Sexuell übertragbare Krankheiten - Hohe Hürden für Tests auf Chlamydien oder Tripper
Ob neue Beziehung oder häufig wechselnde Sexdates: Es gibt verschiedenste Gründe, warum sich Menschen auf sexuell übertragbare Krankheiten testen lassen wollen. Problem dabei: Ohne Symptome ist das gar nicht so einfach. Von Linh Tran
Wenn’s juckt und brennt, bitte zum Arzt. Das hört und liest man auf verschiedenen Aufklärungsplakaten in Sachen sexueller Gesundheit. Genau das hat Julian* aus Brandenburg versucht: Seine Hausärztin hält ihm jedoch erst einmal eine Standpauke über die richtige Verhütung, erzählt er.
Dann telefoniert Julian verschiedene Hautärzte ab. Eine Praxis empfiehlt ihm, nach Potsdam zu fahren. Drei Stunden würde das dauern. Erst ein Arzt in Lübben gibt ihm zügig einen Termin. Er wirkt kompetent, aber warnt ihn: "Es kann sein, dass Sie 100 Euro zahlen müssen!" Trotzdem: Julian sagt zu. Bei den 100 Euro bleibt es aber nicht: "Als ich die Rechnung erhalte, waren es dann 345 Euro, die ich zahlen musste." Die Diagnose: Chlamydien.
Test können bis zu 300 Euro kosten
Was Julian aus Brandenburg berichtet, schildern verschiedene Menschen, mit denen der rbb spricht. Wer sich auf sexuell übertragbare Krankheiten (STI) testen lassen möchte, wird häufig abgewimmelt oder abschätzig behandelt. Tatsächlich werden die Kosten für einen Test in der Regel nur von der Krankenkasse übernommen, wenn man Symptome hat oder es konkrete Hinweise auf eine Infektion gibt. Sonst zahlt man zwischen 180 und 300 Euro. Julian muss seinen Test auch erst bezahlen. Weil er bereits Symptome hatte, erstreitet er sich das Geld für den Test dann aber erfolgreich zurück.
Eine Frau in Berlin-Kreuzberg erzählt zum Beispiel, dass es in Brasilien, wo sie herkomme, viel einfacher sei, sich auf sexuell übertragbare Krankheiten testen zu lassen. Hier in Deutschland sei das ein echtes Problem. Man müsse richtige Beschwerden haben oder sogar Symptome vorgaukeln, um überhaupt getestet zu werden.
Viele Infektionen zeigen keine Symptome
Das Problem: Viele Infektionen bleiben symptomfrei, so Norbert Brockmeyer. Er ist Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten und Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft: "Egal ob es Chlamydien sind, ob es Gonokokken sind, ob es Syphilis ist oder auch HIV. Wir haben eine teilweise lange Phase, wo wir keine Symptome sehen. Manchmal, bei einigen sehen wir auch nie Symptome." Ansteckend sind die Infektionen zu dem Zeitpunkt trotzdem.
Zudem: Eine Chlamydien-Infektion kann, wenn sie unentdeckt bleibt, bei Menschen mit Uterus zu Problemen bei der Schwangerschaft oder sogar zur Unfruchtbarkeit führen. Für Frauen und andere Menschen mit Uterus werden deshalb jährliche Chlamydien-Tests von der Krankenkasse übernommen. Aber nur, bis sie 25 Jahre alt sind.
Meldepflichtig sind nur HIV und Syphilis
Weltweit gibt es mehr als 30 verschiedene sexuell übertragbare Krankheiten. Besonders verbreitet sind Chlamydien, Tripper (Gonorrhö) oder Syphilis. Auch HIV, Hepatitis C und HPV (Feigwarzen) gehören dazu. Meldepflichtig sind nur die Infektionen von HIV und Syphilis. Chlamydien- und Tripper-Infektionen sind erst seit 2022 meldepflichtig, deswegen gibt es dazu bisher noch keine aussagekräftigen Zahlen.
Grundsätzlich sind die Infektionen und Diagnosen von HIV eher rückläufig [Robert-Koch-Institut; rki.de]. Wurden in Berlin im Jahr 2013 beispielsweise noch 512 Infektionen gemeldet, waren es im Jahr 2022 nur 340 Fälle.
Gestiegen sind dagegen die Infektionen von Syphilis. Im Jahr 2022 wurden dem Robert-Koch-Institut 8.305 Syphilis-Fälle aus ganz Deutschland gemeldet. Das sind circa 23 Prozent mehr als im Vorjahr. In Berlin ist die mit 1.521 Fällen die mit höchste Inzidenz in Deutschland registriert worden. In Brandenburg waren es 2022 lediglich 111 Infektionen.
Kostenlose Tests beim Gesundheitsamt
Tessa Winkel ist Gynäkologin im Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung in Charlottenburg-Wilmersdorf [berlin.de]. Sie berät und testet unter anderem Menschen, die beim Frauenarzt, der Hausärztin oder Dermatologin abgewimmelt wurden.
Von Kolleg:innen im niedergelassenen Bereich und Berufsverbänden höre sie öfter, dass die Tests auf sexuell übertragbare Krankheiten nicht von den Krankenversicherungen bezahlt werden. Aber auch die Ausbildung der Ärzte spiele eine Rolle: "Die sexuelle Gesundheit ist zum Beispiel im Rahmen der gynäkologischen Ausbildung gar nicht so ein großes Thema."
Das Beratungs- und Testangebot im Zentrum für sexuelle Gesundheit richtet sich in allererster Linie an unversicherte Menschen oder jene, die beispielsweise aufgrund ihres Berufs ein höheres Risiko haben, sich mit STIs anzustecken. Aber auch alle anderen Menschen können das Angebot nutzen. In einem telefonischen Vorgespräch wird mit einer Sozialarbeiterin geklärt, wie hoch das Risiko für verschiedene Krankheiten ist. Sinnvoll sind STI-Tests in der Regel bei Analverkehr ohne Kondom, wenn man vielleicht nichts oder wenig weiß über den Sexpartner:in, zum Beispiel wenn man im Dark Room war, wenn Drogen im Spiel waren oder auch, wenn regelmäßig Sexpartner:innen wechseln.
In der Regel könne man innerhalb einer Woche einen Termin für die nächste Woche ausmachen, erklärt Tessa Winkel. Priorisiert werden Menschen, die einen Test auch wirklich brauchen. Wer nur aus Interesse einen Gesundheits-Check bräuchte, müsse länger warten.
Viele Gesundheitsämter in Brandenburg bietet nur HIV-Tests an
Auch in den jeweiligen Gesundheitsämtern der Brandenburger Landkreise kann man sich bei Bedarf kostenlos auf sexuell übertragbare Krankheiten testen lassen. Jedoch bieten nur vier der insgesamt 18 Brandenburger Landkreise oder kreisfreien Städte auch Tests jenseits von HIV, Syphilis oder Hepatitis an. In Dahme-Spreewald kann man sich zusätzlich auf Gonorrhö (Tripper) testen lassen, in Cottbus, Teltow-Fläming und Potsdam außerdem noch auf Chlamydien. Acht Landkreise, also knapp die Hälfte, bieten wiederum ausschließlich HIV-Tests an.
Der Landkreis Uckermark erklärte auf Anfrage des rbb, dass derzeit geprüft werde, wie und in welchem Umfang die anderen STI-Testungen ins Angebot mit aufgenommen werden können. Denn die Nachfrage nach weiteren Tests außer HIV und Hepatitis nehme stetig zu. Auch im Landkreis Havelland steigt nach Angaben des Gesundheitsamtes die Nachfrage nach Kombi-Testungen (alle STIs). In solchen Fällen werde bisher zum Beispiel an die Aidshilfen Potsdam und Berlin weitervermittelt.
Alternative: Tests für Zuhause
Wer nicht auf einen Termin warten möchte oder Hemmungen hat, zum Gesundheitsamt zu gehen, kann sich online auch ein Test-Kit bestellen. Bei der Deutschen Aidshilfe bekommt man zum Beispiel das s.a.m health Test-Kit [samhealth.de]. Dafür muss man sich online registrieren und zahlt beim ersten Mal 75 Euro für Rektal- und Rachenabstrich sowie Urin- und Blutprobe. "Das besondere an den s.a.m Test-Kits ist, dass sie per Post zugeschickt werden und dann im Labor ausgewertet werden. Man muss also nirgendwo hingehen", erklärt Holger Wicht, Pressesprecher der Deutschen Aidshilfe. Gerade in einem Flächenland wie Brandenburg kann das ein großer Vorteil sein.
Wicht fordert, dass STI-Checks durch die gesetzliche Krankenkasse übernommen werden, wenn es einen Anlass wie zum Beispiel wechselnde Partner:innen gibt. Der Verband der Krankenkassen wiederum verweist auf rbb-Anfrage darauf, dass die Ärzte entscheiden könnten, ob ein Test medizinisch notwendig ist - und damit die Kosten von der Krankenkasse übernommen werden. Ärztinnen und Ärzte könnten Tests auch "bei Verdacht" durchführen, so der GKV-Spitzenverband. Ob man wiederum Symptome haben müsse, damit ein Verdacht vorliegt, entscheide der Arzt oder die Ärztin im Einzelfall.
Forderung nach Regelversorgung und sensiblem Umgang
Holger Wicht ist sich sicher, dass es immer noch mit Hemmungen verbunden ist, über Sexualität zu sprechen - davon seien auch Ärzt:innen nicht ausgeschlossen. "Es ist aber normal, Sex zu haben, es ist schön Sex zu haben. Es kann aber ab und zu auch mal was übertragen werden. Deswegen sollte man eben ab und zu mal nachgucken, ob da was ist."
Als Julian aus Brandenburg nach dem positiven Test nochmal zum Arzt geht, muss er sich dagegen anhören, dass er ja wissen müsse, was er falsch gemacht hat. "Auch weitere Sprüche: Sie sind ja selbst schuld, jetzt können Sie auch das Geld dafür zahlen", erinnert er sich. Er hätte sich viel wohler gefühlt, wenn in den Arztpraxen offener und sensibler mit dem Thema umgegangen worden wäre.
Anschauen auf Youtube: Syphilis-Hotspot: Warum sich Geschlechtskrankheiten in Berlin wohlfühlen
* Name von der Redaktion geändert
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.09.2023, 15.30 Uhr