Mehrwertsteuer-Erhöhung - Gastronomie zittert wegen der 19 Prozent
Die Gastronomie schaut mit Bangen auf das neue Jahr. 2024 müssen wieder 19 statt 7 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen gezahlt werden. Die meisten Betriebe werden die Preiserhöhung weitergeben und niemand weiß so recht, wie die Kundschaft reagiert. Von Andre Kartschall
Michael Näckel sitzt in seinem Restaurant in Berlin-Friedrichshain und trinkt einen Tee. Mit ruhiger Stimme zählt er auf, was in den vergangenen Jahren alles teurer geworden ist: Energie, Personalkosten, Grundnahrungsmittel: "Ganz normales Öl lag früher bei circa 10 Euro für zehn Liter. Zwischendurch ging das hoch bis 40 Euro, momentan sind es rund 15."
Näckel ist Gastronom und Geschäftsmann. Drei Restaurants hat seine "Papaya"-Kette, alle in guter Lage - dazu gibt es noch eine Niederlassung im Kaufhaus des Westens. Wirtschaftlich gehe es seinem Unternehmen momentan eigentlich recht gut, so Näckel.
Bangen vor 2024
Doch 2024 könne das anders aussehen, sagt er und nippt an seinem Tee. Der Staat hat die Mehrwertsteuerabsenkung auf sieben Prozent für Speisen in Restaurants zurückgenommen - nun werden wieder 19 Prozent fällig. Niemand kann sagen, wie die Gäste reagieren werden, doch die Sorgen sind groß: "Ich befürchte, dass wir im ersten Quartal 2024 große Einbrüche sehen werden."
Näckel schaut ernst. Die Mehrwertsteuerabsenkung habe er unter anderem an sein Personal weitergegeben: "Wir liegen mittlerweile bei 13 Euro Einstiegsgehalt. Und damit auf einem Lohnniveau, das bereits jetzt über dem zukünftigen gesetzlichen Mindestlohn des Jahres 2025 liegt."
Wut auf Scholz und die Ampel
Ein paar Kilometer weiter östlich, im brandenburgischen Eggersdorf (Märkisch-Oderland), betreibt Ute Homann "Das gefleckte Schwein". Deutsche Küche, aber auch Pizza und Burger. Homann bietet an, was die Gäste wünschen.
Sie schätzt, dass sie die Preise sogar um 15 Prozent erhöhen muss, denn auch Löhne und Energiepreise seien gestiegen. Doch auch Homann hat Sorge vor der Reaktion der Kundschaft: Direkt zum Jahresbeginn werde sie die Preise nicht ändern. "Weil wir uns immer noch fragen: Wie werden die Gäste reagieren?"
Eigentlich wollte sie das Geschäft in absehbarer Zeit an ihren Sohn übergeben, erzählt sie. Doch die Zukunftsaussichten seien ungewisser denn je. Dabei hat Homann mehr als 30 Jahre Berufserfahrung.
1990 hatte sie klein angefangen, mit einem Imbiss und Eisverkauf, später dann immer wieder ausgebaut. Homann ist fassungslos über die Mehrwertsteuererhöhung: "Wir sind stinksauer. Unsere unfähige Regierung verspricht uns erst, dass die sieben Prozent nie wieder abgeschafft werden - und dann tut sie es doch."
Homann spielt auf eine in der Branche mittlerweile berüchtigte Äußerung von Bundeskanzler Olaf Scholz an. Als der noch SPD-Spitzenkandidat war, sagte er in einer ARD-Talkrunde über die Mehrwertsteuersenkung auf sieben Prozent: "Das schaffen wir nie wieder ab."
Bis vor kurzem sah es auch so aus, als ob es dabei bliebe. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbands Dehoga, erzählt: "Politiker aller Parteien hatten uns sehr viel Hoffnung gemacht - dann kam das Urteil aus Karlsruhe und damit die Kehrtwende."
Drei Milliarden Euro mehr Steuern?
Das Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter, dass der Nachtragshaushalt der Bundesregierung verfassungswidrig war [tagesschau.de], hat die Koalition in enormen Zugzwang gesetzt. Sie braucht Geld - unter anderem auch durch die höhere Mehrwertsteuer in der Gastronomie. Rund drei Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen soll das bringen.
Michael Näckel sagt: "Ich habe große Zweifel, ob die rund drei Milliarden, die der Staat sich von der Erhöhung der Mehrwertsteuer verspricht, überhaupt zusammenkommen werden." Denn vermutlich würden weniger Gäste kommen - und die dann auch noch mehr aufs Geld gucken. Das würde sich schließlich auch in niedrigeren Steuereinnahmen bemerkbar machen.
Dehoga-Geschäftsführerin Hartges sagt, die Branche fühle sich von der Bundesregierung regelrecht ungerecht behandelt. Der Grund: Lieferdienste müssen nur sieben Prozent Mehrwertsteuer abführen. "Das ist eine Ungleichbehandlung gegenüber der Gastronomie. Wir verlangen, dass Essen in Deutschland einheitlich mit sieben Prozent besteuert wird."
Langfristig sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, sagt Hartges. Ihr Verband wolle weiter für die sieben Prozent kämpfen. Ihre Argumente, so findet sie, "waren gut und werden gut bleiben".
Sendung: rbb24 Inforadio, 27.12.2023, 14:50 Uhr