Neuer Höchstwert - Post-Beschwerden haben sich im vergangenen Jahr verdreifacht
Der Ärger über die Post hat einen Höchstwert erreicht. So viele Menschen wie noch nie haben sich 2022 über die Brief- und Paketzustellung in Deutschland beschwert. Die Post verweist auf die Krankheitswelle, Kritiker bemängeln aber auch die Personalpolitik.
Aus Ärger über die Post haben sich im vergangenen Jahr so viele Menschen bei einer Bundesbehörde beschwert wie noch nie. Es seien circa 43.500 Beschwerden eingegangen und damit fast drei Mal so viele wie 2021, teilte die Bundesnetzagentur am Sonntag auf dpa-Anfrage mit.
2021 waren es nur 15.118 gewesen. Die Beschwerden richten sich gegen die ganze deutsche Brief- und Paketbranche, die meisten Wortmeldungen über verspätete oder verlorene Sendungen beziehen sich aber auf den Marktführer Deutsche Post.
Der bisherige Höchstwert hatte 2020 bei 18.867 gelegen. Die Post spricht von lokalen Problemen und begründet diese mit einem hohen Krankenstand und Personalmangel.
Anlassprüfung in Bernau
Im vergangenen Jahr leitete die Bundesnetzagentur aufgrund gehäufter Beschwerden 86 Anlassprüfungen ein. Im Jahr zuvor waren es nur 17 gewesen. Solche Prüfungen - unter anderem in Bernau bei Berlin - sind schriftliche Ermahnungen, auf die die Post antworten muss.
Laut Webseite der Bundesnetzagentur hat sich die Zustellsituation in den meisten Problembezirken, in denen geprüft wurde und die Post etwa zusätzliches Personal einsetzte, weitgehend oder zunehmend stabilisiert.
Ein Firmensprecher sagte, man werde im kommenden Jahr "alles daran setzen, trotz der weiter herausfordernden Umstände die Qualität in der Zustellung weiter zu verbessern". Dabei verwies er auf die kürzlich begonnenen Tarifverhandlungen und drohende Warnstreiks. Bei den Tarifgesprächen fordert Verdi ein Lohnplus von 15 Prozent, was die Post für realitätsfern hält.
Probleme seit Sommer - vor allem durch Corona
Die Probleme bei der Post begannen im Sommer - damals sorgte eine hohe Zahl an Corona-Krankmeldungen dafür, dass mancherorts zu wenige Zusteller bereitstanden, um die Briefe und Pakete auszutragen.
Die Zahl der Beschwerden lag im Juli bei 3.098 Beschwerden und steigerte sich bis zum Oktober (9.436) und fiel dann wieder leicht ab, auf 7.000 Beschwerden im November und 6.900 im Dezember. Im Verhältnis zu den mehr als eine Milliarde Briefen und Paketen, die Monat für Monat in Deutschland befördert werden, machen die Beschwerdezahlen allerdings nur einen sehr geringen Anteil aus.
Kritiker warfen der Post vor, personell auf Kante genäht zu haben und nun die Quittung zu bekommen. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser spricht von einem "massiven Renditedruck, der inzwischen auf der Deutschen Post lastet und in dessen Folge immer wieder beim Personal gespart wurde". Mit dieser Personalpolitik müsse endlich Schluss sein, sagt Meiser.
Der Konzern leitete Notfallmaßnahmen ein: Um wieder Herr des Geschehens zu werden, wurde der Sendungsfluss in manchen Zustellbezirken ganz bewusst verlangsamt und die Briefe wurden dort nur an jedem zweiten Tag ausgetragen. Anfang November räumte das Management Fehler ein. Die Zustellprobleme hätten inzwischen aber etwas nachgelassen und "die betrieblichen Kennzahlen entwickeln sich deutlich in die positive Richtung", hieß es damals aus der Post-Führungsriege.
Postgesetz soll laut Koalitionsvertrag reformiert werden
Die Zustellprobleme kommen für die Deutsche Post zu einer denkbar ungünstigen Zeit. Denn die Bundespolitik setzt sich jetzt daran, das Postgesetz zu reformieren. Man wolle das Postgesetz novellieren und dabei sozial-ökologische Standards weiterentwickeln und einen fairen Wettbewerb stärken, hieß es Ende 2021 im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grüne und FDP. [tagesschau.de]
Mit Blick auf das hohe Beschwerdeaufkommen fordert Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller im Rahmen dieser Novelle eine Sanktionsmöglichkeit, um den Druck auf die Post zu erhöhen.
Aus dem Bundestag mehren sich Stimmen, die so ein Druckmittel befürworten und in der anstehenden Gesetzesreform ermöglichen wollen. "Die Beschwerdewelle verdeutlicht, dass freundliche Ansprache bei der Post nicht hilft", sagte der FDP-Bundestagsabgeordnete Reinhard Houben. "Eine Sanktionsmöglichkeit wird immer dringlicher."
Sendung: rbb24 Inforadio, 08.01.23, 09:20 Uhr