Volle Fahrradständer - Warum Vermieter Schrotträder nicht einfach wegschmeißen dürfen

Mo 11.09.23 | 11:56 Uhr | Von Felix Michel
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Ein kaputtes Fahrrad steht in einem Hof (Quelle: CHROMORANGE / Norbert J. Suelzne)
Bild: chromorange/ Norbert J. Suelzne

In Berlin verstopfen sie die Höfe von Mehrfamilienhäusern und sorgen für Platzmangel am Fahrradständer: herrenlose Schrotträder. Will der Vermieter sie loswerden, gibt es ein übliches Prozedere. Doch das hat seine Tücken. Von Felix Michel

Fahrräder sind umweltfreundliche und zukunftsfähige Fortbewegungsmittel in der Großstadt. Was häufig nicht zukunftsfähig ist, ist der Zustand der Fahrradstellplätze in den Hinterhöfen von Berliner Mehrfamilienhäusern.

Dort finden sich nicht selten Fahrradmodelle der letzten fünf Generationen. Platte Reifen blockieren die Fahrradständer, Sattel fehlen und der Rost frisst sich durch das Metall. Es scheint, als seien Generationen von Studenten ihren Lebensweg gegangen und hätten die treuen Diamant- und Mifa-Drahtesel einfach zurückgelassen. Jetzt sind sie nur noch ein Störfaktor.

Doch kann die Hausverwaltung beziehungsweise der Eigentümer die Räder einfach entfernen lassen? Was ist eigentlich, wenn ich aus dem Urlaub komme und jemand mein Fahrrad entsorgt hat. Und kann ich mir aus den schrottigen, herrenlosen Drahteseln im Hof, ein halbwegs brauchbares zusammenbauen? Wie so oft, ist die Lage kompliziert.

Bauordnung schreibt Stellplätze beim Neubau vor

Zunächst mal der Urschleim: Die Berliner Bauordnung sieht vor, dass "bei der Errichtung von baulichen Anlagen, die Fahrradverkehr erwarten lassen", Abstellplätze für Fahrräder geschaffen werden müssen. Je nach Wohnungsgröße sind das bis zu vier Stellplätze pro Wohnung. Bei bestehenden Häusern besteht diese Regel allerdings nicht. Im Normallfall wird also im Hinterhof geparkt. Ohne Regeln. Der Vermieter kann in der Hausordnung Stellplätze ausweisen, verbieten kann er es generell nicht.

Niemand kann ein Rad einfach so entfernen

Ist der Hinterhof voll mit Fahrrädern, ob schrottreif oder nicht, darf der Vermieter aber nicht einfach Fahrräder entsorgen. Rechtlich gesehen, ist das Diebstahl. Das erklärt auch Karl Grünberg vom Berliner Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Meist kommt es zu folgender Prozedur: Der Vermieter informiert die Bewohner des Hauses mittels Brief oder Aushang, dass schrottreife, herrenlose Räder entfernt werden sollen. Die Mieterinnen und Mieter werden dann aufgefordert, innerhalb eines Zeitraumes ihre Fahrräder zu markieren, dass diese noch benutzt werden. Meist soll dann ein Zettel an das Zweirad geklebt werden oder das Rad bekommt ein Schild um den Lenker.

Nach dem Ablauf der Frist beauftragt der Vermieter den Hausmeister oder eine Firma mit der Entsorgung der zettellosen Fahrräder. Der Zeitraum den der Vermieter dabei wählt, ist allerdings nicht gesetzlich geregelt, so Grünberg. Ob man also drei Monate Zeit hat, sein Fahrrad zu markieren bevor es im Schrott landet oder ob es vier Monate sind, ist dem Vermieter überlassen. Eine Entfernung ohne Frist ist allerdings illegal. Die Kosten dafür dürfen übrigens nicht auf die Mieter umgelagert werden, berichtet Julia Wagner vom Eigentümerverband Haus und Grund. Die Entfernung muss vom Eigentümer beziehungsweise dem Vermieter gezahlt werden.

Ein Schrottrad steht in Berlin (dpa/ Sommer)
Entweder markiert der Vermieter die Räder, die in den Müll kommen oder fordert die Mieter auf, die zu kennzeichen, die benutzt werden.Bild: dpa | Fabian Sommer

Entfernung ist rechtliche Grauzone

Für den Vermieter ist das allerdings keine wasserdichte Vorgehensweise, erklärt Wibke Werner vom Berliner Mieterbund. Denn die Eigentümer der entfernten Räder haben Anspruch auf Schadensersatz. Das gilt auch, wenn Mieter keinen Zettel an das Rad gemacht haben. So zum Beispiel, wenn ein Mieter länger verreist ist, zurückkehrt und plötzlich das Rad fehlt. Eigentum ist gesetzlich geschützt. Wie der Fall vor Gericht dann aber ausgeht, bleibt unklar. Es gibt keine eindeutige Rechtsprechung, das Vorgehen von Vermietern Fahrräder mit Zettel zu markieren, ist nicht gesetzlich geregelt und bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone.

Allgemein gesagt, haftet die Person, die das Fahrrad entfernt hat oder entfernen ließ. Das gilt dementsprechend auch, wenn andere Mieter von Schrotträdern genervt sind. Wird eigenmächtig entsorgt, muss man im Zweifel für den Schaden aufkommen, falls der Eigentümer doch noch auftaucht - und herausfindet, wer der Verantwortliche ist.

Beschwerden über schrottreife Fahrräder halten sich in Grenzen

Wibke Werner vom Berliner Mieterbund stellt allerdings klar, dass die Beschwerden der Mieterinnen und Mieter über schrottige Drahtesel sehr überschaubar sind. Diesen Eindruck bestätigt auch der Eigentümerverband Haus und Grund. Die Entfernung herrenloser Räder sei kein besonders auffälliges Thema, so Haus und Grund.

Festzuhalten bleibt, dass es weder für Vermieter noch Mieter komplett rechtssichere Wege gibt, Schrotträder entfernen zu lassen. Was wohl ein Grund für zugemüllte Innenhöfe sein könnte.

Beitrag von Felix Michel

78 Kommentare

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  1. 78.

    Wir haben eher Probleme mit dem Sperrmüll anderer Mieter. Das geht dann zu Lasten aller. Gefühlt geht das schneller als mit Fahrrädern. Welche Gesetze sind den jemals zum Wohle aller geändert worden? Fällt mir keins ein. Nicht einmal das 6 - 22Uhr Gesetz. Hab nette Nachbarn, die eine leere Wohnung angezeigt haben. Da wurde nur spioniert Kinder/ja /nein muss ich nicht oder wer könnte es gewesen sein. Ich im übrigen nicht. Wenn die ansonsten so aufpassen würden, dann hätte so mancher seine Scheiss Ruhe.Egal ob du den Krach machst oder nicht Ich war nachweislich auf Arbeit und kann keinen Krach abstellen den ich nicht verursache und Beschwerden anderer auch nicht.

  2. 77.

    "Oder bekommt jeder Bürger, ähnlich wie bei der GEZ, pauschal ein Kennzeichen aufgedrückt?" --- NATÜRLICH jeder PKW-, Motorradfahrer und so hat ja auch ein Kennzeichen aufgedrückt bekommen ODER haben eventuell deren Fahrzeuge dieses Kennzeichen ... Also wäre es logisch dieses Kennzeichen auch am Fahrradrahmen fest zu installieren.
    per Gesetz / Änderung der StVO dürfen -nach einer Übergangsfrist- nur noch Fahrräder / E-Bikes mit gültigen Kennzeichen im öffentlichen Straßenverkehr benutzt werden.
    Natürlich sind Kinderfahrräder, Rollatoren, Kinderwagen und eure anderen "ernstgemeinten" Vorschläge von der Kennzeichenpflicht ausgeschlossen

  3. 76.

    Aber nein Herr "Kwas", die Radfahrer die können sich in angenehmer Anonymität wiegen und somit tun was sie wollen, ohne belangt zu werden, und das nutzen viele Radfahrer schamlos aus.
    Wie man sieht, nutzen sie diesen Vorteil nicht nur im Verkehr aus, sondern entsorgen ihren unbrauchbar gewordenen "Drahtesel" nach belieben auf Kosten der Vermieter oder Steuerzahler.
    Ergo, alles bestens.

  4. 75.

    Hallo Herr T
    Wirklich lachhaft, mir Aggression zu unterstellen, weil ich auch anderen Verkehrsteilnehmern Verstöße der StVO -allerdings gegen Radfahrer- erwähne ...
    "Auch wenn ich öfters die StVo missachte, da ich nicht aggressiv Fahre" - das auf dem Radweg parkende Auto mißachtet auch die StVO fährt auch nicht unbedingt aggressiv.

    anderes Beispiel:
    Gibt es wirklich einen Unterschied bei einem "Rotlichtverstoß nur mit Behinderung"
    Fußgänger bei Rot - Rad, Auto
    Rad bei Rot - Fußgänger, Auto
    Auto bei Rot - Fußgänger, Rad
    (subjektiv immer der Verursacher - aber ... )

  5. 74.

    Weil ich eine " Faule Sau" bin., aber mein Fahrrad brauche, da ich kaum 100 Meter ohne Schmerzen laufen kann.

  6. 73.

    Gute Frage, stellt dann eine Gebühr von sagen wir mal 15€ für jeden über 18 im Jahr, eine zu bekämpfende Einschränkung der Grundrechte dar? O.K. Fast jeder hat ein Fahrrad, viele Fahren davon, von A nach B täglich. Wenn es da Ausstiegsmöglichkeiten gibt, ist es der Fahrradkultur nicht zuträglich. Aber natürlich, das freie Umherfahren Und Anhalten und Parken wo man grad hinwill ist schon lange illusorisch. Das liegt wohl eher am mangelnden Platz.

  7. 72.

    Oder einfach Handeln. Mein Vermieter hat mich fast devot angerufen, und mir eine solche Aktion angekündigt, natürlich soll eine Aktion gemacht werden, denn Vor dem Haus ist es noch wahrscheinlicher "Opfer" von Vandalismus un Diebstahl zu werden. Nicht ohne Grund ist die Fahrradzusatzversicherung mittlerweile fast so teuer wie die Hausratversicherung selber. Genau aus diesem Grund sind offiziellen Diebstahlszahlen so "niedrig". fast keiner ohne entsprechende Versicherung zeigt das an.

  8. 71.

    Erst haben viele Autofahrer geflucht über 2 Meter Fahrradstreifen, doch dann hat sich das gewandelt. jetzt gilt "Geil Kurzparkzone". Jeden Tag zu "hoffentlich" Erleben in den Seitenstraßen der City West. All da trotz Nummernschild. Auch wenn ich öfters die StVo missachte, da ich nicht aggressiv Fahre, und bei Menschen , die mich offensichtlich nicht wahrgenommen haben, schon mal in Ihrer Geschwindigkeit auf Abstand hinterherfahre, ernte ich auf alle Fälle mehr lächelnde Gesichter, als wenn ich mich auf der Straße in die Bewältigung des Vorbeifahrens mit der 1,5 Spurigen Straße auch noch eingemischt hätte. Gehen Sie ins Boxzentrum, wenn Sie Aggressionen abbauen wollen. Selbst da gilt ein "Gentlemen" Code.

  9. 70.

    Ich habe heute durch Zufall eine Werbung im Radio gehört.
    Abwrackprämie für Fahrrad beim Kauf einer E-Schwalbe

    Habe zuerst an einen Scherz gedacht, aber wenn man das hier so alles liest ... ist heute alles möglich ;-)
    Wird wohl aber nicht staatlich gefördert, obwohl ...

  10. 69.

    Über was sich hier alles in 68 Kommentaren aufgeregt wird ist echt lustig.
    Leute, das Thema sind Schrotträder die Höfe, Radparkflächen und das Stadtbild schädigen.
    Ich wäre dafür den ganzen Mist einzusammeln, 2 Monate einlagern, danach Reparaturwerkstätten ( z.B. für Bedürftige)Teile zur Verfügung stellen und den Rest als Metallschrott entsorgen.
    Wer sein Bike liebt wird darauf achten und sich drum kümmern, es geht hier nur um den Schrott!
    Und Gesetze kann man anpassen, zum Wohle aller Bürger!

  11. 68.

    "Autofahrer und ihre gestörte Wahrnehmung, es sind nämlich idR Autofahrer die rasen, falschparken und Verkehrsverstöße am laufenden Band verursachen."
    ... oder Radfahrer und ihre einseitige Wahrnehmung ...
    Wieviele Radfahrer beachten das Zusatzschild "Radfahrer frei" - Dort sind sie als "Gast" auf dem Gehweg!!!
    Weil es ein Gehweg ist, haben Fußgänger absoluten Vorrang vor dem Radverkehr. Auf die Fußgänger ist besondere Rücksicht zu nehmen. Deshalb ist Schrittgeschwindigkeit zu fahren. Bei Bedarf ist anzuhalten.

  12. 67.

    Zum Verständnis müssen Sie den Beitrag lesen, auf den sich meiner bezieht. Ich hätte vielleicht doch einen Sarkasmus-Smiley malen sollen....

  13. 66.

    Hoffentlich trifft auf Sie mal jedes Ihrer zitierten Adjektive zu, wenn Sie mal zum „Rentnervolk“ gehören, und das werden Sie, denn Jugend ist ein kostbares Gut, was mit jedem Tag kleiner wird.
    Wie kann man nur derart abfällig sein…?

  14. 65.

    ... so, so ...
    Fußgänger haben auf dem Gehweg dem Fahrradfahrer (beim Verstoß der StVO) Platz zu machen damit diese evenuell nicht absteigen müssen - weil Fahrbahn zu eng oder gepflastert ist ...
    Also können dann doch auch PKW auf dem Radweg (ebenso Verstoß der StVo) geparkt werden, weil ansonsten kein -regulärer- Parkplatz zu finden ist ...

  15. 64.

    Mich würde mal interessieren, wie genau diese Kennzeichenpflicht nach Meinung der Befürworter hier genau (!) ablaufen soll. Wie soll man die Millionen Räder hierzulande erfassen? Oder bekommt jeder Bürger, ähnlich wie bei der GEZ, pauschal ein Kennzeichen aufgedrückt? Kostet das den Bürger was/wieviel? Beeinträchtigt das alles die Absicht des Staates nach Förderung des Radverkehrs?
    Bitte mal ein paar Details von den Forderern, Danke.

  16. 63.

    Wegen dem finanziellen und organisatorischen Aufwand, der (*höchstwahrscheinlich) in keinem Verhältnis zum Nutzen steht.
    *Ich kenne jetzt keine Zahlen, aber ich bezweifle, dass Fahrräder mehr als Bagatellschäden verursachen im Gegensatz zu ihren motorisierten Kollegen, wo zudem noch der Anteil an Personenschäden naturgemäß deutlich höher sein wird.
    Zudem wird so ein Denunziantentum gefördert, wenn jeder empörte Bürger Radfahrer anzeigt, die z.B. bei Rot über die Ampel fahren.
    ich kann den Wunsch nach Kennzeichenpflicht durchaus verstehen, aber wenn man (na gut: ich...) alles abwägt, macht das zu wenig Sinn.

  17. 62.

    Sind sie von Querdenkern homegeschoolt worden oder warum haben Sie nicht mitbekommen, dass alle Kinder in der Grundschule Verkehrserziehung haben in deren Rahmen auch eine Fahrradprüfung (Beleg: Fahrradpass) auf dem Programm stehen?

  18. 61.

    Recht so Herr Harald V. Vermieter! Wenn die Flucht- und Rettungswege und Zufahrten für die Feuerwehr zugemüllt sind, überwiegt glaub ich sogar die Forderung nach Sicherheit.

  19. 60.

    ... ich lade Sie gerne ein, sich einmal am Wochenendnachmittag für eine Stunde in den Stellingdamm am Bahnhof Köpenick zu stellen um zu sehen WO und WIE die Radfahrer unterwegs sind. ...

  20. 59.

    "Kein Wunder, dass viele Radfahrer so unangenehm auffallen. "

    Autofahrer und ihre gestörte Wahrnehmung, es sind nämlich idR Autofahrer die rasen, falschparken und Verkehrsverstöße am laufenden Band verursachen.

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