Hochrisikospiele - Der Profifußball und die Millionen-Frage nach der Sicherheit

Di 01.10.24 | 16:20 Uhr | Von Shea Westhoff
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Archivbild: Polizisten sichern die Anreise der Hertha Fans nach einem Spiel gegen 1.FC Union Berlin am 06.08.2022. (Quelle: IMAGO/Michael Taeger)
Bild: IMAGO/Michael Taeger

Muss der Profifußball für bestimmte Polizeieinsätze zahlen? Nach dem Bremer Vorstoß ist nun auch Hamburg offen dafür. In Berlin beobachtet man die Entwicklungen genau - und wartet auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Von Shea Westhoff

  • In Bremen muss sich der SV Werder bei Hochrisikospielen an Polizeikosten beteiligen
  • Die DFL legte Verfassungsbeschwerde ein, Urteil in den nächsten Monaten erwartet
  • Hamburg unterstützt Bremer Idee eines gemeinsamen Polizeikosten-Fonds der Profiklubs
  • Berliner Senat plant keine Kostenbeteiligungen der Profiklubs Hertha und Union

In Bremen verfolgt man generell einen speziellen Ansatz. Die Hansestadt rühmt sich für Grützwurst, herbes Bier und ein Wahrzeichen namens "Roland".

Was allerdings den besonderen Bremer Ansatz bei der Sicherheit rund um das Stadion angeht, da versetzt die Landesregierung von der Weser die Republik in Aufruhr, mindestens jedenfalls die Profifußballklubs. Für die Kosten von Polizeieinsätzen bei Hochrisikospielen bittet der Stadtstaat die Deutsche Fußball-Liga (DFL), also den Verband der 36 Erst- und Zweitligisten, nämlich seit mehreren Jahren zur Kasse.

Profiklubs fürchten Verfassungsurteil mit Signalwirkung

Als Hochrisikospiele, vereinfacht gesagt, gelten Begegnungen zweier Klubs, deren Anhängerschaften als verfeindet bekannt sind oder deren Fans in Teilen als gewaltbereit eingestuft werden. In solchen Fällen trifft die Polizei schärfere Sicherheitsvorkehrungen, ist also mit mehr Einsätzkräften vor Ort als sonst.

Über die Finanzierung solcher Einsätze liegt die DFL mit dem Land Bremen seit mehr als zwölf Jahren im Streit. Bislang musste die Vertretung der Profifußballvereine dabei nur Rückschläge hinnehmen. Zuletzt urteilte im Jahr 2019 das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass die Beteiligung des Profifußballs an Polizeikosten rechtmäßig sei.

Nun blicken die Profivereine, darunter auch der 1. FC Union und Hertha BSC, gespannt auf die Entwicklungen in Karlsruhe. Im April dieses Jahres befasste sich erstmals das Bundesverfassungsgericht mit der Frage, ob die Bremer Regelung verfassungskonform ist. Die Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde wird noch in diesem Jahr erwartet. Die Angst der Profiklubs: dass das Urteil Signalwirkung hat.

Denn während sich Grützwurst und herbes Bier tatsächlich nicht überall in Deutschland durchsetzten, könnte der Bremer Weg in Bezug auf Polizeikosten Schule machen.

Kommt der Polizeikosten-Fonds?

Immerhin hat mit Hamburg im September ein weiteres Bundesland beim Thema Kostenbeteiligung der Profiklubs gezuckt. Auch die Elbmetropole will Profivereine an den Zusatzkosten für Polizeieinsätze beteiligen, namentlich den FC St. Pauli und den Hamburger SV. Einem entsprechenden Antrag der rot-grünen Regierung stimmte die Hamburgische Bürgerschaft mehrheitlich zu.

Abhängig von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird sich der Hamburger Senat, so der Beschluss, für die Prüfung eines bundesweiten Fußball-Polizeikostenfonds einsetzen. Ein Vorschlag, der ebenfalls aus Bremen kommt: Demnach würden bestimmte Polizeieinsätze mitfinanziert werden aus einem Topf, in den alle Profivereine einzahlen.

Laut Recherchen der Sportschau vom April bekundeten überdies die Landesregierungen von Rheinland-Pfalz, Thüringen und des Saarlandes Sympathien für den Bremer Ansatz [sportschau.de]. In Thüringen könnten die Karten allerdings nach der jüngsten Landtagswahl neu gemischt werden.

Hertha: "Gewaltmonopol liegt beim Staat"

Bei den beiden Berliner Vereinen nimmt man die Diskussionen um die Kostenbeteiligungen mit Interesse zur Kenntnis. Hertha BSC lässt auf Anfrage durchblicken, wenig Verständnis für die Idee zu haben, dass der Profifußball die Polizei mitfinanziert: "Das Gewaltmonopol liegt beim Staat. Dessen hoheitliche Ausübung und der fiskalische Rahmen sind grundsätzlich wesentlicher Teil der staatlichen Daseinsvorsorge", heißt es in der schriftlichen Antwort.

Union Berlin ließ die rbb-Anfrage zum Thema Übernahme von Polizeikosten unbeantwortet.

Polizisten woanders "dringender gebraucht"

In Bezug auf Kostenbeteiligung bei Sicherheitsfragen müssen sich die Klubs derzeit mit Fragen auseinandersetzen, die in den Jahren zuvor schlicht nicht gestellt wurden. Es wirkt so, als habe sich der Wind gedreht – und würde nun denjenigen ins Gesicht blasen, die das Millionengeschäft Fußball organisieren.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte im September der Sportbild, dass er nicht vorhabe, bei den Klubs Polizeikosten zu erheben. Mit Blick auf mögliche Gefahren in und am Stadion, etwa durch Pyrotechnik, betonte er aber auch, dass die Polizisten "angesichts der aktuellen Sicherheitslage in Deutschland" an anderen Stellen "dringender gebraucht" werden als "auf Steuerzahlerkosten verrücktspielende Fußball-Fans im Zaum zu halten" [sportbild.bild.de].

Auf einem Gipfeltreffen Mitte Oktober diskutieren Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sowie die Sport- und Innenminister der Bundesländer mit Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der DFL zur Sicherheitslage in den Fußballstadien.

Das Land Berlin plant keine derartigen Kostenbeteiligungen.

Senatsverwaltung für Inneres und Sport

Berliner Senat plant keine Kostenbeteiligungen - vorerst

Aktuell müssen der 1. FC Union und Hertha BSC nicht damit rechnen, dass die Berliner Landesregierung nach Bremen und Hamburg als dritter Stadtstaat ebenfalls eine Kostenbeteiligung vorantreibt. "Das Land Berlin plant keine derartigen Kostenbeteiligungen", teilte die Senatsverwaltung für Inneres und Sport mit. Allerdings verfolge sie die aktuelle Debatte zu diesem Thema "eng und aufmerksam".

Was die Klage der DFL vor dem Bundesverfassungsgericht angeht, werde die Senatsverwaltung das "Urteil und seine Begründung bewerten, sobald sie vorliegen".

Zwei Millionen Euro für Werder Bremen

Von Werder Bremen heißt es derweil, die DFL habe bislang Rechnungen in Höhe von insgesamt rund zwei Millionen Euro für die Polizei-Kostenbeteiligung erhalten. Die DFL leite die Rechnungen weiter an den Verein. Dieser muss die Kosten vorläufig nur zur Hälfte übernehmen, die andere Hälfte würde die DFL den Norddeutschen stunden.

Ob und in welcher Höhe der Klub von der Weser die Summe dann zurückzahlen muss, das hänge dann vom Urteil des Verassungsgerichts ab. Wie auch manch anderes beim Thema Sicherheit im deutschen Profifußball, möglicherweise in der gesamten Republik.

Beitrag von Shea Westhoff

Kommentar

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13 Kommentare

  1. 12.

    Na endlich ein Wissender aus der Gilde der Fußballzentrierten, der mit hoher Wahrscheinlichkeit die Anzahl der Einsatzstunden der Hundertschaften der Bepo NICHT kennen wird! ZIS weiß aber Bescheid!
    Warum braucht man z. B. beim Basketball, Volleyball und Handball keine solchen martialischen Absperrungen zw. den Zuschauern und dem Spielfeld wie beim Fußball???
    Es muss wohl am Publikum liegen!

  2. 11.

    Wenn ich eine riskante Veranstaltung organisiere, muss ich für die Security sorgen. Da sollte es keine Ausnahme geben. Die Einnahmen verwenden die Fußballer ja auch selbst. Warum soll die Gemeinschaft die Ausgaben tragen?

  3. 10.

    Soviel Expertise hier.Mein lieber Scholli.

  4. 9.

    Ich warte auf den Tag, an dem Herrenfußball anerkennt, daß er ein massives Gewaltproblem hat. Bis dahin wird das mit "Emotionen" schöngeredet. Liebe Vereine, Vorschlag zur Kostenvermeidung: keine Gewalt dulden. Soviel professionelle Souveränität sollte schon da sein, oder etwa nicht...? Es ist Eure Anhängerschaft, von Euch goutiert, in Eurem Namen, die sich gewalttätig in der Öffentlichkeit auslebt. Auf Kosten der Öffentlichkeit. Und Ihr wirkt daran kräftig mit.

  5. 8.

    Endlich mal eine vernünftige Idee, die Fußball-Milliarden wenigstens teilweise sinnvoll zu verwenden!

  6. 7.

    Sind Sie sicher, dass diese "Rasenkomiker" überhaupt in Deutschland Einkommensteuer zahlen?? Die haben das sicher ihre ganz legalen Steuersparmodelle...

  7. 6.

    "Dann noch MwSt durch Tickets, Fanutensilien, Bier und Bratwurst... Ist natürlich viel einfacher, dämlich zu polemisieren."
    Dieses Geld für Tickets, Bier und Bratwurst würden die Leute sonst eben anders ausgeben, samt MWSt. Und das wären aber keine Hochrisiken, bei denen tausende Polizisten anrücken müssen.
    Aber ist natürlich einfacher, dämlich zu polemisieren. :-)

  8. 4.

    "Als Hochrisikospiele, vereinfacht gesagt, gelten Begegnungen zweier Klubs, deren Anhängerschaften als verfeindet..."
    Dieser Euphemismus (.....spiele)ist mir erstmals und bisher nur im Zusammenhang mit dem Fußball begegnet.
    Die Kosten sollten schon die Vereine tragen, da sie schließlich die "Arenen" für die "Hoch..." bieten.
    Da sollte es keine Ungleichbehandlungen geben.
    Auch nicht für das 112. "Ortsderby" in Leipzig zwischen Lok und Chemie!

  9. 3.

    Am besten die Kosten der Pyrostrafen und Polizei auf die Kurven umlegen, dann kostet die Karte schnell mal "etwas mehr"
    Und die Vereine verdienen an TV Gelder, Eintritt, Merchandising usw, aber für die Sicherheit ist kein Geld da. Am Oktoberfest sieht man aber dass es geht. Dann kostet die Mass halt 15€ inkl. Sicherheit und trotzdem sind die Zelte voll.

  10. 2.

    Errechnen Sie mal die Steuereinnahmen des Staates,
    alleine nur die Einkommenssteuer der Rasenkomiker geht bundesweit in die dreistellige Millionenhöhe!
    Dann noch MwSt durch Tickets, Fanutensilien, Bier und Bratwurst, Steuern des Caterers spwie der tausenden Mitarbeiter, etc etc

    Ist natürlich viel einfacher, dämlich zu polemisieren.

  11. 1.

    Die armen Vereine, man möchte heulen...
    Aber auf Steuerzahlerkosten Gerichte bis nach Karlsruhe beschäftigen, das geht. Und natürlich über Jahre eigene teure Anwälte bezahlen!
    Sicher geht es bei nichtgefallendem Urteil auch noch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte...

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