Turbine vor Bundesliga-Neustart gegen Bayern - Bloß nicht zweifeln

Mi 01.02.23 | 20:44 Uhr
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Turbine-Trainer Sven Weigang (Quelle: IMAGO/Jan Huebner)
Video: rbb24 | 02.02.2023 | Johanna Rüdiger | Bild: IMAGO/Jan Huebner

Mit nur einem Punkt ist Turbine Potsdam Letzter der Frauen-Bundesliga. Dem einstigen Erfolgsklub droht der Abstieg. Nach der Winterpause wartet zum Auftakt ausgerechnet Bayern München - und das Trainerteam ist nicht nur sportlich gefordert.

Sven Weigang packt mit an. Im verregneten Januar-Grau stellt er mit einigen Spielerinnen die Tore auf dem Trainingsplatz im Sportforum Waldstadt auf. Es wird erzählt und gelacht. Die Laune ist gut beim Turbine-Coach und seinem Team. Jedoch nur, solange er eines meidet: den Blick auf die Tabelle. "Das mache ich bestimmt nicht", erklärt der 58-Jährige, "denn das macht die Stimmung nicht besser."

Neun Punkte Rückstand auf Nichtabstiegsplatz

Lediglich ein einziger Punkt ist dort für die Brandenburgerinnen verzeichnet. Nach zehn Spieltagen ist der sechsmalige Deutsche Meister Letzter der Frauen-Bundesliga und damit so schlecht wie nie zuvor. Dem einstigen Vorzeige-Klub im Frauenfußball droht der Abstieg. Über dieses Szenario nicht nachzudenken, "wäre mehr als realitätsfern", sagte Präsident Karsten Ritter-Lang dem Sport-Informationsdienst (SID). Ganze neun Punkte Rückstand hat Turbine auf einen Nichtabstiegsplatz. Und dennoch geht bei Coach Weigang, der die Mannschaft seit dem Aus von Trainer Sebastian Middeke im November interimsmäßig leitet, der Blick nach oben.

Dort standen die Potsdamerinnen noch in der letzten Saison, verpassten nur knapp die Qualifikation für die Champions League. "Wenn man sich die Entwicklung im Frauenfußball anschaut, ist es natürlich logisch, dass es eigenständige Frauen-Fußballvereine immer schwerer haben, aber dass es jetzt so abrupt passiert, kam dann doch sehr überraschend", sagt Torfrau Vanessa Fischer zum Absturz ihres Klubs. Mit zwei Trainerwechseln, einem Umbruch im Team und dem Zerfall der Führungsebene blickt Turbine auf turbulente Zeiten zurück.

Personelles

In der Winterpause hat sich Turbine Potsdam mit zwei Spielerinnen verstärkt. Vom Zweitligisten RB Leipzig wechselte Stürmerin Nina Lange nach Brandenburg. Die 22-Jährige kommt gebürtig aus Berlin und sammelte bereits in Essen Bundesliga-Erfahrung.

Ebenfalls neu im Team ist Verteidigerin Paige Culver. Die 29-jährige Kanadierin kommt vom schwedischen Erstligisten IFK Kalmar und war zuvor auch schon in Frankreich aktiv.

"Wenn jemand anfängt zu zweifeln, hat es keinen Sinn"

Und als wäre es nicht schon schwer genug, kommt im ersten Spiel nach der Winterpause am Sonntag (13 Uhr) mit Vize-Meister Bayern München gleich ein scheinbar übermächtiger Gegner ins Karl-Liebknecht-Stadion. "Mal schauen, wie weit wir gegenhalten können. Sie sind der Favorit und wir der Außenseiter", fasst Weigang die klare Rollenverteilung zusammen.

"Wir haben nichts zu verlieren. Tiefer können wir nicht abstürzen", stimmt Dirk Heinrichs, seit inzwischen 20 Jahren Co-Trainer bei Turbine, zu. Angesichts der Lage sind er und sein Trainerteam derzeit nicht nur als Fußball-, sondern auch als Mentaltrainer gefragt. "Unser Job wird es jetzt sein, die Mädels locker zu halten, damit sie daran glauben, dass sie Fußball spielen können", erklärt der 54-Jährige, denn: "Wenn jemand anfängt zu zweifeln, hat es keinen Sinn."

Turbine will gegen direkte Konkurrenten punkten

In der Wintervorbereitung habe das Team die Intensität und Qualität im Training immer weiter steigern können, um gerade die jungen und unerfahrenen Spielerinnen an die Belastung und das Niveau der Bundesliga zu gewöhnen. "Wir haben hart trainiert, damit wir auf den Kampf vorbereitet sind, den wir jetzt abliefern müssen", so Torhüterin Fischer. Selbstvertrauen konnte sich Turbine mit einem 2:0-Sieg im Testspiel gegen Slask Wroclaw (Platz fünf der polnischen Liga) holen. Gegen Regionalligist Union Berlin gab es dagegen eine knappe 0:1-Niederlage.

Am Sonntag wird die Potsdamerinnen gegen den aktuellen Bundesliga-Zweiten Bayern ein deutlich höheres Niveau erwarten. "Vielleicht ist es aber auch nicht verkehrt, dass wir erst recht nichts zu verlieren haben in dem Spiel, sondern relativ befreit aufspielen können", hofft Fischer und weiß: "Die wichtigen Spiele kommen danach gegen Duisburg und Bremen, wo wir Punkte mitnehmen müssen."

Sendung: rbb24, 01.02.2023, 21:45 Uhr

7 Kommentare

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  1. 7.

    So so, Sie haben sich jetzt wohl auch auf Anna Wellmann eingeschossen und werfen ihr rechte Kampfbegriffe an den Kopf. Tatsächliche und gehaltvolle Argumente fallen Ihnen wohl nicht mehr ein.

  2. 6.

    "Es ist mittlerweile ein Tabu darauf hinzuweisen, dass alle Turbine Konkurrenten (außer SGS Essen) in der Ersten Bundesliga lediglich als Fachabteilungen der DFL Männer-Profiklubs geführt werden..."

    Warum sollte das ein Tabu sein? Außerdem ist es nicht ganz korrekt. Die Männer des SV Meppen und des MSV Duisburg spielen in der dritten Liga, also keineswegs unter dem Dach der DFL.

  3. 5.

    Für Turbine Cheftrainer Sven Weigang ist die kommende Rückrunde im Endeffekt ein Neuaufbau einer komplett neuen Turbine Mannschaft. Er hat mittlerweile den Traininngsdruck erhöht. Seine Zielvorgabe war nicht unbedingt die beiden Testspiele siegreich zu beenden. Weigang hatte Besseres im Sinn.

    Der Pädagoge bedient sich seit Anfang des Jahres einer klassischen Trainingsmethode, die auch der erfolgreiche Trainerfuchs Felix Magath anwendet. Weigang hat die Spielerinnen spüren lassen, dass jetzt der interne Wettbewerb innerhalb des Kaders begonnen hat. Es gibt keine Stammpositionen mehr. Er dokumentiert dies durch ständig wechselnde Aufstellungen.

    Einige Spielerinnen haben jetzt langsam begriffen, das das Maulen wegen zu harten Trainings nicht hilft. Ja, ein wenig Turbine DNA hat jetzt auch sie erfasst. Auch die woke Torfrau Anna Wellmann scheint den Ernst ihrer eigenen Situation begriffen zu haben. vanessa Fischer ist reifer geworden.

  4. 4.

    Damit ebenso klar werden kann, dass die Fankultur ein Mitsprache - und Anhörungsrecht bekommen kann im gesellschaftlichen Diskurs. Im Interview mit der BILD Zeitung wurde VfL Cheftrainer Tommy Stroot gefragt, wie professionell wird bei den VfL-Frauen gearbeitet? Stroot: „Maximal professionell in allen Bereichen! Es sind Strukturen, die mit den meisten Zweitligisten der Männer vergleichbar – teilweise sogar besser – sind.“ Verdammt ehrlich Tommy, vor allem habt ihr ja keine Anreisekosten und Verdienstausfälle für Montagsspiele.

  5. 3.

    Deshalb sollten die roten Zahlen dieser "Investitionen" insbesondere der vier Spitzenklubs (VfL, FCB, SGE & TSG), dem investgativen Journalismus, der Sportöffentlichkeit und dem Sportausschuss des Deutschen Bundestages konkret zugänglich gemacht werden, um zukünftig eine zielführende Debatte zu ermöglichen. Aber wollen das die Verantwortlichen beim DFB ?

    Um mit Vernunft über regulierende Ausgleichszahlungen nachzudenken bietet sich als erste konkrete Lösung an - zum Beispiel durch den 5,7 Millionen Euro fetten Ertrag, der durch die Vergabe der TV-Rechte der Frauen-Bundesliga erzielt wurde. Insbesondere hatte gerade Turbine Potsdam in der vorigen Saison das Rennen um den dritten Champions League Ülatz so spannend gemacht.

  6. 2.

    Fakten, Fakten, Fakten - Turbine Potsdam ist ein eigenständiger Frauenfußball Verein. Die jährliche DFB Lizenz erhält Turbine nur mit positiver schuldenfreier Bilanz. Insofern beinhaltet das durch den DFB praktizierte Verfahren der Lizenzvergabe im nationalen Prozess der Weiterentwicklung der Bundesligen eine bedenklich starke Wettbewerbsverzerrung. Warum?

    Es ist mittlerweile ein Tabu darauf hinzuweisen, dass alle Turbine Konkurrenten (außer SGS Essen) in der Ersten Bundesliga lediglich als Fachabteilungen der DFL Männer-Profiklubs geführt werden und dadurch automatisch durch Männer Profis und deren männlichem Management ihre Spielberechtigung erhalten. Insofern verstecken die Top Frauenteams ihre in der Regel mehrere Millionen Euro angewachsene Unterdeckung für Gehälter, Ablöse und Transfer, Provisionen für Agenturen sowie gehobener Infrastruktur in der Gesantbilanz der Männer.

  7. 1.

    Mal wieder viel nichtssagende Worte und keinerlei Selbstkritik. Wann werden die Verantwortlichen endlich einsehen, dass der Fisch vom Kopf her stinkt, sprich, dass nicht die Spielerinnen, sondern die Vereinsführung Schuld an der Misere hat. Inzwischen verlassen mehr und mehr Menschen das sinkende Schiff und ich kann es ihnen nicht verübeln. Welch ein bitterer Niedergang – für Turbine, für Potsdam und Brandenburg. Aber so weiten Teilen selbst verschuldet durch antiquierte Vorstellungen von modernem Frauensport.

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