Hertha-Mitgliederversammlung - Skurrilitäten, endlose Wahlen und ein neuer (alter) Präsident

So 17.11.24 | 22:02 Uhr
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Auf der Mitgliederversammlung von Hertha BSC (imago images/Engler)
Video: rbb24 Abendschau | 17.11.2024 | Jonas Schützeberg und Dennis Wiese | Bild: imago images/Engler

Am Sonntag hat die Mitgliederversammlung von Hertha BSC einen neuen Präsidenten gewählt. Die ganztägige Veranstaltung hatte allerdings noch einige weitere Höhepunkte zu bieten — manche davon unerwartet. Von Lukas Witte

Es war 16:46 Uhr als Fabian Drescher mit zittriger Stimme und Tränen in den Augen vor den jubelnden Fans von Hertha BSC stand. Im City Cube auf dem Messegelände hatte die Mitgliederversammlung ihn mit der überwältigenden Mehrheit von 81,7 Prozent vom Interimspräsidenten zum ganz offiziellen, neuen Präsidenten des Zweitligisten gemacht. Drescher nahm die Wahl gerührt an.

Rekordteilnehmerzahl, brennende Scheine und eine Badehose

Es war der Höhepunkt einer Veranstaltung, die neben hitzigen Diskussionen auch einige Skurrilitäten zu bieten hatte. So zündete Präsidentschaftskandidat Stepan Timoshin zu Beginn seiner Rede einen 50-Euro-Schein an, sein Kontrahent Olaf Brandt präsentierte eine Badehose, um zu beweisen, dass er kein Reichsbürger ist, und noch bevor die Mitglieder ihr erstes Kreuz gemacht hatten, ging dem Caterer der Veranstaltung das Essen aus.

(Alle Geschehnisse gibt es zum ausführlichen Nachlesen im Liveticker).

Doch bei Dreschers Wahl herrschte dann große Einigkeit und Euphorie. Eine Rekordteilnehmerzahl von 4.061 Mitgliedern war an diesem Sonntag gekommen und hatte dem neuen Präsidenten bereits bei seiner Rede die deutliche Unterstützung gezeigt. Drescher warb darin für eine Fortsetzung des vom verstorbenen Kay Bernstein ausgerufenen Berliner Wegs und erntete Standing Ovations. Als sein Sieg später feststand, schallte ein lautes "Ha ho he, Hertha BSC" durch den Saal.

Die deutliche Wahl könnte wohl auch darauf zurückzuführen sein, dass die Mitkandidaten auf der Bühne kaum überzeugen konnten. Neben den genannten Absurditäten, lieferten nur Wolfgang Sidka und Uwe Dinnebier ebenfalls seriöse Auftritte ab. Letzterer versprach den Mitgliedern große Berliner Unternehmen als neue Sponsoren in der Hinterhand zu haben, die bereit wären, 50 bis 100 Millionen Euro in den Verein zu investieren. Beeindrucken konnte er die Fans damit nicht — er erhielt zwar die zweitmeisten Stimmen, das waren am Ende aber eben auch nur rund 15 Prozent. Sidka wurde mit unter zwei Prozent Dritter.

Noske schreibt Geschichte und sticht Pantelic aus

Ebenfalls deutlich fiel die Wahl für Dreschers Stellvertreterin aus. Mit 76,2 Prozent der Stimmen gelang Anne Noske Historisches: Sie ist die erste Vizepräsidentin in der Geschichte von Hertha BSC. Damit ließ sie auch Herthas Ex-Profi Marko Pantelic hinter sich, der nur 337 der 3.019 gültigen Stimmen bekam.

Noske war zuvor bereits einfaches Präsidiumsmitglied und hatte in ihrer Rede vor allem für die Stärkung des Frauenfußballs und mehr Frauen in den Gremien geworden. "Danke für euer Vertrauen. Ich freue mich auf eine richtig geile Zeit mit euch", rief sie den Fans nach ihrer Wahl sichtlich gerührt zu.

Das Frauenteam war auch bei Sportdirektor Benjamin Weber ein Thema, der vor der Mitgliederversammlung dessen starke Entwicklung lobte. Weniger zufrieden zeigte er sich mit der Punkteausbeute des Männerteams in der 2. Bundesliga, hielt aber noch alles für möglich. Schließlich habe Hertha mit Cristian Fiél genau den richtigen Coach gefunden, so Weber. Dieser sei ein "emotionaler Trainer, der mutigen offensiven Fußball spielen" lasse: "Da sind wir auf einem wirklich guten Weg."

Herrich stellt Finanzbericht vor

In die richtige Richtung geht es für den Klub laut Geschäftsführer Thomas E. Herrich auch finanziell. Bei seiner Vorstellung des Finanzberichts der KGaA – also der Profifußballabteilung – präsentierte er zwar ein Jahresergebnis von minus 33,3 Millionen Euro, welches aber eine Verbesserung von 65,8 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr darstellt. "Man sieht klar die positiven Entwicklungen des eingeschlagenen Sanierungsprozesses", so Herrich.

Dass das Ergebnis rund neun Millionen Euro schlechter ausfiel als geplant, hat laut Herrich verschiedene Gründe. Zum einen habe es ausbleibende Zahlungen des Investoren 777 Partners gegeben. Zudem sei die Zusammenarbeit mit dem Ärmelsponsor CG Elementum vorzeitig beendet worden. Die Gruppe hat mittlerweile einen Insolvenzantrag gestellt. Hinzu seien Abfindungszahlungen für ehemalige Mitarbeiter und verringerte TV-Einnahmen durch Nichtzahlung der Rechteverwerter in der abgelaufenen Saison gekommen. Die Fernsehgelder würden aber nachträglich noch ausgezahlt werden, so der Geschäftsführer.

Nach zehn Stunden war Schluss

Besonders langwierig fiel zum Abschluss die Wahl der einfachen Präsidiumsmitglieder aus. Insgesamt 18 Kandidaten bekamen je drei Minuten Redezeit, um sich den Mitgliedern vorzustellen. Teilweise gab es dabei auch kritische Nachfragen aus dem Publikum und Diskussionen. Nach zwei Wahlgängen wurden dann mit Ralf Thaeter, Knut Beyer, Saravanan Sundaram, Niklas Lohse und Ferhat Dogru fünf Personen in das Gremium gewählt.

Nach insgesamt zehn Stunden und vier Wahlgängen beendete der Versammlungsleiter Dirk Lentfer die Veranstaltung. Die sichtlich erschöpften, verbliebenen Fans strömten aus dem City Cube und schlenderten Richtung S-Bahn. Für sie war es ein langer und ereignisreicher Tag, an dessen Ende es jedoch eine klare Entscheidung gab: Der eingeschlagene Berliner Weg soll weiter gegangen werden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 17.11.2024, 19:50 Uhr

10 Kommentare

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  1. 10.

    Sie schrieben „ Nur sieben Vereine in der erster und zweiter Bundesliga sind Schuldenfrei. Davon spielen alle in der ersten Liga.“. Also, was nun? ALLE WOVON?

  2. 9.

    Hier sind wir heute nun schon zum zweiten Mal einer Meinung, Berndinho. Drescher war bis gestern nachmittag noch Interims-Präsi und wollte sich wohl bis zur Wahl nicht als einzig legitimer Nachfolger von KB gerieren, was durchaus für ihn spricht. Nun kann und muss er auch mehr Präsenz in der Öffentlichkeit zeigen. Ich wünsche einfach mal Alles Gute.

  3. 8.

    Hä ....wie jetzt, kryptische Einzeiler sind immer die besten.

  4. 7.

    Ich denke Fabian Drescher hat sich bewusst nach dem Tod von KB sehr zurückgehalten.
    Ein Präsident braucht auch nicht ständig medial in Erscheinung treten denke ich.

  5. 5.

    Es ist schon bemerkenswert, wie deutlich die Wahl ausgefallen ist.
    Nun gibt es für Fabian Drescher aber kein zurück mehr. Er muss, anders als in den vergangenen Monaten nach Bernstein‘s Tod, endlich wahrnehmbar werden und sich allen Berlinern zeigen! Er muss ein klar erkennbarer Präsident sein, der den Berliner Weg hinausträgt und die Blau-Weiße-Identität des Vereins aktiv in allen Medien abbildet. Ich wünsche mir einen präsenten Präsidenten, der die Berliner für Hertha BSC begeistern kann!

  6. 4.

    Mahlzeit
    Von wegen Pleiteliga
    Nur sieben Vereine in der erster und zweiter Bundesliga sind Schuldenfrei. Davon spielen alle in der ersten Liga.
    Für sie als Information
    Grüße ....

  7. 3.

    "Der eingeschlagene Weg wird erfolgreich sein und bald spielt Hertha wieder in in der 1. Bundesliga."
    Das wird sich zeigen. M.E. spielt Hertha perspektivisch eher in der Pleiteliga.

  8. 2.

    Glückwunsch an den neuen und alten Präsident. Das Vermächtnis von Kay Bernstein wird fortgesetzt, allen großspurigen Versprechen von anderen Kandidaten zum Trotz.
    Der eingeschlagene Weg wird erfolgreich sein und bald spielt Hertha wieder in in der 1. Bundesliga.
    Dann gibt es auch wieder Hauptstadt-Derbies, vorausgesetzt Union hält die Klasse!
    Darauf sollten wir uns freuen!

  9. 1.

    Als erste Frau in der Geschichte der "Alten Dame Hertha" wurde Anne Noske einen Tag nach dem Sieg der jungen Hertha-Frauenmannschaft über den FC Viktoria Berlin in das Präsidium von Hertha BSC berufen.

    Die neue Vizepräsidentin von Hertha BSC, Anne Noske, war bis zum Frühjahr 2024 Leiterin der Stabsstelle Unternehmenskommunikation und Pressesprecherin des Berliner Wohnungsunternehmens GEWOBAG.

    Damit kann der BERLINER WEG des ehemaligen Präsidenten Kay Bernstein zur Förderung des Frauenfußballs nachhaltig fortgesetzt werden.

    Durch eine Kooperation mit Hertha Zehlendorf ging Hertha erst in der zweiten Saison mit einer eigenen Frauenmannschaft an den Start. Sofian Chahed, ehemals erfolgreicher Cheftrainer des 1. FFC Turbine Potsdam, wird sich über diese Entscheidung gefreut haben.

    Sein Konzept, den Verein sportlich weiterzuentwickeln und Schritt für Schritt eine Leistungskultur zu etablieren, wurde mit der Wahl der ersten Frau in ein Hertha-Präsidium bestätigt,

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