Interview | Medianet Berlin-Brandenburg - "Berlin ist wie dafür gemacht, Games voranzutreiben"

Do 11.05.23 | 07:58 Uhr
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Ein Mann spielt in Berlin das Computerspiel League of Legends auf einem PC. (Quelle: dpa/Zacharie Scheurer)
Bild: dpa

Der Games-Standort Berlin-Brandenburg wächst rasant, zeigt eine neue Branchenstudie. Jeannine Koch vom Netzwerk-Verein Medianet sieht die Hauptstadt sogar "auf dem Weg zum deutschen Games-Standort Nummer 1".

  • aktuell sind 301 Games-Unternehmen in und um Berlin aktiv
  • 22 Prozent der Games-Branche und 40 Prozent der E-Sport-Branche in Region angesiedelt
  • an Entwicklung und Veröffentlichung beteiligt sind etwa 2.600 Beschäftigte
  • Branche ist relativ jung: Unternehmen gibt es im Durchschnitt seit 6,4 Jahren

Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Branchenstudie, die das Netzwerk Medianet Berlin-Brandenburg und das Medienboard Berlin-Brandenburg im vergangenen Jahr in Auftrag gegeben haben. rbb|24 sprach hierüber mit Jeannine Koch, der Vorstandsvorsitzenden des Medianet.

rbb|24: Frau Koch, der Standort Berlin-Brandenburg wird für Games-Unternehmen immer attraktiver, das ist ein Ergebnis ihrer Studie. Wie macht sich das bemerkbar?

Jeannine Koch: Games sind schon an sich Medien, die frisch, interaktiv und innovativ sind. Entsprechend treiben sie Technologien voran.

Berlin ist eine Stadt, die pulsierend ist, die dafür gemacht ist, in ihrem Umfeld die Games voranzutreiben. Berlin strotzt vor neuen Ideen, es gibt einen ständigen Zufluss von jungen neuen Gründer:innen, teilweise sogar mit internationalem Hintergrund.

Seit 2016 wächst jährlich der Zuwachs von Gründungen im zweistelligen Bereich.

Welche Gründe gibt es dafür, dass es so viele Games-Unternehmen hierherzieht?

Wir hatten schon immer eine wahnsinnig große Kreativszene. Über die letzten 34 Jahre seit dem Mauerfall hat das immer junge Menschen angelockt.

Und hier gibt es bereits eine pulsierende Start-up-Szene. Das macht es auch für Games-Unternehmen attraktiv, weil die Unternehmerinnen und Unternehmer das Gefühl haben, dass sie sich hier ausprobieren können, dass hier gute Grundbedingungen herrschen. Die muss man sich jetzt aber auch bewahren, Stichwort Wohnungsmarkt. Das ist nicht nur für die Games- sondern alle Kreativunternehmen bemerkbar. Dennoch ist hier noch so viel Raum für Kreativität und es gibt viele Denkfreiräume.

Jeannine Koch, Direktorin der Digitalkonferenz Republica im März 2020 in Berlin (Quelle: Dominik Butzmann)
Jeannine Koch | Bild: Dominik Butzmann

60 Unternehmen haben bei ihrer Studie mitgemacht. Sie gaben an, seit durchschnittlich 6,4 Jahren zu existieren. Was ist in diesen vergangenen sechs Jahren passiert?

Ich glaube, grundsätzlich muss man sagen, dass sechs Jahre für Games-Unternehmen ein riesiger Quantensprung sind. Die arbeiten in Höchstgeschwindigkeit und arbeiten so agil wie wohl kaum eine andere Branche.

Aber es gibt auch andere Faktoren: Unter anderem sind die jährlichen Fördersummen vom Medienboard Berlin-Brandenburg im sechsstelligen Bereich gestiegen. Die Politik hat auf Bundesebene eine Games-Förderung gestartet. Dadurch ist es in den ersten Jahren zu einem signifikanten Gründungsanstieg gekommen.

Außerdem gibt es seitdem auch eine neue Generation von Konsolen auf dem Markt, der Zugang zur Software und zu Games-Entwicklungen ist stetig verbessert worden und E-Sports bewegen sich auch immer mehr in die Mitte der Gesellschaft und nicht zuletzt durch die Pandemie hat auch der Konsum von Games stark zugenommen.

Fast 40 Prozent der Games-Unternehmen legen ihren Fokus auf den E-Sport. Der "League of Legends"-Herausgeber Riot Games hat sich in Berlin angesiedelt, hier findet die deutsche und europäische Champions League statt. Was macht Berlin für E-Sport wie League of Legends so attraktiv?

E-Sport wird häufig noch als Lifestyle-Nische gesehen. Es gibt große Unternehmen, die sich hier angesiedelt haben, das ist fantastisch. Zum Beispiel Riot Games, der Hersteller von "League of Legends", eines der erfolgreichsten Unternehmen weltweit, das ist ein absoluter Pull-Faktor für die Branche. Weil sich Riot Games damals dafür entschieden hat, Berlin als Ökosystem auszuwählen, haben sie auch ein riesengroßes Ökosystem mitgebracht.

Für die Spitze des E-Sports sind zudem auch die einfachen Visaprozesse relevant und im internationalen Vergleich ist es in Berlin noch immer einfacher sich anzusiedeln.

Aber die Infrastruktur für den E-Sport ist auch noch ausbaubar, dazu sind wir mit dem Land Berlin im Gespräch. Da geht es zum Beispiel darum, große Hallen zur Verfügung zu stellen. Und der E-Sport möchte wie auch andere Sportarten als Verein anerkannt werden.

Wie viele Arbeitsplätze sind in den vergangenen Jahren durch die Ansiedlung der Games-Unternehmen entstanden?

Ganz spannend ist, dass in der Branche hier 301 Unternehmen aktiv sind, das ist ja in der Studie herausgekommen. 182 davon befinden sich im sogenannten Kernmarkt, also arbeiten als Entwickler oder Publisher. Und da gab es beeindruckende Zahlen, dass 2020 der Branchenumsatz bei 255 Millionen Euro lag und 2021 auf 446 Millionen Euro gestiegen, das ist knapp eine Verdopplung. Und das Wachstumspotential geht auf jeden Fall weiter, Berlin ist auf dem Weg, Games-Standort Nummer 1 in Deutschland zu werden.

Das hat auch die Politik erkannt: Im neuen Koalitionsvertrag von CDU und SPD ist verankert, dass Berlin die Sichtbarkeit verbessern, weitere Synergien nutzen und die Attraktivität des Standorts steigern möchte. Warum hat die Gaming-Branche nun auch eine Relevanz für die Regierung?

Ich glaube, ein großer relevanter Faktor ist der eben genannte enorme Branchenumsatz. Für die Hauptstadtregion macht das einen riesigen Wirtschaftsfaktor aus. Wir haben in Berlin nicht unbedingt die großen Industrien umzusetzen und da muss man schauen, in welchen Bereichen man gut wachsen kann. Alles, was sich um die digitale Wirtschaft dreht, sind großartige Wirtschaftsbranchen. Die Politik hat erkannt, dass Games ein Innovationsmotor sind.

Zudem ist die Region Berlin-Brandenburg schon ein wichtiger Standort für die Filmbranche. Beide Branchen nähern sich immer weiter an, weil es viele Schnittstellen gibt. Die Konvergenz der Medien spielen eine große Rolle.

Jugendliche spielen Computerspiele waehrend der gamesweekberlin. (Quelle: dpa/Jochen Eckel)

Unter anderem soll laut Koalitionsvertrag ein sogenanntes "House of Games" angeschoben und finanziert werden. Was hat es damit auf sich?

Das "House of Games" soll als Leuchtturmprojekt die Branche an einem physischen Ort zusammenbringen. Wir wollen Synergieeffekte erreichen, durch die angesiedelten Unternehmen, die in dem Haus beherbergt werden sollen. Das machen wir von Medianet mit dem Game-Verband, die das auf Bundesebene vorantreiben und wir auf Landesebene.

Ziel ist es, sowohl die kleinen Publisher und kleinen Entwicklerunternehmen, aber auch die großen Games-Vertreter in diesem Haus zu beherbergen, Co-Working zuzulassen, alles, damit sich die Branche gegenseitig stärkt. Es soll dort auch die Möglichkeit geben, kleinere und größere Events und Workshops durchzuführen. Aber es soll auch ein Ort für die Öffentlichkeit werden. Wir wollen Games mit dem Haus sichtbarer machen, zum Beispiel auch das Computerspielemuseum ansiedeln.

Was würden Sie sich noch von der Politik wünschen?

Wir können erst einmal total zufrieden sein, dass die Games Einzug in den Koalitionsvertrag gefunden haben. Aber natürlich geht immer mehr. Gerade in diesem Bereich, in dem so viel Wachstum ist, lohnt es sich wahrscheinlich auch noch stärker zu investieren. Also wenn dann hätte ich den Wunsch: Fördert noch stärker diesen Bereich, denn er geht durch die Decke.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Jenny Barke.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.05.2023, 12 Uhr

6 Kommentare

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  1. 6.

    Die einen Arbeitsplätze gegen die anderen abzuwägen, ist unlogisch und Ihnen fehlen Argumente. Denn die Unterhaltungsindustrie ist nicht weniger systemrelevant als andere Bereiche. Ebensowenig trifft es zu, dass sie keine Umsätze oder Steueraufkommen erwirtschaften, ganz im Gegenteil. Man muss sich eher bremsen, die Märkte nicht mit zu viel Geld aufzublähen.

    Eine Gründer*innenförderung ist mMn. richtig und angebracht. Allerdings muss schon darauf geachtet werden, wer da gefördert wird und dass das pro Unternehmen bzw. Personenkonstellation einmalig passiert. Denn ansonsten hat man es mit Dauerschund wie "Autobahnpolice Simulator" in Serie zu tun (mehrfach vom Verkehrsministerium gefördert). Zusätzlich ist den wirklich großen Firmen mittlerweile komplett egal, wie schlecht ihre Spiele gemacht sind, solange sie sich verkaufen. Glücksspiel- und Pay-to-Win-Mechaniken in Videospielen gibt es in Deutschland komplett unreguliert, die Spielforen sind verseucht mit Hate Speech.

  2. 5.

    Ernsthaft? Kein Marktwert? Sie sollten sich erstmal sachkundig machen. Und was kommt als Nächstes? Künstler und Theater weg? Auch kein Marktwert? Meine Güte.

  3. 3.

    Ich halte es jedem frei seinen Job zu verwirklichen, aber da fehlen 2200 Menschen die in einer Halli-Galli Industrie arbeiten dem echten realen Arbeitsmarkt. Vor allem das Handwerk sucht Nachwuchs ohne Ende. Die Politik kann etwas dagegen tun indem diese Branchen, die nichts zum Mehrwert beitragen, steuerlich anders behandelt werden. Und was nutzt diesen Firmen ihr PC wenn kein Strom und Wasser in ihrem Gebäude verlegt werden kann weil es keine Facharbeiter mehr gibt die das leisten können.

  4. 2.

    Ich hoffe nur, dass die Spielwelt keine Blaupause für die reale Welt wird.

  5. 1.

    Irgendwie muss man ja den Tag rumkriegen, denn mit Arbeit würde man ihn sich nur versauen. Also noch mehr Konsolen, Spiele usw!! Bis der Staat pleite ist, dann kann man sich von der Konsole leider nichts kaufen und mit dem Know-hows auch nicht!

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