Interview | Schönefelder Bürgermeister - "Terminal 5 ist ein Teil des Lebens hier"

Sa 02.09.23 | 08:04 Uhr
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Christian Hentschel am 25.10.2023.(Quelle:picture alliance/Pacific Press/S.Kuhlmey)
Audio: rbb24 Inforadio | 02.09.2023 | Jessica Wiener/Christian Hentschel | Bild: picture alliance/Pacific Press/S.Kuhlmey

Am Wochenende feiert die Gemeinde Schönefeld ihren 20. Geburtstag - und verabschiedet den alten Flughafen Schönefeld. rbb|24 hat mit Bürgermeister Christian Hentschel gesprochen: über (N)ostalgie, Zukunftsvisionen und das alte Generalshotel.

rbb|24: Herr Hentschel, der Flughafen Schönefeld ist eigentlich schon eine ganze Weile zu, passiert ist es im Stillen, in der Corona-Pandemie. Was verbinden Sie persönlich mit diesem Flughafen?

Christian Hentschel: Wir, die in Schönefeld leben, haben alle unsere unterschiedlichen Perspektiven auf den Flughafen: die ehemaligen DDR-Bürger, für die Berlin-Schönefeld der zentrale Flughafen war, und die Menschen aus den alten Bundesländern. Ich selbst bin ein Neuköllner Junge, in Westberlin aufgewachsen, und habe meine Erinnerungen letztlich mit dem Flughafen nach dem Fall der Mauer gemacht. Wir haben diesen Flughafen sehr gerne genutzt. Heute wohne ich hier auch und habe diesen kurzen Weg, wenn es darum ginge, auch mit den preiswerten Fluggesellschaften Urlaubsorte zu erreichen. Und insofern war ich dort auch sehr oft nach dem Fall der Mauer, um in die weite Welt zu reisen.

Diese Historik, die in der Luft liegt, diese Verbindung zu diesem Gebäude, das hat eine besondere Bedeutung, insbesondere für die Menschen, die in der DDR groß geworden sind.

Christian Hentschel, Bürgermeister Schönefeld

Tegel und Tempelhof wurden immer mehr geliebt als Schönefeld, oder? Wie sollten die Menschen in der Region diesen Flughafen in Erinnerung behalten? Bildschön war er ja schon mal nicht.

Nicht bildschön. Aber ich würde gar nicht zustimmen wollen, dass nur Tempelhof und Tegel geliebt wurden und Schönefeld nicht. Ich denke, jeder Flughafen hatte eben auch seine eigene Bedeutung, seinen eigenen Reiz und natürlich auch sein eigenes Aussehen. Ich hatte kürzlich Gelegenheit, mich noch mal in den alten Räumlichkeiten umzusehen. Diese Historik, die in der Luft liegt, diese Verbindung zu diesem Gebäude, das hat eine besondere Bedeutung, insbesondere für die Menschen, die in der DDR groß geworden sind. Und das berührt mich persönlich auch, obwohl ich kein ehemaliger DDR-Bürger bin.

Ich spüre, wie die Menschen an diesem Flughafen hängen und auch traurig sind. Das ist ein Stück auch Vergangenheit, was ja jetzt hier zu Ende geht. Aber ich habe auch die große Hoffnung und den Wunsch, dass dieses Terminalgebäude in künftige Überlegungen und Ideen mit eingebunden wird und weiterhin Bestand haben wird.

Entladen, ausgecheckt und die Gates geschlossen - Terminal 5 winkt

Sollte das heutige Terminal 5 unter Denkmalschutz gestellt werden?

So weit würde ich nicht gehen. Das ist geprüft worden, und nach meiner Kenntnis greift der Denkmalschutz nicht mehr, weil da schon verschiedene Veränderungen vorgenommen wurden. Aber ich glaube, es geht um die Identität für die Flughafengemeinde: Es ist einfach auch ein Teil des Lebens der Leute hier. Insofern macht es Sinn, diese Verbindung zu den früheren Zeiten, aber auch zu diesem Boom, der hier entsteht, hinzubekommen.

Der Ideenwettbewerb für das Terminal 5 und das Gelände davor läuft bis Ende des Jahres. Was wünscht sich denn die Gemeinde Schönefeld?

Zuerst muss man vorwegschicken, dass dieses komplette Gelände planfestgestellt ist. Stand heute dürfen da erst mal nur Dinge entstehen, die im direkten Zusammenhang mit dem Flughafen stehen. Es ist aber toll, dass wir gefragt wurden.

Wir haben deutlich gemacht, dass wir hier Vorstellungen haben. Die Gemeinde Schönefeld, die Stadt Wildau und die Stadt Königs Wusterhausen haben eine Studie in Auftrag gegeben, wo wir einfach mal von Experten haben strategisch untersuchen lassen, wie sich diese Boom-Region um den Flughafen entwickelt. Ganz zentral ist, dass wir ein ÖPNV-Rückgrat benötigen, um die drei Kommunen zu verbinden, vielleicht mit der Straßenbahn oder anderen Dingen. Und wir haben festgestellt, dass die drei Kommunen um den Flughafen herum eigene Leuchttürme brauchen.

Was wir für die Gemeinde Schönefeld nicht brauchen, sind leerstehende Bürogebäude. Aber wir könnten uns sehr gut ein großes Konferenzzentrum in direkter Nähe zum Flughafen vorstellen. Da könnte etwas Tolles entstehen, von dem einerseits die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde profitieren, aber andererseits auch die vielen Unternehmen, die dann hoffentlich auch nach Schönefeld ziehen.

Kultur kann ich mir vorstellen; Kunst kann ich mir vorstellen, in Kombination mit einem Konferenzzentrum. Restaurants, vielleicht ein Kino, vielleicht eine Bowlingbahn.

Christian Hentschel, Bürgermeister Schönefeld

Mir würden da sofort auch Hotels einfallen: Es ist relativ schwierig, im Umfeld des BER noch ein Hotelzimmer zu kriegen, um dann dort zu übernachten, wenn man einen sehr frühen Flug hat.

Wir haben bereits zahlreiche Hotels. Im Tourismus-Ranking der Städte von 10.000 bis 20.000 Einwohner bundesweit sind wir schon auf Platz acht als Gemeinde Schönefeld. Wir haben im Nordteil der Gemeinde, also nördlich des Bahnhofs Schönefeld, ein Gebiet, wo wir in den nächsten 10 bis 15 Jahren 13.500 neue Einwohner erwarten. Das wird unser neues Zentrum der Gemeinde Schönefeld. Da wäre mein Anliegen, dass hier ein toller Stadtkern entsteht. Ein Technologiezentrum, ein neuer Biotech-Standort, vielleicht auch das Thema Gesundheit. Gut ist, dass sich der Flughafen und die anliegenden Kommunen nicht gegenseitig Konkurrenz machen, sondern dass wir uns abstimmen.

Sollten auf dem ehemaligen Flughafengelände Wohnungen entstehen?

Zirka 6.000 Wohneinheiten für ungefähr 13.500 neue Einwohner entstehen ja schon. Wohnungen werden immer gebraucht. Wir wissen ja auch, dass Berlin einen unheimlichen Nachholbedarf hat. Aber wir wollen natürlich nicht, dass die Defizite in der Bundeshauptstadt hier in Schönefeld gelöst werden. Wir haben natürlich auch hier einen Bedarf. Ich kann mir das aber am T5 tendenziell eher weniger vorstellen. Kultur kann ich mir vorstellen; Kunst kann ich mir vorstellen, in Kombination mit einem Konferenzzentrum. Restaurants, vielleicht ein Kino, vielleicht eine Bowlingbahn.

Angesichts des starken Zuzugs braucht Schönefeld öffentliche Infrastruktur, wie sähe es mit einer Landesakademie für Kita-Erzieher zum Beispiel aus?

Das ist sehr gut vorstellbar. Wir sind gerade dabei, einen weiteren Ausbildungsstandort für Erzieher:innen zu bekommen. Wir haben auch in anderen Bereichen einen erheblichen Fachkräftemangel, Pflegepersonal zum Beispiel. Wir denken auch an eine Pflege-Akademie. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass man später sagt: Ich habe in Schönefeld gelernt, na klar!

Wäre nicht auch eine neue Schule auf dem Gelände denkbar?

Konkret nicht, weil das direkt am Terminal auch nicht zielführend wäre. Es sind Grundstücke des Flughafens, und da muss man natürlich sehen, dass man die Grundstücke gut vermarkten kann. Ich weiß nicht, ob so ein Schulstandort etwas ist, worauf man setzen sollte. Aber im Moment muss ich sagen, dass ich mich gut mitgenommen fühle vom Flughafen. Wir haben es andersherum auch so gemacht. Bei unseren Workshops war auch der Flughafen mit dabei. Und nur so macht es Sinn, dass wir die Region hier gemeinsam entwickeln.

Wo wollen Sie denn eigentlich den neuen U-Bahnhof hinbauen? Die Verlängerung der U7 von Rudow zum BER wird ja immer konkreter.

Wir würden ja insgesamt acht Bahnhöfe bekommen. Wir hoffen natürlich, dass die Kosten-Nutzen-Analyse zum Ergebnis kommt, dass so eine Verlängerung wirtschaftlich abbildbar ist. Dann würde diese U-Bahn vom Bahnhof Rudow über die Waltersdorfer Chaussee irgendwann in das Rudower Frauenviertel abbiegen, da ist eine Trasse freigehalten worden. Sie würde dann auf unserem Wettbewerbsgelände herauskommen, dann hätten wir einen Bahnhof Schönefeld Nord. Dann unter den S-Bahnhof Schönefeld, um das Terminal 5 herum und enden würde sie am Terminal eins und zwei.

Schauen wir zum Schluss auf das Generalshotel. Am 14. September sollen die Bagger kommen, um das denkmalgeschützte Gebäude abzureißen. Was halten Sie davon?

Ich kann die emotionale Verbindung nachvollziehen, die da besteht. Auf der anderen Seite bin ich aber auch ein Vertreter, der sagt, dass wir neuen Dingen die Chance geben müssen, sich entwickeln zu können. Es muss Raum geben für diese neue, auch fantastische Entwicklung, die hier eintritt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Sebastian Schöbel, rbb|24.

Sendung: rbb24 Inforadio, 02.09.2023, 7:00 Uhr

2 Kommentare

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  1. 2.

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    Zitat: Gemächlich zum Flugzeug schlendern und dann auf die Gangway: Schönefeld hatte keine Flugsteige mit Brücke und lange auch keine Shuttles am Flugfeld. Die Flugzeuge der Interflug und der Bulgarian Air warteten im Jahr 1972 auf dem Vorfeld auf die schlendernden Passagiere, die damals noch im alten Flughafengebäude abgefertigt wurden.

    Ganz "anders" heute: Gemächlich zum Flugzeug schlendern und dann auf die Gangway: der nagelneue-jahrzentelang gebaute und achso tolle neue deutsche Flughafen BER Terminal 2 hat keine Flugsteige mit Brücke und (lange auch keine?) Shuttles am Flugfeld. Die Flugzeuge warten im Jahr 2023 auf dem Vorfeld auf die schlendernden Passagiere, die heute im nagelneuen Flughafengebäude T2 abgefertigt wurden.

  2. 1.

    Das der Zentralflughafen nicht geliebt wurde oder gar nicht schön sei, können wirklich nur Menschen schreiben und fragen die eine komplett andere Biographie haben. Der Bürgermeister hat das verstanden und schön umschrieben. Ob es der rbb je versteht?

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