Das Ende des alten Flughafens Schönefeld hat etwas Unwürdiges: Jahrelang gehörte er zum Reiseerlebnis von Millionen von Menschen, doch der Abschied fällt weitgehend emotionslos aus. Wie zuvor auch bei anderen Vermächtnissen des Ostens, kommentiert Sebastian Schöbel.
Als für "THF" und "TXL" das Ende kam, holte Berlin alles aus sich heraus: Von pathetischer Nostalgie über Airport-Möbel mit Sammlerwert bis zu politischem Widerstand mit Volksentscheiden und Wahlkampf-Slogans wurde für die beiden Alt-Flughäfen das komplette Arsenal der gesellschaftlichen Aufgeregtheit geleert. Tempelhof wurde zur liebgewonnenen Ikone stilisiert, Tegel zur unverzichtbaren Notwendigkeit erklärt. Genützt hat es zwar nichts, aber beide Flughäfen bekamen wenigstens das Abschiedsspektakel, das sie verdient hatten.
Für "SXF" gibt es nichts davon: Der alte Flughafen Schönefeld tritt leise ab. Aus der temporären "Pause", die Anfang 2021 pandemiebedingt verhängt wurde, kam Terminal 5 nie mehr zurück. Zum Abschied laden die Gemeinde und die Flughafengesellschaft zwar nochmal auf den Parkplatz zum Familienfest, es gibt einen DJ, eine Coverband spielt auf, Foodtrucks stehen bereit und man kann ein letztes Mal durchs alte Hauptterminal laufen. Doch eine große Debatte über den wirtschaftlichen, historischen oder emotionalen Wert von "SXF" gibt es nicht.
Geflogen wird in Schönefeld längst nur noch am BER, das alte Terminal 5 ist aus der Corona-bedingten Zwangspause nicht zurückgekehrt. Nun soll der alte Flughafen zu einem neuen Stadtkern Schönefelds werden. Von Sebastian Schöbel
Auf dem Schrotthaufen der Ost-Gebäude
Rational lässt sich das sicherlich rechtfertigen. Eine große Abschlussparty zum endgültigen Ende 2022 wäre wegen der Corona-Pandemie schwierig geworden. Am BER, in direkter Nachbarschaft, wird zudem weitergeflogen, anders als damals in Tegel oder Tempelhof. Schön war Schönefeld auch nie, während die anderen beiden Flughäfen architektonische Schätze sind. Und natürlich neigen die Brandenburger so gar nicht zur Hysterie, während in Berlin schon ein paar Meter Radweg einen Bürgerkrieg auslösen könnten.
Es drängt sich aber trotzdem der Verdacht auf, dass man sich heute vom Ex-DDR-Flughafen Schönefeld sehr viel leichter trennen kann als damals von den beiden West-Berliner Airports. Genauso wie Berlin jedes Jahr viel Geld ausgibt, um das ICC im Wachkoma zu halten, während man beim Palast der Republik, beim Stadion der Weltjugend, bei der Seelenbinder-Halle, beim Palasthotel oder beim Ahornblatt an der Fischerinsel ziemlich zügig den baupolitischen Stecker zog.
Entladen, ausgecheckt und die Gates geschlossen - Terminal 5 winkt
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Zunächst ab 1947 Militärflughafen der sowjetischen Streitkräfte, dann Ostberlins Zivil- und Regierungsflughafen: International flog man im Osten von Schönefeld - auch die Regierung und ihre Gäste. Am 28. Juni 1963 empfing auf dem Flugfeld in Schönefeld der DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht den Regierungschef der UdSSR, Nikita Chruschtschow. "International" und "groß" war der Flughafen schon auch deshalb, weil trotz Mauer auch Westberliner gut und günstig von hier flogen - in alle Welt.
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Verreist wird im Anzug: Die Passagierabfertigungshalle auf dem "Zentralflughafen Berlin-Schönefeld" - wie er ab Anfang der 60er hieß - ähnelte denen anderer Flughäfen in Europa. Hier warten im Juni 1964 Passagiere vor ihrem Abflug nach Sofia in der damals modern gestalteten Abflughalle vor den Schaltern des damaligen Abfertigungsgebäudes - im schicken Zwirn.
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Weil dann aber schon ein paar Jahre später, 1967, Schwarz-Weiß nur noch wenig hermachte, kleideten die DDR-Werbefachleute eine Modelfamilie in den besten 60er-Schick, umgaben sie mit möglichst verschiedenen und reichlich bunten Ostautos und drückten ihnen einen Anett-Radiorecorder in den Arm, bevor sie sie auf Farbfilm bannten: Von Schönefeld aus ging es bunt, motorisiert, musikalisch modern begleitet und gut gekleidet mit Kind und Kegel in die weite Welt - so die Botschaft.
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Auch 1970 stand das neue und bis heute genutzte Hauptabfertigungsgebäude noch nicht: Der Flughafen wuchs allerdings unaufhörlich, viele DDR-Bürger kamen zu kleinem Wohlstand und reisten in die Länder des Ostblocks - manche von ihnen gar noch ein bisschen weiter.
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Gemächlich zum Flugzeug schlendern und dann auf die Gangway: Schönefeld hatte keine Flugsteige mit Brücke und lange auch keine Shuttles am Flugfeld. Die Flugzeuge der Interflug und der Bulgarian Air warteten im Jahr 1972 auf dem Vorfeld auf die schlendernden Passagiere, die damals noch im alten Flughafengebäude abgefertigt wurden.
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1976 aber dann war es fertig - das neue Abfertigungsgebäude. Für die Passagiere war von dort dann der Panoramafensterblick auf das Flugfeld möglich.
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Der Blick auf die Ankunfts- und Ausstiegsseite der neuen Halle bot dagegen andere Erkenntnisse. Hier war der Fokus auf die kleine, geteilte Welt gerichtet, wo es gesonderte Haltepunkte für die Busse mit den Passagieren nach Westberlin gab. Das Fachwort der DDR-Behörden für den Billigreiseverkehr von und nach Westberlin lautete Transit.
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Die Aussichtsterrasse am neuen Terminal-Gebäude in Schönefeld war Winkplattform für Angehörige und Freunde, für viele aber auch ein bisschen Sehnsucht. Fliegen war hoher Luxus - für die meisten unerschwinglich - das bisschen Gucken war umsonst.
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Der letzte große Staatsbesuch mit Empfang auf dem Flughafen Schönefeld: Der sowjetische Partei- und Staatschef Michail Gorbatschow (2.v.r.) und dessen Frau Raissa (r) werden am Vorabend des groß ausgerufenen Republikgeburtstags am 6. Oktober 1989 auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld nach ihrer Ankunft von Jungpionieren begrüßt. Empfangen wurde der hohe Besuch von SED-Generalsekretär Erich Honecker (2.v.l.) und von seiner Frau Margot Honecker (l), der DDR-Volksbildungsministerin. Mit schwarzen Limousinen gings nach Berlin.
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Für den Bürger, also die meisten Reisenden und für deren Angehörige, die sie verabschiedeten oder empfingen, war der S-Bahnhof Schönefeld der Angelpunkt. Früher gings dann reichlich holprig über Fußwege entlang der Parkplätze zum Terminal, später aber dann...
Bild: imago images/B.Friedel
...wurde eine überdachte und halbverglaste Fußgängerallee geschaffen. Die hier nun nach der Schließung von Terminal 5 geplanten neuen Terminals des künftigen Regierungsflughafens werden wohl nur selten und in Ausnahmefällen von den Regierungsgästen zu Fuß erreicht. Die Zukunft der Flughafenallee also ist ungewiss. Übrig bleibt vorerst auch der einstige Reiseknotenpunkt...
Manche mögen bei diesen Beispielen genervt mit den Augen rollen. Aber direkt in Schönefeld, auf dem ehemaligen Rollfeld, spielt sich das gleiche Drama gerade wieder ab: Obwohl das neue Regierungsterminal nun doch nicht gebaut wird, soll das Generalshotel aus den 50er Jahren abgerissen werden. Weil man den Raum als Parkplatz für Ministerflieger brauche, heißt es, der Kasten stehe in der sicherheitsrelevanten Zone. Stand er zuvor allerdings auch, trotzdem lief der Flugbetrieb reibungslos. Dass Denkmalschützer und Landespolitik nun lautstark protestieren und auf die historische Bedeutung des Hauses verweisen, kümmert den Bund aber nicht.
Dabei bräuchte es für Schönefeld nicht mal Ostalgie, um jetzt Wehmut zu empfinden. Für Millionen von Menschen war Schönefeld als "Billigflieger-Airport" jahrelang der Startpunkt für bezahlbare Reisen. Der Weg dorthin konnte zur ÖPNV-Odyssee werden, und die überfüllten Gänge hatten den Charme eines Busbahnhofes. Aber SXF war das Alpha und Omega etlicher Urlaube: Das Letzte, was man von der Heimat sah, bevor es in die Ferne ging, und das Erste, was einen daheim wieder in Empfang nahm. Zugegeben, das konnte sich in Schönefeld schon mal wie ein fester Schlag ins Gesicht anfühlen, der einen unsanft aus einem wunderschönen Traum riss. Aber dieser urige, chaotische Flughafen passte auch irgendwie zu Berlin und Brandenburg: nicht glatt und glänzend, aber auch nicht austauschbar.
Am Wochenende feiert die Gemeinde Schönefeld ihren 20. Geburtstag - und verabschiedet den alten Flughafen Schönefeld. rbb|24 hat mit Bürgermeister Christian Hentschel gesprochen: über (N)ostalgie, Zukunftsvisionen und das alte Generalshotel.
Hoffnung: "SXF 2.0"
Anders als beim Palast der Republik, beim Ahornblatt oder dem Generalshotel gibt es für Schönefeld aber noch Hoffnung: Im geplanten neuen Stadtquartier "SXF 2.0" soll das Hauptterminal nicht moderner Architektur weichen, sondern erhalten bleiben und weiter genutzt werden. Als altes Herz eines neuen Stadtteils – der am besten eröffnet wird, bevor Tempelhof saniert und die "Urban Tech Republic" in Tegel fertiggestellt ist.
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"Ich bin zum Beispiel mal als Jugendlicher ganz problemlos an einem Tag nach Prag und zurück geflogen, hat um die 90 Mark gekostet."
Genau! Ich bin auch als junger Mann mit einer IL-18 von Schönefeld nach Prag geflogen, für 72 DDR-Mark. Das Ticket, gekauft im Haus des Reisens am Alex, habe ich heute noch. Ich hatte es mir vom ersten Lohn als Facharbeiter geleistet. Es war mein erster Flug überhaupt.
Spätere Reisen gingen nach Budapest, Sofia u.a., in den 80ern auch mal nach Jugoslawien und Kuba.
Und nein - ich war kein Reisekader oder Parteimitglied oder oder oder...
Insofern ist das völliger Quatsch zu sagen, es wäre den Meisten verwehrt gewesen, flugzureisen. Das kann nur jemand sagen, der die Verhältnisse nicht wirklich gekannt und gelebt hat.
Ach und das durften Sie einfach so? Ganz ohne staatliche Genehmigung? Und 80 Mark war damals schon verdammt viel Geld, wo viele Rentner mit 500 Mark oder weniger im Monat um die Runden kommen mussten. Zumal Prag nicht unbedingt das Flugziel schlechthin gewesen sein dürfte. Da gab es eine Zugverbindung oder man fuhr mit dem Auto ins Ausland. Flüge waren keineswegs so normal wie in der Bundesrepublik.
"Auslandsreisen, selbst ins sozialistische Ausland, waren den meisten verwehrt oder einfach nicht bezahlbar, gleich gar nicht als Flugreise."
Den meisten verwehrt? Was soll das denn sein?
Ich bin zum Beispiel mal als Jugendlicher ganz problemlos an einem Tag nach Prag und zurück geflogen, hat um die 90 Mark gekostet.
Verwehrt oder nicht bezahlbar, na hallo...
49.
Das ganze Geschwafel der Besserwessis wie User Manfred geht mir auf den Keks. Sozialisiert im Westen, haben solche Leute keine Ahnung über das Leben in der DDR. Und es klingt durchaus richtig an, dass es schon verwundert, wie schnell bauten der DDR plattgemacht wurden, aber bauten des Militarismus bestehen bleiben oder aufgebaut werden. Der Palast der Republik hatte saniert werden sollen und einer neuen Freizeitnutzung zugeführt. Nein, es musste Geld verschwendet werden für ein Gebäude in Erinnerung an die militaristische Zeit. Das ICC steht trotz Asbest immer noch. Warum wohl?
Also irgendwie bringen sie da einiges durcheinander. Die Bayern Story ist bekannt aber es geht nicht um den BER sondern um den alten Terminal 5. Und der kann n.m.M. abgerissen werden bevor es ein Millionengrab wird wie z.B. das ICC.
Das würde der Gemeinde teuer zu stehen kommen und wir brauchen das Geld für wichtige Infrastruktur.
Ja, aber die exponierte Lage Berlins hat den Einwohnern Berlins nun mal den Flughäfen eine andere Bindung und Bedeutung gegeben. Tempelhof war zudem mehr als ein Zweckbau, es war ein Monument.
Soweit richtig. Nur hatte SXF für die allermeisten Ostberliner genau so wenig Bedeutung wie für die Bürger im Westteil. Auslandsreisen, selbst ins sozialistische Ausland, waren den meisten verwehrt oder einfach nicht bezahlbar, gleich gar nicht als Flugreise. Im Westteil der Stadt und in der Bundesrepublik selbst war Fliegen zwar noch teuer, aber leistbar und die Welt stand praktisch offen. Flugreisen waren normal, anders als im Osten, wo dies immer was Besonderes blieb.
Ja, dass gehört auch zur Wahrheit, obwohl Sperenberg besser ist. Für mich liegt es an der Einstellung im Kopf. Man hat gedacht, bei nur einem Flughafen die Bedingungen für Kunden und Fluggesellschaften diktieren zu können und nicht damit gerechnet, dass man dann gar nicht kommt, bis auf das Nötigste? In anderen Dingen ist es nämlich auch so. Bis zum „Uferweg“ u.a. Grünheide will ich mal schonen, weil hier schon zu oft kritisiert. Aber die Einstellung ist dieselbe.
>"Gut, dass das die Schönefelder selber entscheiden können!"
Absolut. Dieser Bau steht ja auf ihrem Kommunalgebiet.
Dies war meine persönliche Meinung und nicht repräsentativ für die Meinungen vieler anderen.
Wäre n.m.M. die naheliegende Variante, ohne jetzt einer dieser Experten zu sein. In der Gegend um Berlin gibt es überhaupt sehr viele Flughäfen - zumeist ursprünglich mal in militärischer Nutzung. Neuhardenberg hätte auch eine Runway mit genügender Länge für Langstreckenflugzeuge - dort war auch die Flugbereitschaft der DDR mit den Regierungsflugzeugen. Die Geschichte reicht dort zurück bis zu v. Braun und ersten Versuchen mit Raketen(starthilfs)triebwerken.
"SXF hatte für Berlin niemals auch nur annähernd die Bedeutung, die THF und TXL erlangten. " Hängt von der historischen Sichweise ab. THF und TXL hatten exakt Null Bedeutung für die Hauptstadt der DDR, nur SXF hatte da eine Bedeutung. Aus Sicht der Enklave West-Berlin natürlich komplett anders herum.
Die Experten waren der gleichen Meinung. Es hätte sogar gewinnbringend, statt ein Minusgeschäft werden können. Wahnsinn. Und erst die Anzahl der Lärmgeschädigten wäre viel viel kleiner.
"Bei SXF bin ich persönlich mir jetzt nicht sicher, ob dies vor lauter Ostalgie und Erinnerungswert stehen bleiben sollte..."
Gut, dass das die Schönefelder selber entscheiden können!
37.
Bei SXF bin ich persönlich mir jetzt nicht sicher, ob dies vor lauter Ostalgie und Erinnerungswert stehen bleiben sollte. Es war ein Zweckbau von nicht gerade architektonischer Billanz. Ich bin zwar selbst zu Ost- und dann auch zu Westzeiten ein paar mal von Schönefeld geflogen, aber so richtig ans Herz gewachsen als Andenken eines Teils meines Lebenslaufes ist mir diese Abfertigungshalle nicht. In diesem Fall beurteile ich für mich mal: Das Teil hatte seine Zeit und kann ruhig Platz machen für neue Visionen. Es bleiben nostalgische Fotos, Fernsehserien, Filme und die Erinnerungen. Besser so als ein hohler Bau ohne Gebrauchtswert für die heutigen Zeiten, der dann zusehens verfällt.
36.
Natürlich muss alles weg, was noch irgendwie an die DDR/den Osten erinnert - der Sieger bestimmt, was bleibt und was nicht. Schließlich hat sich der Westen mit der Wiedervereinigung jede Menge Baulland dazu gekauft.
In diesem Fall sollten jedoch allein die Brandenburger entscheiden, was daraus werden soll. Wenn Berlin mitmischt, werden sinnlos Millionen verschlungen!
Ob SXF, THF, TXL ,all diese Flughäfen sind doch Zweckbauten.Da werden von dort von A nach B transportiert. Und über die Architektur kann man streiten.Der neue Flughafen ist ja nicht gerade ein Meisterwerk.Und noch etwas, ich bin auch von SXF geflogen obwohl ich kein Privilegierter oder Genosse war sondern ein einfacher Arbeiter.
34.
Man darf nicht vergessen, dass Tegel und Tempelhof eine besondere Bedeutung für die Exklave West-Berlin hatten.