Mehrwertsteuer-Erhöhung - Gastronomie zittert wegen der 19 Prozent

Di 02.01.24 | 07:28 Uhr | Von Andre Kartschall
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Demonstration zur Beibehaltung der 7% Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie am 06. November 2023 vor dem Brandenburger Tor in Berlin. (Quelle: dpa/Rainer Keuenhof)
Audio: rbb24 Inforadio | 27.12.2023 | Philip Brost | Bild: dpa/Rainer Keuenhof

Die Gastronomie schaut mit Bangen auf das neue Jahr. 2024 müssen wieder 19 statt 7 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen gezahlt werden. Die meisten Betriebe werden die Preiserhöhung weitergeben und niemand weiß so recht, wie die Kundschaft reagiert. Von Andre Kartschall

Michael Näckel sitzt in seinem Restaurant in Berlin-Friedrichshain und trinkt einen Tee. Mit ruhiger Stimme zählt er auf, was in den vergangenen Jahren alles teurer geworden ist: Energie, Personalkosten, Grundnahrungsmittel: "Ganz normales Öl lag früher bei circa 10 Euro für zehn Liter. Zwischendurch ging das hoch bis 40 Euro, momentan sind es rund 15."

Näckel ist Gastronom und Geschäftsmann. Drei Restaurants hat seine "Papaya"-Kette, alle in guter Lage - dazu gibt es noch eine Niederlassung im Kaufhaus des Westens. Wirtschaftlich gehe es seinem Unternehmen momentan eigentlich recht gut, so Näckel.

Bangen vor 2024

Doch 2024 könne das anders aussehen, sagt er und nippt an seinem Tee. Der Staat hat die Mehrwertsteuerabsenkung auf sieben Prozent für Speisen in Restaurants zurückgenommen - nun werden wieder 19 Prozent fällig. Niemand kann sagen, wie die Gäste reagieren werden, doch die Sorgen sind groß: "Ich befürchte, dass wir im ersten Quartal 2024 große Einbrüche sehen werden."

Näckel schaut ernst. Die Mehrwertsteuerabsenkung habe er unter anderem an sein Personal weitergegeben: "Wir liegen mittlerweile bei 13 Euro Einstiegsgehalt. Und damit auf einem Lohnniveau, das bereits jetzt über dem zukünftigen gesetzlichen Mindestlohn des Jahres 2025 liegt."

Wut auf Scholz und die Ampel

Ein paar Kilometer weiter östlich, im brandenburgischen Eggersdorf (Märkisch-Oderland), betreibt Ute Homann "Das gefleckte Schwein". Deutsche Küche, aber auch Pizza und Burger. Homann bietet an, was die Gäste wünschen.

Sie schätzt, dass sie die Preise sogar um 15 Prozent erhöhen muss, denn auch Löhne und Energiepreise seien gestiegen. Doch auch Homann hat Sorge vor der Reaktion der Kundschaft: Direkt zum Jahresbeginn werde sie die Preise nicht ändern. "Weil wir uns immer noch fragen: Wie werden die Gäste reagieren?"

Eigentlich wollte sie das Geschäft in absehbarer Zeit an ihren Sohn übergeben, erzählt sie. Doch die Zukunftsaussichten seien ungewisser denn je. Dabei hat Homann mehr als 30 Jahre Berufserfahrung.

1990 hatte sie klein angefangen, mit einem Imbiss und Eisverkauf, später dann immer wieder ausgebaut. Homann ist fassungslos über die Mehrwertsteuererhöhung: "Wir sind stinksauer. Unsere unfähige Regierung verspricht uns erst, dass die sieben Prozent nie wieder abgeschafft werden - und dann tut sie es doch."

Homann spielt auf eine in der Branche mittlerweile berüchtigte Äußerung von Bundeskanzler Olaf Scholz an. Als der noch SPD-Spitzenkandidat war, sagte er in einer ARD-Talkrunde über die Mehrwertsteuersenkung auf sieben Prozent: "Das schaffen wir nie wieder ab."

Bis vor kurzem sah es auch so aus, als ob es dabei bliebe. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbands Dehoga, erzählt: "Politiker aller Parteien hatten uns sehr viel Hoffnung gemacht - dann kam das Urteil aus Karlsruhe und damit die Kehrtwende."

Drei Milliarden Euro mehr Steuern?

Das Urteil der Karlsruher Verfassungsrichter, dass der Nachtragshaushalt der Bundesregierung verfassungswidrig war [tagesschau.de], hat die Koalition in enormen Zugzwang gesetzt. Sie braucht Geld - unter anderem auch durch die höhere Mehrwertsteuer in der Gastronomie. Rund drei Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen soll das bringen.

Michael Näckel sagt: "Ich habe große Zweifel, ob die rund drei Milliarden, die der Staat sich von der Erhöhung der Mehrwertsteuer verspricht, überhaupt zusammenkommen werden." Denn vermutlich würden weniger Gäste kommen - und die dann auch noch mehr aufs Geld gucken. Das würde sich schließlich auch in niedrigeren Steuereinnahmen bemerkbar machen.

Dehoga-Geschäftsführerin Hartges sagt, die Branche fühle sich von der Bundesregierung regelrecht ungerecht behandelt. Der Grund: Lieferdienste müssen nur sieben Prozent Mehrwertsteuer abführen. "Das ist eine Ungleichbehandlung gegenüber der Gastronomie. Wir verlangen, dass Essen in Deutschland einheitlich mit sieben Prozent besteuert wird."

Langfristig sei das letzte Wort noch nicht gesprochen, sagt Hartges. Ihr Verband wolle weiter für die sieben Prozent kämpfen. Ihre Argumente, so findet sie, "waren gut und werden gut bleiben".

Sendung: rbb24 Inforadio, 27.12.2023, 14:50 Uhr

Beitrag von Andre Kartschall

83 Kommentare

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  1. 83.

    23% der Wahlberechtigten sehen jemanden der es besser macht. In manchen Bundesländern auch 37% Was wir alle sehen sind die, die es schlechter machen, von Tag zu Tag.

  2. 81.

    19% hier, Maut dort, CO2 Steuer da, Plastiksteuer noch dazu. Bauerndiesel da, Traktorsteuer dort. Alles wird umgelegt und landet bei DIR. Und ich habe bestimmt noch etwas vergessen wie etwa die fallende Energiepreisbremse und auf das Klimageld warten wir wohl ewig.

  3. 80.

    Und wer würde es besser machen, ich seh da niemanden.

  4. 79.

    Ich kann die ganze Aufregung um die Erhöhung nicht verstehen. Und ich wünsche mir das jetzt wirklich mehr Menschen demnächst die Restaurants zum Essen gehen meiden werden. Denn nur wenn die Nachfrage geringer ist wie das Angebot dann reguliert sich das von alleine und die Preise werden wieder günstiger. Im übrigen hat kein Restaurant die ermäßigte Mehrwertsteuer an die Gäste weitergegeben aber bei der Erhöhung da sind sich alle einig und erhöhen die Preise. Echt der blanke Wucher. Mitleid habe ich mit keinem Restaurant.

  5. 78.

    Also ich bin Restaurantbesitzer und mache mir absolut keine Sorgen, meine Kundschaft hat Verständnis für die Preiserhöhungen und ich wüsste nicht was Politik oder die Ampel damit zu tun hat??
    Also: Alles jut, und wir jammern weiter uff hohem nie wo;)

  6. 77.

    Dehoga-Geschäftsführerin Hartges klagt an, Lieferdienste müssen nur 7% Prozent Mehrwertsteuer abführen.

    Anmerkung: Viele der ca. 13.200 italienischen Restaurants in Deutschland bieten einen Pizza -Straßenverkauf an, wie mein Italiener um die Ecke. Er passt sich seinen Gästen an die er nicht verlieren will. Der Gastronom spart sich dabei Energieverbrauch ein im Lokal. Pizzen werden meistens zuhause gegessen, durch das Angebot vom Lieferdienst. Selbst deutsche Restaurants haben sich angepasst mit Lieferdienste. Wie sich die Wiederkehr von 19 % MwSt. in der Praxis auswirken wird, bleibt abzuwarten. Setzt der Wirt auf zusätzliche höhere Preise im Lokal, dann ist es sein eigenes Risiko wenn weniger Gäste ins Lokal kommen.



  7. 76.

    Die Senkung der MewSt war nie dafür gedacht, dass der Restaurantbesuch für den Kunden billiger wird. Er diente dazu, das Speisen und Getränke nicht noch teurer werden.
    Anders als z.B. bei Energieversorgern… dort war die Senkung der MewSt für den Kunden gedacht … das haben sie auch entsprechend gemerkt… da auch diese wegfällt werden sie das auch merken.

  8. 75.

    "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern." - scheint ein typisches Kanzler-Gerede zu sein ;-)

  9. 74.

    Die 19 Prozent werden dem Fiskus wohl eher einen Verlust als einen Gewinn bringen. Das Essen im Restaurant ist auch mit 7 Prozent Mehrwertsteuer schon viel zu teuer. Und jetzt 19 Prozent? Da kocht der Normalbürger wohl lieber zu Hause. Die Folge sind weitere Pleiten von Restaurants. Sehr traurig!

  10. 73.

    Ganz einfach: Inflation (Geldentwertung) ist ein gewolltes Szenario in unserem Wirtschafts- und Zinssystem, damit stets konsumiert und investiert wird und die Taler nicht unter dem Kopfkissen liegen bleiben und Insolvenzen und Kurzarbeit eher nicht auftreten. Dennoch gehören die zu einer gesunden und anpassungsfähigen Wirtschaft dazu. Die Ampel hat damit gar nix zu tun. Wählen muss man die natürlich trotzdem nicht. Kann man aber.

  11. 72.

    Gut das es solche Menschen zu genüge gibt, denen es egal ist, ob das Steak 30 oder 40 Euro kostet. Das mit dem Trinkgeld kann ich so nicht nachvollziehen. Wenn mindestlohnt gezahlt wird, braucht es kein Trinkgeld mehr. Und Trinkgeld gibt es eh nur für überragende Leistungen. Und wenn ich sehe, was die Leute so zu Silvestern an Geld ausgeben für Knallzeugs, dann sehe ich da überhaupt keine Probleme.

  12. 71.

    Ich habe doch geschrieben, Essen gehen sollte etwas besonderes sein. Und wenn ich so etwas plane halte ich das Geld vorher ein bisschen zusammen. Mache ich genauso.

  13. 70.

    Was ich nicht verstehe, dass die ganzen Menschen und Branchen, die das betrifft, ob Bauern, Gastro, Transport und es betrifft ja jeden irgendwie mit anderen Maßnahmen, immernoch diese Ampelparteien Wählen. Es sind ja nicht nur die paar % Mehrwertsteuer sondern alles was geliefert wird steigt. Die Maut steigt, die CO2 Steuer auf Treibstoff steigt, die Energiepreisbremse fällt weg, die Inflation addiert sich Jahr für Jahr nach oben.. es betrifft jeden. Insolvenzen, Kurzarbeit... wie kann es also sein, dass die Ampel trotz Verlusten immernoch soviele Stimmen bekommt, wie sie in den Umfragen abgebildet werden. Ich verstehe es nicht !

  14. 69.

    "...Äußerung von Bundeskanzler Olaf Scholz an. Als der noch SPD-Spitzenkandidat war, sagte er in einer ARD-Talkrunde über die Mehrwertsteuersenkung auf sieben Prozent: "Das schaffen wir nie wieder ab."
    Hier wäre die Gelegenheit gewesen, einem Kanzlerehrenwort einen positiven Touch zu verschaffen. Aber das "cumte" ihm wohl nicht in den Sinn.

  15. 68.

    Wenn Ihnen etwas nicht passt, ist mal wieder die Ampel schuld? Die Steuersenkung wurde von CDU/SPD während Corona beschlossen, und sollte bis 31.12.2023 gelten. Also bitte nicht der Ampel die Schuld in die Schuhe schieben. Und ich glaube kaum, dass Restaurants und Hotels von "armen Leuten" betrieben werden.

  16. 67.

    Wie hoch ist denn der Gastronomieumsatz pro Jahr in Deutschland?
    3 Milliarden Euro mehr Steuereinnahmen scheinen mir bei einer Erhöhung von 7% auf 19% für den kompletten Umsatz in Deutschland etwas niedrig.
    Was mich besonders stört: Diese Steuererhöhung der Ampel werden schon wieder Arme ausbaden.
    Legt sich die Ampel auch mal mit Millionären und Milliardären an?

  17. 66.

    Diejenigen bei denen es jetzt schon knapp ist, werden dann wahrscheinlich das Trinkgeld weglassen und das trifft dann wieder diejenigen bei denen es auch nicht so üppig ist, trotz Mindestlohn oder etwas darüber. Die es sich aber richtig leisten können, denen juckt es nicht, hauptsache die schweineteure Küche zu Hause wird nicht schmutzig.

  18. 65.

    Mensch Klaus, was meinst du wieviele sich Silvester keinen Champagner leisten können, oder das gesündere Biofleisch!
    Wo hört das Anspruchdenken auf?

  19. 64.

    Es gibt sicherlich gastronomische Betriebe die mit der Widerherstellung der Mehrwertsteuer Problme haben. Dies trifft aber sicherlich nicht für die meisten Betriebe zu. Wollten mit unserem Verein ein Weihnachtsessen für ca. 22 Personen veranstalten. Der Inhaber des Lokals wollte dann von uns 160,00 Euro "Saalmiete". Wir haben uns dann ein anderes Lokal gesucht. Offensichtlich konnte der Besitzer auf einen Umsatz von 22 Personen leicht verzichten. Ich wolte mit meiner Frau essen gehen. Als wir das Lokal betreten hatten wurde uns vom Personal nicht gerade freundlich angeraunzt, ob wir nicht lesen könnten. Sie verwies auf ein Schild am Eingang "Bitte warten. Sie werden plaziert" Wir haben dann dankend abgelehnt uns an den zugewiesenen Tisch nahe der Tür zu setzen. Es waren zu dem Zeitpunkt jede Menge Tische frei.

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