Urteil zu Hochrisiko-Spielen - Berlin und Brandenburg können Fußballvereine an Polizeikosten beteiligen - planen es aber nicht
Das Bundesverfassungsgericht hat den langen Streit um die Polizeikosten bei Hochrisiko-Spielen beendet. Die Bundesländer dürfen entsprechende Kosten ab sofort dem Profi-Fußball in Rechnung stellen.
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) ist im Streit um eine Beteiligung an den Polizeikosten für Hochrisiko-Spiele am Bundesverfassungsgericht gescheitert. Die Bundesländer können die Rechnungen ab sofort an die Fußball-Vereine weiterleiten. Das verkündete das Bundesverfassungsgericht am Dienstag. Vorausgegangen war eine Verfassungsbeschwerde der DFL gegen eine entsprechende Regelung aus Bremen.
Keine Pläne in Berlin und Brandenburg
Das Land Berlin plant auch nach dem Scheitern der DFL-Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht keine Kostenbeteiligung der Fußball-Klubs an Polizeieinsätzen bei Hochrisiko-Spielen. "Wir werden das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Begründung bewerten, sobald sie vorliegt. Es gilt aber auch weiterhin meine Position, dass das Land Berlin keine Kostenbeteiligung für Vereine an Zusatzausgaben bei Polizeieinsätzen im Hinblick auf Hochrisiko-Spiele plant", sagte Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger (SPD) auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur. Mit den regionalen Vereinen stehe der Senat dazu im regelmäßigen Austausch.
Tom Herrich, Geschäftsführer von Hertha BSC, bleibt trotz des Urteils positiv gestimmt: "Wir werden mit dem Land Berlin die weitere Handhabe dieser Thematik nochmals erörtern, sind aber schon jetzt überzeugt, dass das Land Berlin mit all seinen zahlreichen Großveranstaltungen keinerlei Interesse daran haben wird, die Veranstalter mit einem solchen Gebührentatbestand über die bereits zahlreichen Herausforderungen bei der Durchführung entsprechender Veranstaltungen zusätzlich zu belasten.“
Auch das Land Brandenburg plant derzeit keine Kostenbeteiligung der Vereine an sogenannten Hochrisiko-Spielen. Das bestätigte die Brandenburger Innenministerin Katrin Lange (SPD) gegenüber dem rbb. Vor allem mit den Vereinen Energie Cottbus und dem SV Babelsberg solle sich nun zusammengesetzt werden, um über die Gestaltung von potentiellen Hochrisiko-Spielen zu beraten.
Energie-Präsident Lemke: "Bin über dieses Urteil sehr traurig"
Sebastian Lemke, Präsident des FC Energie Cottbus, äußerte sich am späten Dienstagnachmittag: "Ich bin über dieses Urteil sehr traurig. Ich glaube, dass der Umfang und das, was alles passieren kann, nicht allen bewusst ist. Es kann alle Vereine betreffen, auch wenn es jetzt nur heißt, dass es um die erste und zweite Liga geht – grundsätzlich geht das aber von der ersten Liga bis in den Amateursport", so Lemke.
Es sei ein vielschichtiges Urteil, das einige Anschlussfragen nach sich zöge, die zum Teil noch unbeantwortet seien. "Das beginnt schon bei der Einstufung: Was ist ein Hochsicherheitsspiel? Und geht weiter damit, wo und wie Kosten anfallen. Handeln alle Bundesländer gleich oder gibt es eine unterschiedliche Behandlung? Aus einer unterschiedlichen Behandlung könnte sich ein Wettbewerbsnachteil ergeben", so der FCE-Präsident. "Man muss klar sagen, dass das existenzbedrohend werden kann. Das ist alles noch nicht in Gänze geklärt."
Regelung mit Grundgesetz vereinbar
Für die Kosten von Polizeieinsätzen bei Hochrisiko-Spielen bittet die Stadt Bremen die DFL seit mehreren Jahren zur Kasse. 2015 stellte das Land Bremen nach dem Derby zwischen Werder und dem Hamburger SV der DFL erstmals eine Rechnung (425.000 Euro) für einen Polizeieinsatz. Der Verband der 36 deutschen Erst- und Zweitligisten wehrte sich dagegen, musste aber juristische Niederlagen vor dem Oberverwaltungsgericht Bremen und dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hinnehmen.
Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht war im April 2024 eröffnet worden. Gerichtspräsident Stephan Harbarth erklärte nun in der Urteilsverkündung, dass die angegriffene Norm mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Ziel der Regelung sei es, die Kosten auf denjenigen zu verlagern, der sie zurechenbar veranlasst habe und bei dem die Gewinne anfallen. Das sei ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel.
Was gilt als Hochrisiko-Spiel?
Als Hochrisiko-Spiele gelten Begegnungen zweier Klubs, deren Anhängerschaften als verfeindet bekannt sind oder deren Fans in Teilen als gewaltbereit eingestuft werden. In solchen Fällen trifft die Polizei schärfere Sicherheitsvorkehrungen, ist also mit mehr Einsätzkräften vor Ort als sonst, wodurch Mehrkosten entstehen.
Die Regelung bezieht sich auf sogenannte gewinnorientierte, erfahrungsgemäß gewaltgeneigte Veranstaltungen mit mehr als 5.000 Menschen. In Berlin und Brandenburg könnte die Entscheidung demnach Hertha BSC, Union Berlin und Energie Cottbus betreffen, sowie weitere Ansetzungen, bei denen diese Kriterien zutreffen.
In Berlin habe es laut Berliner Polizei in 2024 neun Spiele mit hoher Gefährungseinschätzung gegeben. Laut Gericht werde das Ziel verfolgt, "nur diejenigen Veranstaltungen zu erfassen, die einen deutlichen polizeilichen Mehraufwand hervorrufen."
Watzke spricht sich gegen gemeinsamen Fonds aus
Bereits vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde die Idee eines Poilizeikosten-Fonds der Profi-Klubs diskutiert. Ein gemeinsamer Topf, in den die Vereine einzahlen und aus dem die entsprechenden Polizeikosten bezahlt werden könnten. Der DFL-Aufsichtsratsvorsitzende Hans-Joachim Watzke schließt einen solchen Fonds allerdings aus: "Es wird nicht so kommen, dass die Klubs aus den Bundesländern, in denen diese Kosten nicht erhoben werden, in einen Solidartopf einzahlen." Das sei Verantwortung der einzelnen Landesregierungen.
Reaktionen fallen unterschiedlich aus
Das Fanbündnis "Unsere Kurve" reagierte mit Fassungslosigkeit auf das Urteil. "Nach unserer Auffassung und im Einklang mit den Ansichten unzähliger Fachleute ist die Gewährleistung öffentlicher Sicherheit und Ordnung eine Kernaufgabe des Staates", schreibt das Bündnis in einem Statement. Durch das Urteil verkomme Polizeiarbeit zur "simplen Dienstleistung". Mit dem Urteil sei es nun außerdem "unabdingbar", dass den Vereinen Entscheidungsgewalt bei der polizeilichen Einsatzplanung zukomme.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) begrüßte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Die Gewerkschaft habe sich seit Jahren für eine Beteiligung der Profi-Liga eingesetzt, damit die "immensen" Kosten nicht "allein dem Steuerzahler aufgebürdet" werden, teilte sie mit.
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.01.24, 10:20 Uhr