest bei Herthas Profis etabliert. Dardai als auch Ngankam ist zuzutrauen, kurz- bis mittelfristig eine wichtige Rolle bei Hertha einzunehmen. Dasselbe gilt für Derry Scherhant (20) und Linus Gechter (18, aktuell an Eintracht Braunschweig verliehen), die erste Visitenkarten bei den Profis hinterlegt haben.
Genau darauf wartet momentan Lukas Ullrich, eines der größten Linksverteidiger-Talente des Landes. Ullrich ist ein sehr moderner, offensiv ausgerichteter Außenverteidiger, der von der halben Bundesliga beobachtet wird. Der Vertrag des 18-Jährigen läuft im Sommer aus, sodass es wohl noch in der laufenden Saison erste Bundesliga-Einsätze bräuchte, um ihn von einem Verbleib zu überzeugen.
Pascal Klemens – in jungen Jahren schon Abwehrchef
Mit nur 17 Jahren hat Pascal Klemens den Sprung zu den Profis scheinbar schon fast geschafft. Der Innenverteidiger durfte im Winter mit ins Trainingslager in Florida reisen und hat dort solch einen guten Eindruck hinterlassen, dass er seitdem regelmäßig unter Sandro Schwarz trainiert. "Er bringt im Training eine Selbstverständlichkeit im Spiel mit. Er hat ein gutes Aufbauspiel, hat gute Eindrücke hinterlassen. Er definiert sich über Konsequenz und Zweikampfführung", so Schwarz über den Kapitän von Herthas U19.
Ähnlich wie ein Gechter wirkt Klemens spielerisch, körperlich und mental sehr weit für sein Alter. Der Profi-Vertrag für den U18-Nationalspieler scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Das könnte auch für Innenverteidiger-Partner Joel da Silva Kiala gelten, der mit 19 Jahren den Sprung von der U19 zur U23 geschafft hat und dort nun auch Stammspieler ist.
Julian Eitschberger – die Hoffnung für hinten rechts
Das Flügelpendat zu Ullrich ist der nur elf Tage ältere Julian Eitschberger. Genauso wie Ullrich hat sich der Rechtsverteidiger in der laufenden Spielzeit zum Leistungsträger in Herthas U23 entwickelt. Bereits in der vergangenen Saison hat der in Hohen Neuendorf geborene Abwehrspieler – ausgerechnet im Derby gegen Union Berlin – sein Profi-Debüt gefeiert. Im Juli 2022 folgte dann der Profi-Vertrag.
Auch spielerisch ähneln sich Eitschberger und Ullrich, denn auch der Rechtsverteidiger zeichnet sich durch einen mutigen, offensiven Spielstil aus. Spätestens wenn Routinier Peter Pekarik den Verein im Sommer verlassen wird, wird der aktuelle U19-Nationalspieler fester Bestandteil des Profi-Teams sein.
Teoman Gündüz – Torgefahr aus dem Mittelfeld
Eines der vielen Dinge, die Hertha in den letzten Jahren fehlt, ist Torgefahr aus dem Mittelfeld. Hier könnte Teoman Gündüz schon bald sehr wichtig werden. Der zentrale Mittelfeldspieler hat in der laufenden Saison zehn Tore in zehn Spielen für Herthas U19 erzielt, was ihm den Sprung in die U23 ermöglicht hat.
Der 18-Jährige erinnert in seiner Spielweise an Suat Serdar: Trotz seiner 1,76 Meter ist er körperlich robust und präsent, aber vor allem seine Torgefahr, Technik und Dynamik machen ihn aus. Einmal im Dribbling, ist Gündüz kaum noch zu stoppen. Zudem verfügt er über ein gutes Spielverständnis. Mit seiner mutigen Spielweise könnte er Herthas Profi-Team eine neue Note verleihen.
Bence Dardai – der Nächste bitte
Pal, Palko, Marton und demnächst Bence – Familie Dardai hat eine regelrechte Dynastie bei Hertha aufgebaut. Nicht wenige sagen, dass der 17-jährige Bence der talentierteste aller Dardais ist. Mit sechs Toren und sieben Vorlagen in nur zehn U19-Ligaspielen unterstreicht der offensive Mittelfeldspieler diese These. Der U17-Nationalspieler beherrscht alles, was es in der Offensive braucht: sehr gute Technik, starke Übersicht, Torgefahr und große Kreativität. Körperlich muss Dardai definitiv noch zulegen, aber seine Perspektive bei Hertha erscheint glänzend.
Leander Popp – ersehnte Verstärkung für den Flügel
Hinter Dardai ist Leander Popp mit sieben Toren und fünf Vorlagen Herthas U19-Topscorer. Der 17-Jährige Flügelangreifer gilt ebenso als überaus talentiert: Technik, Dribbling, Abschluss, gute Entscheidungsfindung und körperliche Robustheit – Popp, der 2018 aus der Union-Jugend kam, bringt bereits ein sehr rundes Profil mit sich. Zusammen mit Dardai, Klemens und ein paar weiteren Spielern könnte für Popp im kommenden Sommer der Sprung in Herthas U23 und damit in die Regionalliga gelingen. Von dort aus ist der Weg zu den Profis nicht mehr weit. Popp hat sämtliche Anlagen, um jenen Weg zu gehen.
Update, 9.2.: Zunächst muss Popp aber pausieren: Er wird mit einem Kreuzbandriss für mehrere Monate ausfallen. Das berichtet die "BZ". Die Verletzung zog Popp sich am vergangenen Sonntag beim Auswärtsspiel in Bremen zu.
Ibrahim Maza – ein echtes Sturmjuwel
Popps Teamkollege, Ibrahim Maza, hat mit nur 17 Jahren bereits erste Minuten bei Herthas U23 sammeln können. Der Mittelstürmer, der flexibel einsetzbar auch als Spielmacher und Außenstürmer eingesetzt werden kann, besticht durch gleich mehrere Attribute. Maza will ständig den Ball haben, scheut kein Duell und ist technisch überaus begabt. Zudem verfügt der deutsche U18-Nationalspieler über eine gute Übersicht und einen exzellenten Abschluss.
Maza, Gündüz, Popp und Dardai sind elementare Faktoren dafür, dass Herthas U19 unter Trainer Oliver Reiß nach zwölf Spieltagen die U19-Staffel Nord/Nordost anführt und mit 42 Toren die mit Abstand meisten aller Teams erzielt hat.
Talent ist da, die Zukunft aber ungewiss
Tatsächlich verfügt Hertha sowohl bei den Profis als auch in den beiden obersten Jugend-Mannschaften über viel Talent, das kurz- bis mittelfristig ein echter Faktor werden könnte. Die "alte Dame" stellt in mehreren deutschen U-Nationalmannschaften zig Talente, die sich über die U19 und U23 aufdrängen und einmal mehr unter Beweis stellen, wie gute Herthas Akademie ist.
Inwieweit all diese Talente tatsächlich eines Tages bei den Profis Fuß fassen können, wird nie mit Gewissheit gesagt werden können. Der letzte Schritt in diesem Karriereabschnitt ist der schwerste und so kann nur das derzeitige Potenzial eingeschätzt werden. Für Hertha wird es nun darauf ankommen, Rahmenbedingungen mit guter Perspektive für Talente zu schaffen. Eigengewächse wie Luca Netz verließen den Klub in den letzten Jahren auch, weil nicht klar war, wie es bei den Profis weitergehen wird.
Wer wird mein Trainer bei den Profis sein? Welchen Fußball will er spielen? Inwiefern wird auf mich gesetzt? In welcher Liga spielen wir nächste Saison? All das sind Fragen, die sich Jugendspieler stellen. Hier muss Hertha frühzeitig durch strategische Entscheidungen Fakten schaffen. Nur dann ist der "Hertha-Weg" kein matschiger, zugewachsener Trampelpfad sondern eine sichere Route, auf die sich Talente gerne begeben.
Sendung: rbb24 Inforadio, 07.02.2023, 9:15 Uhr