Volle Fahrradständer - Warum Vermieter Schrotträder nicht einfach wegschmeißen dürfen
In Berlin verstopfen sie die Höfe von Mehrfamilienhäusern und sorgen für Platzmangel am Fahrradständer: herrenlose Schrotträder. Will der Vermieter sie loswerden, gibt es ein übliches Prozedere. Doch das hat seine Tücken. Von Felix Michel
Fahrräder sind umweltfreundliche und zukunftsfähige Fortbewegungsmittel in der Großstadt. Was häufig nicht zukunftsfähig ist, ist der Zustand der Fahrradstellplätze in den Hinterhöfen von Berliner Mehrfamilienhäusern.
Dort finden sich nicht selten Fahrradmodelle der letzten fünf Generationen. Platte Reifen blockieren die Fahrradständer, Sattel fehlen und der Rost frisst sich durch das Metall. Es scheint, als seien Generationen von Studenten ihren Lebensweg gegangen und hätten die treuen Diamant- und Mifa-Drahtesel einfach zurückgelassen. Jetzt sind sie nur noch ein Störfaktor.
Doch kann die Hausverwaltung beziehungsweise der Eigentümer die Räder einfach entfernen lassen? Was ist eigentlich, wenn ich aus dem Urlaub komme und jemand mein Fahrrad entsorgt hat. Und kann ich mir aus den schrottigen, herrenlosen Drahteseln im Hof, ein halbwegs brauchbares zusammenbauen? Wie so oft, ist die Lage kompliziert.
Bauordnung schreibt Stellplätze beim Neubau vor
Zunächst mal der Urschleim: Die Berliner Bauordnung sieht vor, dass "bei der Errichtung von baulichen Anlagen, die Fahrradverkehr erwarten lassen", Abstellplätze für Fahrräder geschaffen werden müssen. Je nach Wohnungsgröße sind das bis zu vier Stellplätze pro Wohnung. Bei bestehenden Häusern besteht diese Regel allerdings nicht. Im Normallfall wird also im Hinterhof geparkt. Ohne Regeln. Der Vermieter kann in der Hausordnung Stellplätze ausweisen, verbieten kann er es generell nicht.
Niemand kann ein Rad einfach so entfernen
Ist der Hinterhof voll mit Fahrrädern, ob schrottreif oder nicht, darf der Vermieter aber nicht einfach Fahrräder entsorgen. Rechtlich gesehen, ist das Diebstahl. Das erklärt auch Karl Grünberg vom Berliner Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC). Meist kommt es zu folgender Prozedur: Der Vermieter informiert die Bewohner des Hauses mittels Brief oder Aushang, dass schrottreife, herrenlose Räder entfernt werden sollen. Die Mieterinnen und Mieter werden dann aufgefordert, innerhalb eines Zeitraumes ihre Fahrräder zu markieren, dass diese noch benutzt werden. Meist soll dann ein Zettel an das Zweirad geklebt werden oder das Rad bekommt ein Schild um den Lenker.
Nach dem Ablauf der Frist beauftragt der Vermieter den Hausmeister oder eine Firma mit der Entsorgung der zettellosen Fahrräder. Der Zeitraum den der Vermieter dabei wählt, ist allerdings nicht gesetzlich geregelt, so Grünberg. Ob man also drei Monate Zeit hat, sein Fahrrad zu markieren bevor es im Schrott landet oder ob es vier Monate sind, ist dem Vermieter überlassen. Eine Entfernung ohne Frist ist allerdings illegal. Die Kosten dafür dürfen übrigens nicht auf die Mieter umgelagert werden, berichtet Julia Wagner vom Eigentümerverband Haus und Grund. Die Entfernung muss vom Eigentümer beziehungsweise dem Vermieter gezahlt werden.
Entfernung ist rechtliche Grauzone
Für den Vermieter ist das allerdings keine wasserdichte Vorgehensweise, erklärt Wibke Werner vom Berliner Mieterbund. Denn die Eigentümer der entfernten Räder haben Anspruch auf Schadensersatz. Das gilt auch, wenn Mieter keinen Zettel an das Rad gemacht haben. So zum Beispiel, wenn ein Mieter länger verreist ist, zurückkehrt und plötzlich das Rad fehlt. Eigentum ist gesetzlich geschützt. Wie der Fall vor Gericht dann aber ausgeht, bleibt unklar. Es gibt keine eindeutige Rechtsprechung, das Vorgehen von Vermietern Fahrräder mit Zettel zu markieren, ist nicht gesetzlich geregelt und bewegt sich in einer rechtlichen Grauzone.
Allgemein gesagt, haftet die Person, die das Fahrrad entfernt hat oder entfernen ließ. Das gilt dementsprechend auch, wenn andere Mieter von Schrotträdern genervt sind. Wird eigenmächtig entsorgt, muss man im Zweifel für den Schaden aufkommen, falls der Eigentümer doch noch auftaucht - und herausfindet, wer der Verantwortliche ist.
Beschwerden über schrottreife Fahrräder halten sich in Grenzen
Wibke Werner vom Berliner Mieterbund stellt allerdings klar, dass die Beschwerden der Mieterinnen und Mieter über schrottige Drahtesel sehr überschaubar sind. Diesen Eindruck bestätigt auch der Eigentümerverband Haus und Grund. Die Entfernung herrenloser Räder sei kein besonders auffälliges Thema, so Haus und Grund.
Festzuhalten bleibt, dass es weder für Vermieter noch Mieter komplett rechtssichere Wege gibt, Schrotträder entfernen zu lassen. Was wohl ein Grund für zugemüllte Innenhöfe sein könnte.