Preis für Lehrer aus Burg - "Wir müssen uns für nichts entschuldigen"

Do 23.11.23 | 06:17 Uhr | Von Jo Goll, rbb24 Recherche
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Mit einem Brandbrief haben Laura Nickels und Max Teske rechtsextreme Umtriebe an einer Schule in Burg öffentlich gemacht. Aufnahme vom 19.07.2023. (Quelle: dpa/AP/Markus Schreiber)
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Mit einem Brandbrief haben Laura Nickel und Max Teske rechtsextreme Umtriebe an einer Schule in Burg öffentlich gemacht. Wenig später haben die beiden Lehrer Burg verlassen, der Druck war zu groß. Jetzt werden sie für ihr Engagement ausgezeichnet. Von Jo Goll

  • Preis für Zivilcourage für Lehrer Laura Nickel und Max Teske
  • Sie sehen Brandbrief zu rechten Vorfällen in Burg nach wie vor als richtige Entscheidung
  • Abschied aus Burg fiel beiden nicht leicht

Sie wirken entspannt: Von den Anfeindungen, denen sie ausgesetzt waren, ist Max Teske und Laura Nickel nichts anzumerken. Die beiden haben bewegte und vor allem anstrengende Wochen und Monate hinter sich. An der Grund- und Oberschule Burg, in der sie bis vor vier Monaten gearbeitet haben, hatten sie sich wegen rechtsextremistischer Vorfälle zunächst an ihre Schulleitung und dann, als diese nicht tätig wurde, mit einem Brandbrief an den rbb und weitere Medien gewandt.

Angefeindet in Burg

In dem Schreiben machten sie unter anderem Hakenkreuz-Schmierereien und Hitler-Grüße von Schülerinnen und Schülern öffentlich und lösten damit eine breite Debatte über den Umgang mit Rechtsextremismus an Schulen in der gesamten Region aus. Das Interesse der Medien an den Erfahrungen der beiden Lehrer war enorm.

In Burg (Spree-Neiße) selbst wurden sie dagegen als Nestbeschmutzer geächtet und angefeindet. Aufkleber mit Fotos der beiden und der Aufforderung, sie sollten nach Berlin verschwinden, tauchten auf; auf Instagram wird zur Jagd auf die Lehrkräfte aufgerufen. Anfang Juli wurde der Druck zu groß: Teske und Nickel beantragten ihre Versetzung und wechselten zum neuen Schuljahr an andere Schulen.

"Wir haben alles richtig gemacht"

Die beiden sind überzeugt, dass der Brief die richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt war. "Wir haben mit diesem Brief den Finger tief in die Wunde gelegt", so Max Teske. "Der Preis zeigt mir, dass wir alles richtig gemacht haben und uns für nichts entschuldigen müssen."

Die Rede ist vom Preis für Zivilcourage gegen Antisemitismus, Rechtsradikalismus und Rassismus der Jüdischen Gemeinde Berlin und der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas. Nickel und Teske bekommen ihn am Donnerstag für ihr Engagement verliehen - im Rahmen eines feierlichen Spenden-Dinners im Hotel Adlon.

Ich fühle mich in meinen Bemühungen bestätigt und gewürdigt.

Laura Nickel

"Brandbrief war die richtige Entscheidung"

Laura Nickel freut sich über die Anerkennung und ist der Ansicht, dass sie das Richtige getan hat, trotz der gegen sie gerichteten Hetze und Drohungen. "Von Bereuen kann nicht die Rede sein", sagt sie. "Die Nachricht, dass wir diesen Preis bekommen, war eine riesige Motivation, weiterzumachen. Ich fühle mich in meinen Bemühungen bestätigt und gewürdigt."

Mit einem Brandbrief haben Laura Nickels und Max Teske rechtsextreme Umtriebe an einer Schule in Burg öffentlich gemacht. Aufnahme vom 19.07.2023. (Quelle: dpa/AP/Markus Schreiber)

Aus Burg regelrecht vertrieben

Der Schritt, Burg zu verlassen, sei ihnen nicht leichtgefallen, sagen die beiden. Am Ende hätten sie sich aber nicht mehr sicher gefühlt in der Kleinstadt. Beide haben Familie - allein schon aus dieser Verantwortung sahen sie sich gezwungen, ihr gewohntes Umfeld aufzugeben.

"Mein Weggang aus der Heimat war nicht immer einfach", sagt Max Teske. "Man musste viel zurücklassen, was man über viele Jahre sehr geschätzt hat. Mittlerweile lebe ich an einem anderen Ort. Die neue Schule ist offen und vertritt klare Positionen. In den jetzigen Zeiten ist es sehr wichtig, starke Kolleginnen zu haben."

Wo er jetzt lebt und an welcher Schule er arbeitet, will er nicht sagen. Zu frisch ist offenbar noch der Eindruck dessen, was er in den vergangenen Monaten erlebt hat.

Nickel wäre gern geblieben

Auch Laura Nickel hat ihr gewohntes Umfeld verlassen. Sie unterrichtet inzwischen an einer anderen Schule in Brandenburg. Die Wucht, mit der sie aus Burg regelrecht vertrieben wurde, habe sie schon beeindruckt, sagt Nickel. "Dass äußere Umstände am Ende so schwerwiegend waren, dass mir keine andere Wahl blieb, als zu gehen, empfinde ich als traurig", sagt sie im Interview mit rbb24 Recherche. Sie habe sich an ihrer alten Schule wohl gefühlt und wäre gern geblieben, betont sie.

An ihrem neuen Arbeitsplatz nimmt sie eine andere Stimmung wahr. "In der neuen Schule habe ich den Eindruck, dass es insgesamt aufgeschlossener und weltoffener zugeht. Die Schulleitung hat bezüglich des Themas eine klare Haltung und drückt diese auch aus. Wir haben mehr Schüler und Schülerinnen mit Migrationshintergrund, die allesamt gut integriert sind", berichtet sie.

Auszeichnung auch für Pfarrer Lukas Pellio

Der Preis für Zivilcourage geht außer an Nickel und Teske auch an Pfarrer Lukas Pellio aus Spremberg (Spree-Neiße). Auch er engagiert sich seit Jahren gegen Rechtsextremismus in Südbrandenburg - auch er ist Anfeindungen ausgesetzt.

Sendung: rbb24 Inforadio, 23.11.2023

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Beitrag von Jo Goll, rbb24 Recherche

29 Kommentare

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  1. 29.

    Schon krass, wie hier Verherrlichung von rechtsextremen Gedankengut relativiert wird...

  2. 28.

    Und müssen sich Anfeindungen und Bedrohungen gefallen lassen, weil sie für demokratische Werte eintreten? Geht's noch?

  3. 27.

    Sich dem Mainstream zu widersetzen wie die beiden Lehrer - Hut ab!

  4. 26.

    Die Aktion von Teske und Nickels hat sich doch gelohnt. "Spreelichter" berichtet, wie jetzt noch mehr Geld im "Kampf gegen Rechts" zur Versorgung von überflüssigen Politologen vom Land Brandenburg locker gemacht wurde.

  5. 25.

    Aus dem Lehrerkollegium gab es für die beiden Antifa-Lehrer keine Unterstützung. Nur eine Spät- und Quereinsteigerin war auf der Seite der Antifa-Lehrer. Besonders sauer aufgestoßen ist, wie frei sich linksradikale bei der Präsentation der Antifa-Jugend von Teske mit wüstem Gehetze vor der Schule gegen die AfD produzieren konnten.

  6. 24.

    2 echte Helden ! für den Wedding & Kreuzberg !

  7. 23.

    Ich bin wirklich gespannt, wie sich der Eintritt des Neugenossen Max Teske, ehemals Lehrer an der Burg-Schule, in die SPD sich beispielsweise bei den Wahlen auswirken wird. Zunächst hatte Neugenosse Teske ja in einem Auftritt vor der Burger Schule im Rahmen der Antifa-Jugend nachdrücklich, allerdings mit schlechter und kaum verständlicher Technik, vor den Gefahren der AfD gewarnt.

  8. 21.

    "Ich danke diesen beiden Lehrern für ihr mutiges Auftreten und wünsche ihnen viel Erfolg an den neuen Schulen. Die Ehrung war genau die richtige Entscheidung" Ich möchte da etwas Salz in die Wunde streuen. Was hat die Aktion der Lehrer im Endeffekt gebracht? Die Schüler sind weiterhin dort, das restliche Lehrerkollegium ist auch weiterhin dort - die beiden Lehrer wurden vertrieben?

  9. 20.

    Die zweite Seite wie Sie es nennen ist auch die Finanzierung der Nazikneipe in Burg durch die Sparkasse Spree Neiße. Soll wohl um 400000 Euro Kredit gehen. Das wäre ein Thema für investigativen Journalismus.

  10. 19.

    Ja, alles hat zwei Seiten. Und die zweite Seite lautet: Die rechtsradikalen Schulkinder sind nicht von Natur aus so geboren. Sondern kommen aus einem rechtsradikalen Umfeld. Familie, Freunde, Zivilgesellschaft - wenn diese sich mehr oder weniger aus der freiheitlich demokratischen Grundordnung verabschiedet haben, dann werden die Kinder auch zu Extremisten. Wird man in dem Umfeld dort sicherlich nicht gerne hören. Das ist aber nunmal der Blick in den eigenen Spiegel. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Da fasse sich also jeder selber an die Nase, der sich angesprochen fühlt.

  11. 18.

    Ich danke diesen beiden Lehrern für ihr mutiges Auftreten und wünsche ihnen viel Erfolg an den neuen Schulen. Die Ehrung war genau die richtige Entscheidung

  12. 17.

    Sie hätten gern nochmal die Seite der Hitlergruß-zeigenden Schüler gehört? Oder der Leute, die die Lehrer bedroht und letztendlich vertrieben haben? Was erhoffen Sie sich davon?

  13. 16.

    Beschämend, dass mal wieder mutige Menschen, die sich für demokratische Werte einsetzen sich im Anschluss in ihrer gewohnten Umgebung nicht mehr sicher fühlen können. Ansonsten Respekt an die beiden, weiter so!

  14. 15.

    Wieso wird eine ganze Gegend stigmatisiert? Hat Burg sich mit dieser Aktion nicht selbst stigmatisiert?
    Die Beiden haben doch nicht freiwillig ihre Heimat verlassen. Aber klar, vielleicht gab es viele Gegenstimmen und Demos an der Schule und vlt hat sich die örtliche Polizei sehr für den Schutz der Lehrer eingesetzt und wir wissen es nicht. Also wichtig, wenn der rbb mal eine Tour durch Burg macht und die Bewohner zu Interviews einlädt.

  15. 14.

    Zum besseren Verständnis: sagen Sie, wenn der Landkreis wirklich rechtsradikal wäre, würde ja wohl die AfD gewinnen?

  16. 13.

    Na wie wäre es z.B. mit "Hilfe zur Erziehung"? Besser im Politik-Unterricht aufpassen? Was wissen Sie denn darüber?

  17. 12.

    Da wird eine ganze Region stigmatisiert"

    So ein Quatsch. Die Zustände an der Schule und die nicht vorhandene Solidarität des Kollegiums sind das Problem. Und so wird es auch allgemein gesehen.
    Es ist allerdings eine bekannte Taktik der Rechten jede Kritik an solchen Zuständen immer auf die Region als Ganzes zu lenken um damit Trotzreaktionen zu erzeugen.

  18. 11.

    Dann sollten sie aber auch dazuschreiben, wie die AfD verliert!!
    In der Regel jedenfalls nicht durch absolute Mehrheiten anderer Parteien, schlimmstenfalls und überwiegend sogar mit relativer Mehrheit der AfD, sondern nur durch Vereinigung aller Nicht-AfD-Stimmen auf die AfD-Alternative.

  19. 10.

    https://www.lkspn.de/wahl/kt19/ktj19/index.html

    https://www.wahlergebnisse.brandenburg.de/wahlen/BU2021/afspraes/ergebnisse_amt_120715101.html

  20. 9.

    Und immer noch wird versucht, das Rechtsextremismus-Problem zu verharmlosen...

  21. 8.

    Die zweite Seite wurde mehrfach in den Berichterstattungen gezeigt: Jugendliche aus Burg, die offen den Hitlergruß zeigen. Was braucht es da noch mehr?

  22. 7.

    Diesen doch sehr mißlungenen, dürftigen Provokationsversuch wollen wir mal der frühen Tageszeit zugute halten.

  23. 6.

    Kommt alles noch, wenn wieder Geld da ist. Jetzt sind erstmal andere Themata wichtiger, wie Islamismus, Terror, militanter Judenhass und Hetze, Kampf gegen Hamas und andere Dinge. Ich befürchte, das wird die nächsten Jahre auch so anhalten und man wird es auch nicht in den Griff bekommen. Zudem fehlt auch der poltische Wille, eine notwendige Kehrtwende einzuleiten.

  24. 5.

    Glückwunsch, auf etwas aufmerksam machen, wenn es einem auffällt, beobachten und hinterfragen, andere involvieren und in den Austausch gehen mit Kollegen und Vorgesetzten,das scheint mir ein guter Weg zu sein, um Lösungen zu finden. Wenn das nicht gut läuft, sich dann nach anderen Wegen umzusehen, ist völlig nachvollziehbar. Ich kann mir vorstellen, dass das in einer Gemeinde schwieriger sein kann, als in der relativen Anonymität einer Großstadt. Was ich jedoch weiß, es hat diese Aufkleber gegeben. Ich habe sie gesehen und auch die polizeiliche Maßnahme diesbezüglich vor Ort. Es hat sich in diesem Moment ein ungutes Gefühl bei mir eingeschlichen. Was hat die Hersteller und Verbreiter dieser Aufkleber veranlasst so zu handeln? Gab es tatsächlich keine Kommunikation mehr, die das hätte verhindern können? Ich lebe " erst" gut 3 Jahre in Burg und bin selbst Lehrerin gewesen. Mich hat das ratlos hinterlassen.
    P.S. Das ist meine Beobachtung. Den beiden Kollegen wünsche ich alles Gute.

  25. 4.

    Gratulation zu dieser Auszeichnung! Schlimm genug, dass es seitens der Landesregierung keine entsprechende Würdigung gibt.

  26. 3.

    Neustart in Neukölln, es muss ja irgendwie weiter gehen.

  27. 2.

    Ich hätte mir mehr Transparenz gewünscht denn jede Story hat zwei Seiten von der wir immer nur eine hören und lesen. Da wird eine ganze Region stigmatisiert die komischer Weise bei Landkreis-Wahlen die AfD verlieren lassen.

  28. 1.

    Beide Menschen haben genau das Richtige getan. Gegen Hass und Hetze kommt man nur an, wenn man sich als Gesellschaft dagegen auflehnt. Mit ihrem Brandbrief haben beide Lehrer anderer Leute angegriffene Menschenwürde verteidigt und bewiesen, dass sie selbst in Würde leben.
    Danke Laura Nickel, danke Max Teske.

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