Potsdam - Gericht sieht Anfangsverdacht krimineller Vereinigung bei "Letzte Generation"-Aktivisten
Im April 2022 haben Klima-Aktivisten die Raffinerie PCK in Schwedt attackiert, Monate später gab es deshalb Razzien. Eine Beschwerde der "Letzten Generation" dagegen hat das Landgericht Potsdam abgewiesen - und zugleich juristisches Neuland betreten.
Das Landgericht in Potsdam hat eine Beschwerde wegen der Großrazzia gegen Mitglieder der Klimaschutzgruppe Letzte Generation abgewiesen. Die Staatsschutzkammer des Gerichts habe den Anfangsverdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung bestätigt, sagte Cyrill Klement, Sprecher der Staatsanwaltschaft Neuruppin, am Montag. Es ist das erste Mal, dass ein Gericht in Deutschland diese Einschätzung vornimmt.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Störung öffentlicher Betriebe und des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Zunächst hatte die "Märkische Oderzeitung" berichtet.
Justizministerin schließt sich Einschätzung an
Polizei und Staatsanwaltschaft hatten am 13. Dezember elf Wohnungen und Räume von Mitgliedern der Letzten Generation in mindestens sechs Bundesländern durchsucht. Eine Durchsuchung habe laut Staatsanwaltschaft in Brandenburg stattgefunden - nach rbb-Informationen in Cottbus. Grund seien mehrere Attacken von Klimaaktivisten auf Anlagen der Raffinerie PCK Schwedt gewesen, wie Klement erläuterte. Dabei sei unter anderem die Ölzufuhr unterbrochen worden. In einigen Fällen sei es beim Versuch geblieben.
Der Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung könne dadurch gegeben sein, wenn sich Beschuldigte wiederholt zu Straftaten verabredeten, sagte Staatsanwalt Cyrill Klement nach den Razzien Ende vergangenen Jahres.
Für Brandenburgs Justizministerin Susanne Hoffmann (CDU) ist die Gruppe ebenfalls eine kriminelle Vereinigung. "Eine Gruppierung, die gemeinschaftlich darauf ausgerichtet ist, planmäßig Straftaten zu begehen", erfülle den Tatbestand, "auch wenn die Straftaten einem vermeintlich höherwertigen Ziel dienen sollen", teilte die Politikerin ebenfalls im Dezember mit.
Ab wann von einer "kriminellen Vereinigung" gesprochen werden kann
Bei einer kriminellen Vereinigung muss es sich zunächst einmal um drei Personen handeln, erklärt Klaus Hempel aus der ARD-Rechtsredaktion. "Diese müssen die Vereinigung gegründet haben, um Straftaten zu begehen. Der Zweck dieser Vereinigung muss genau darauf hinauslaufen." Der Zusammenschluss muss demnach auch auf Dauer angelegt sein.
Im vorliegenden Fall sollen sich mehrere Personen gezielt zusammengeschlossen haben, um immer wieder die Öl-Raffinerie in Schwedt (Uckermark) zu attackieren, um dort den Ölhahn zuzudrehen. Das wäre nach Angaben Hempels das "gezielte Verabreden zu Straftaten". Man könnte aber auch in Frage stellen, ob es sich wirklich um die Bildung einer kriminellen Vereinigung handelt. Denn den Klima-Aktivisten gehe es in erster Linie nicht darum, Straftaten zu begehen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 15.05.23, 19:00 Uhr