Einfach mal raus mit Pflegegrad - So funktioniert Urlaub für Pflegebedürftige
Mehr als vier Millionen pflegebedürftige Menschen werden in Deutschland zu Hause versorgt, oft durch Angehörige oder Freunde. Die Helfer haben Entspannung manchmal bitter nötig. Hannah Demtröder erklärt, wie der Pflegeurlaub gelingen kann.
Einfach mal raus. Was für andere so einfach ist: Einen Kurztrip fürs Wochenende buchen, die nächste Reise planen oder einfach ins Auto setzen und einen Ausflug machen - ist für Menschen mit Hilfe- und Pflegebedarf und deren Angehörige oft unmöglich. Wer soll im Urlaub die Pflege übernehmen? Woher soll das Pflegebett kommen? Und wer bezahlt das eigentlich alles?
Es gibt Anbieter in Deutschland und auch europaweit, die sich auf Urlaub für Pflegebedürftige - in der Gruppe oder mit deren Familienangehörigen - spezialisiert haben. Aber fehlt der Überblick, und Qualität sowie Vergleichbarkeit der Angebote sind schwer.
Pension, Hotel oder Pflegeheim?
Urlaub in der Pflegepension oder im Pflegehotel - beide Bezeichnungen sind nicht geschützt - kann sehr unterschiedlich aussehen. Das Angebot variiert stark von Anbieter zu Anbieter. Gemeinhin ist eine Pflegepension oder ein Pflegehotel allerdings ein Domizil, das komplett behindertengerecht ausgestattet ist und in dem pflegerische Maßnahmen angeboten werden. Ob durch einen stationären oder einen ambulanten Pflegedienst, ist zweitrangig. In den meisten Fällen haben Pflegepensionen und -hotels auch Zimmer für Angehörige, in manchen Fällen auch Ferienwohnungen für die pflegebedürftige Person und deren Angehörige.
Wer nicht in einer Pension unterkommen will, kann zum Beispiel auch eine barrierefreie Ferienwohnung anmieten und vor Ort mit einem ambulanten Pflegedienst zusammenarbeiten, um pflegerische Maßnahmen durchführen zu lassen.
Die Auswahl der passenden Pflegepensionen oder des passenden Pflegehotels - von denen es deutschlandweit nur wenige gibt - oder die Suche nach einer geeigneten Ferienwohnung samt Pflegedienst, Nähe zu ärztlicher Versorgung und barrierefreie Anreisemöglichkeiten ist beschwerlich. Deshalb gibt es spezialisierte Reiseunternehmen, die sich auf Pflegeurlaube ausgerichtet haben.
Kurzzeitpflege bietet rund um die Uhr Betreuung
Wer rund um die Uhr auf pflegerische Hilfe angewiesen ist oder etwa nachts Betreuung benötigt, kann eine sogenannte Kurzzeitpflege beantragen und für dafür zum Beispiel ein Pflegeheim an Nord- oder Ostsee aussuchen. Dieses Modell kann beispielsweise für Menschen sinnvoll sein, die auch zu Hause in einer Tagespflege sind. Da arbeiten ihre Angehörigen meist währenddessen, so können sie dann Urlaub machen.
Auch Rehakliniken bieten diese Art des Pflegeurlaubs teilweise an. Einige wenige haben sogar Gästezimmer für Verwandte, im Regelfall würden bei dieser Art Pflegeurlaub die Angehörigen allerdings in einer nahen Ferienunterkunft unterkommen, der Urlaub würde also am selben Ort, aber nicht im selben Haus stattfinden.
Im Internet finden sich unterschiedlichste Portale für die Suche nach einem Heimpflege- oder einem Rehaklinikplatz. Übersichtlich ist das Heimverzeichnis der Gesellschaft zur Förderung der Lebensqualität im Alter und bei Behinderung [hvz.de], der Pflegefinder der Betriebskrankenkassen (BKK) [bkk-dachverband.de] und die Suche der Weissen Liste [weisse-liste.de].
Die Finanzierung eines Pflegeurlaubs
Auch bei der Abrechnung gibt es einiges zu beachten. Es gibt viele Töpfe, aus denen man für einen Pflegeurlaub schöpfen kann - man muss sie nur kennen. Wer als pflegebedürftiger Mensch oder mit Pflegebedürftigen verreisen will, kann in den allermeisten Fällen bestimmte Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen. Diese beinhalten allerdings nur pflegerische Leistungen. Die Kosten für An- und Abreise, Mahlzeiten oder Ausflüge müssen die Reisenden in der Regel selbst übernehmen.
Die Kostenübernahme für Pflegeurlaube besteht in der Regel aus den Leistungen der Verhinderungspflege oder denen der Kurzzeitpflege. Darüber hinaus können unter anderem noch Ansprüche auf Tages- oder Nachtpflege, Pflegesachleistungen oder Kombinationsleistungen geltend gemacht, das Pflegegeld oder der Entlastungsbetrag benutzt werden. Viele der Leistungen sind kombinierbar. Vorab sollte aber in jedem Fall die Pflegeversicherung in die Planung miteinbezogen werden.
Experten beraten und helfen bei der Beantragung
An dieser Stelle können sich Familien Unterstützung suchen, zum Beispiel in einem der Pflegestützpunkte in Berlin und Brandenburg, teilweise auch bei Wohlfahrtsvereinen wie der AWO oder der Diakonie oder der Bundesarbeitsgemeinschaft Familienerholung. Ganz bestimmt aber bei dem Berliner Verein "Reisemaulwurf". Denn dessen Ziel ist es, kostenlose Beratung rund ums Thema Urlaub mit Pflegebedürftigen anzubieten.
Andre Scholz, Gründer des gemeinnützigen Vereins, ist hauptberuflich seit vielen Jahren Pflegeberater. Durch seine langjährige Erfahrung weiß er: "Bei den Themen Auszeit und Erholung - da haben wir eine Versorgungslücke." Gegenüber dem rbb-Verbrauchermagazin Super.Markt erläutert Scholz, wie ein Pflegeurlaub dennoch gelingen kann und worauf es dabei unbedingt ankommt: "Überlegen Sie sich ganz genau: Was können Sie leisten im Urlaub? Was wollen Sie leisten im Urlaub? Stellen Sie also ganz klar die Pflegestruktur und die pflegerischen Bedürfnisse über die touristischen Wünsche, die Sie oder Ihre Angehörigen haben."
Zu oft, das wisse Scholz aus Erfahrung, werde der Pflegeurlaub nicht so erholsam, wie er hätte sein können. Und da gehe es um Details – zum Beispiel, wie die Tagespflege aussehe oder ob das Pflegebett im richtigen Zimmer des Gemeinschaftsapartments stehe. "Vorbereitung ist das Wichtigste" - diesen Satz stelle Scholz auch in all seinen Gesprächen über Pflegereisen voran. Auch besonders wichtig: Pflegeurlaub sollte man mindestens ein Jahr im Voraus planen - vor allem, wenn er in die Hauptreisezeit falle.
Sendung: Super.Markt, 22.05.2023, 20:15 Uhr