Urabstimmung in Berlin - Verdi lässt über unbefristete Kita-Streiks abstimmen

Fr 19.07.24 | 15:54 Uhr
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Archivbild: Auftakt der Berliner Kita-Streikwoche vor dem Rathaus Charlottenburg. (Quelle: dpa/Heinrich)
Audio: rbb24 Inforadio | 19.07.2024 | Anke Arndt | Bild: dpa/Heinrich

Droht Kita-Kindern und deren Eltern ein ungemütlicher Herbst? Im festgefahrenen Streit mit dem Senat über einen Tarifvertrag erhöht die Gewerkschaft Verdi nochmals den Druck. In wenigen Wochen gibt es eine Urabstimmung über "Erzwingungsstreiks".

  • Verdi-Mitglieder unter den Kita-Beschäftigten stimmen im September über unbefristete Streiks ab
  • Sind mindestens 75 Prozent dafür, wird es zu diesen Streiks kommen
  • Verdi verweist auf Untätigkeit des Senats - dieser blockiere Verhandlungen über einen Tarifvertrag
  • Vorgehen der Gewerkschaft wird von vielen Eltern kritisiert

Die Gewerkschaft Verdi will ihre Mitglieder unter den Kita-Beschäftigten in Berlin zu einer Urabstimmung über unbefristete Streiks aufrufen. Das sei bereits am Donnerstag entschieden worden, teilte Verdi am Freitag mit.

Demnach soll die Urabstimmung Anfang September beginnen. Wenn hierbei über 75 Prozent für einen sogenannten Erzwingungsstreik stimmten, könne Verdi zum unbefristeten Streik in landeseigenen Kitas aufrufen, heißt es in der Mitteilung der Gewerkschaft weiter.

Auch in dieser Woche Warnstreiks - aber keine Schließungen

Der Senat habe immer noch nicht signalisiert, in Verhandlungen über die Forderungen der Gewerkschaft einzutreten, begründet Verdi diesen Schritt. Man sei "nicht länger bereit, dabei zuzusehen, wie die Kita-Krise durch den Senat ausgesessen wird", erklärt Ulrike Schulz, pädagogische Fachkraft in einem Kita-Eigenbetrieb.

In landeseigenen Kitas ist in den vergangenen Wochen mehrmals gestreikt worden, es kam immer wieder auch zu mehrtägigen Kita-Schließungen. In dieser Woche wurden von Verdi nur vereinzelte Fachkräfte zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen.

Äußerungen Verdis aus der Vorwoche waren von der Öffentlichkeit so verstanden worden, dass die Gewerkschaft in dieser Woche nicht erneut zum Warnstreik aufruft. Am Dienstag hieß es von Verdi, diese Aussage sei auf Schließungen bezogen gewesen. Auch im Sommer werde es keine streikbedingten Kita-Schließungen geben, fügte er hinzu. Die Möglichkeit kleinerer Arbeitsniederlegungen hält sich die Gewerkschaft damit offen.

Viele Eltern kritisieren das Vorgehen der Gewerkschaft

Verdi fordert einen entsprechenden Tarifvertrag, in dem unter anderem Regelungen zu Gruppengrößen und zum Ausgleich von Belastungen verankert werden sollen. Der Senat lehnt das mit Verweis auf die Mitgliedschaft Berlins in der Tarifgemeinschaft deutscher Länder ab.

Der Landeselternausschuss Kita kritisiert das Vorgehen der Gewerkschaft. "Die Streiks gehen zulasten der Kinder und ihrer Eltern", sagte Vorstand Guido Lange der Deutschen Presse-Agentur. Es könne nicht sein, dass das nun jede Woche so weitergehe.

Die Forderungen der Gewerkschaft seien verständlich, aber unrealistisch, was eine schnelle Umsetzung betrifft. "Man kann den Personalschlüssel ändern, aber die nötigen Erzieherinnen und Erzieher sind schlicht nicht vorhanden", so Lange. Und Entlastungsmaßnahmen mit dem vorhandenen Personal hätten nach seiner Einschätzung eher eine Verschlechterung der Betreuungsqualität zur Folge, etwa durch kürzere Öffnungszeiten von Kitas.

Staatssekretär: "Diese Streiks müssen jetzt enden!"

Am Dienstag hatte bereits der Staatssekretär für Jugend und Familie, Falko Liecke, gefordert: "Diese Streiks müssen jetzt enden. Sie verschärfen die Stimmung in unserer Stadt und verhindern konstruktive Lösungen für eine bessere Kita-Qualität". Umgekehrt wirft Verdi dem Senat vor, eine Lösung im Sinne der Beschäftigten, Eltern und Kinder zu blockieren.

Knapp zehn Prozent der rund 2.900 Kitas in Berlin gehören zu sogenannten kommunalen Eigenbetrieben. Dort betreuen rund 7.000 Erzieherinnen und Erzieher sowie weitere Beschäftigte etwa 35.000 Kinder. Die übrigen Einrichtungen werden von freien Trägern betrieben und aktuell nicht bestreikt. Insgesamt besuchen etwa 165.000 Kinder in der Hauptstadt Kitas.

Sendung: rbb24 Abendschau, 19.07.2024, 19:30 Uhr

62 Kommentare

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  1. 62.

    Elternschelte kommt in dieser Situation ja besonders gut an!! Damit vergrault man ja wohl eher noch die letzten wohl gesonnenen Eltern.

  2. 61.

    Aber müsste es nicht denen wehtun, die verantwortlich sind für diese miserable Situation? Und das sind weder die Eltern noch die Kinder, die es momentan trifft.

  3. 60.

    Da das Land Berlin der Tarifgemeinschaft der Länder angehört, darf der von der GEW geforderte Tarifvertrag nicht abgeschlossen werden. Das sollte der GEW bekannt sein.

    Es ist unsinnig, einen Tarifvertrag zu fordern, dessen Abschluss unzulässig ist. Würde der Senat den gewünschten Tarifvertrag abschließen, ist dieser ungültig.

  4. 59.

    Sie schreiben Unsinn, alle Politiker würden gern die Kitas mit Geld zuschei......, aber ist Geld begrenzt und es gibt viele Probleme und Sachen die auch wichtig sind und wo Geld benötigt werden . Sie können ja kritisieren das man Geld woanders kürzt um Kitas mehr zu geben aber ihr Vorwurf das DIE POLITIKER die KITAS nicht genügend unterstützen wollen ist antidemokratischer Schwachsinn.

  5. 58.

    Sie schreiben Unsinn, aber richtig bösartigen. 1. Der Senat kann und darf nicht verhandeln, haben sie es kapiert, langsam wird es mit dieser Gewerkschaft peinlich. 2. Jeder Politiker im Amt würde gern überall Geld verteilen und jedes Problem damit lösen auch weil er weiß das er dadurch gute Chance hat wiedergewählt zu werden. Aber komischerweise ist Geld begrenzt vorhanden und in Berlin, Brandenburg oder im Bund gibt es viele Probleme u. wichtige Sachen eo Geld benötigt wird.

  6. 57.

    Mensch toll, das freut mich für Sie!
    Aber wenn sie aus der sozialen Arbeit kommen wissen Sie ja, dass Ihre Lebenswelt nicht vergleichbar mit der anderer ist.
    Die Welt hat sich weitergedreht und entwickelt. Es gibt keinen vernünftigen Grund nicht für sich und seine Rechte einzustehen.
    Vielleicht ist ja genau die Haltung, die sie hier exemplarisch glorifizieren Schuld an der jetzigen Misere? In diesem Fall, herzlichen Dank

  7. 56.

    Merken könnten Sie, dass Sie sich selbst widersprechen - im monierten Fall sogar innnerhalb eines Satzes.

    Merken könnten Sie auch, dass Sie Die Gewerkschaften und meine Kollegen in bösartigerweiße schlecht reden und zwar an den Fakten vorbei. Und wenn ich Ihnen das Gefühl vielleicht sogar nochzugestehen würde - die Kontrafaktizität niemals.
    Sapere aude - auch wenn es schwer fällt. Wir sind ja schließlich nicht im Kindergarten...


  8. 55.

    Hm, ich hatte als Elternteil keine Freizeit u. bin auch nicht auf der wogke-ness -Welle geschwommen! Ich hatte Verantwortung für ein Kind. Und ich habe es nicht bereut.
    Denn auf Arbeit wurde mir auch nichts geschenkt! - Wie ich sehe, vertreten sie Balancen. Super. Wenn alle Balancen vertreten, wird bald gar nicht mehr gearbeitet. D heute!
    Aber gut, da sind die Welten/Sichten unterschiedlich. Ich kann von mir sagen, dass ich die mir anvertrauten Personen, zu keinem Zeitpunkt im Stich gelassen habe. UNd weil aus diesen jungen Menschen zu 2/3 wirklich 'etwas geworden ist', wie man so landläufig sagt, ist es mir so lieber: Ich kann es mit meinem humanen Gewissen vereinbaren - u. habe gleichzeitig gelernt, mit natürlich auch extrem ungerechter Bezahlung im sozialen Bereich (!)- ein heute anständiges Leben zu führen. Langjährige "Übung" schafft Erfahrungen/Wissen - u. mir geht es heute gut so. Arbeit im Ehrenamt, falls Sie das verstehen (wollen).

  9. 54.

    Verdi sollte doch erstmal klären. was genau bei den Kitas den von Verdi hier nicht näher spezifizierten Arbeitsaufwand beim Kita-Personal verursacht, mit dem dem Verdi seine Forderungen begründet.

  10. 53.

    Etwas in einen Tarifvertrag schreiben zu wollen, das dort nicht hineingehört, ist so clever, wie dort Schnee an Weihnachten zu fordern.
    Entweder will man in der Tarifgemeinschaft der Länder sein oder eben nicht. Jeweils mit ALLEN Konsequenzen.
    Die GEW hat Erfahrungen, was das Geiere nach sich zieht. Einfach 'mal nachfragen.

  11. 52.

    Kein Wunder, wenn das Personal geht, solange Eltern einen Freibrief für alles haben:
    keine Kernzeiten mehr, Beratungstermine werden nicht wahr- und die Hinweise der Profis (Therapien, häusliche Übungen) nicht angenommen, Kinder zu spät abgeholt etc.
    Wer hier als Eltern Wertschätzung für Erzieher*innen einfordert, sollte selbst dafür sorgen, dass pädagogische Einrichtungen von Elternseite nicht nur als Servicestellen wahrgenommen werden. Hier wird gern mit gespaltener Zunge gesprochen.

  12. 51.

    Ohne Streik keine Lösung, tut mir wirklich sehr leid!
    Geredet wurde genug, alle verantwortlichen Personen wissen Bescheid, niemand handelt.
    Dann muss es weh tun, dafür haben die Eltern des Grundgesetzes das Streikrecht im GG verankert!

  13. 50.

    Früher nannte man das etwas despektierlich Milchmädchenrechnung, was sie hier vormachen.
    Wer bekommt denn mehr Freizeit? Hier geht es nicht um reduzieren der Arbeitszeit (das könnte Thema bei den nächsten Tarifverhandlungen werden, die, und jetzt bitte, bitte gut aufpassen, A L L E Berufsgruppen im öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen betreffen, werden.)
    Mehr Personal durch einen bedarfsgerechten Betreuungsschlüssel würde die Arbeitsverdichtung erst einmal auf ein Normalmaß reduzieren und die zu leistende Arbeit auch in der vereinbarten Arbeitszeit zu leisten sein.
    Klar kostet das mehr Geld, aber bei den derzeit angestellten Erzieher:innen würde dies weder in Form von weniger Arbeitszeit noch von höheren Gehältern ankommen. Das stimmt so einfach nicht.

  14. 49.

    Der bundesweite Wettbewerb wird mir als Fachkraft mehr Möglichkeiten geben als heute, da mache ich mir keine Sorgen.
    Was glauben Sie, was in zwei Jahren los ist, wenn die Nachmittagsbetreuung in allen Bundesländern gesetzlich verankert ist?
    Ich habe dann ewig Erfahrung und kann mir aussuchen wo und zu welchen Bedingungen ich arbeiten möchte. Dann heißt es Ciao Berlin, viel Spaß noch beim Rumeiern. Nicht mehr mein Problem dann ;)

  15. 48.

    Es geht um mehr Freizeit (durch mehr Personal) oder eine höhere Vergütung. Letztendlich geht es damit um mehr Geld. Denn wenn jemand mehr Freizeit hat muss er auch bezahlt werden. Zusätzlich muss eine weitere Person bezahlt werden. Das heißt eine Verdoppelung der Kosten.

    Das hätte man doch im Dezember aushandeln können als sich beträchtlich mehr Geld in die Tasche zu stecken. Der Haushalt ist bereits knapp. Nun wird weiter Salz in die Wunde gestreut.

  16. 47.

    Super für Sie. Nun ich habe selbst Erfahrungen als Elternteil "auf der Bildungsstrecke", was allerdings nun auch schon Jahre zurückliegt. Und auch ich, wollte wie für Sie geschehen dem Kind das Beste an Wissen und Können mitgeben. Es waren nur 12 sehr belastende Jahre, wil ich mit der Kinderzeit überhaupt keine Probleme hatte (Orientierung auf umweltbildende Erziehung). Das war damals noch in den sog. Kinderschuhen und der Druck, sein Kind in irgendeine Einrichtung zu geben, war noch nicht so groß wie heute. Aber dann, in der Schulzeit.... da ging es dann richtig ab. Ja, und ich habe das mit Bravour durchgestanden, alleinerzehend, voll beruftsätig etc. Aber dann kurz vor dem Abitur holte das Leben zum Schicksalsschlag aus.
    Was ich meinte ist, dass den Eltern so oder so immer eine hohe Veranwortung zukommt, sonst kann mit Kind/Kindern nicht leben. Dann wird es seelenlos/herzlos u. Kind wird abgegeben... Also, trotzdem: Nicht streiken, sondern lösen!

  17. 46.

    Was nutzt Ihnen die qualifizierte Fachkraft, wenn der Schlüssel es gar nicht erst zulässt, mehr einzustellen? Da können Sie noch so viele Fachkräfte haben. Der Schlüssel wird vom Senat festgelegt und danach erfolgen die Einstellungen. Es spielt am Ende also gar keine Rolle wie viel Erzieher jedes Jahr abschließen, wenn der Schlüssel sich nicht ändert

  18. 45.

    Streiks bei vorhandenen Tarifvereinbarungen sollten generell verboten sein. Dass die Gewerkschaft hier versucht unerfüllbare Forderungen (es fehlen jetzt schon massiv Erzieher) durchzusetzen, zeugt nicht gerade von Intelligenz. Für Berlin zusätzlich noch eine Extrawurst zusätzlich zu einem vorhandenen Tarifvertrag zu fordern, ist eine bodenlose Frechheit und Beleidigung gegenüber den Kollegen im ganzen Land.

  19. 44.

    Eltern sind gegen den Streik? Ernsthaft...die Erzieher Innen streiken hier für bessere Rahmenbedingungen eurer Kinder...mehr Personal und dadurch bessere Bildung...liebe Eltern unterstützt doch lieber die Fachkräfte statt die Blockade des Senats.

  20. 43.

    Meine Tochter ist Erzieherin, ihre Cousine auch, kenne eine Menge in Berlin und hier haben in den Klassen der letzten Jahre keiner abgebrochen. Na sicherlich gehen Erzieher nicht nur in Kitas arbeiten, dafür sind genug Möglichkeiten offen. Ob Flüchtlingsbetreuung ( Kinder) , Hort, Frauenhäuser, Reha Kliniken, Gefängnisse, Mutter- Kind Unterkünfte, SOS Kinderdörfer, Heime ect. Keiner den ich kenne arbeite mehr im Kindergarten, da dort die Strukturen Miserabel sind, mitunter sogar unfähige Leitungen , was oft das Fass zum Überlaufen bringt. Tochter hat im Kindergarten sogar Überlastungsanzeige gestellt und dieses Problem ist gerade in Kitas weit verbreitet. Jeder gute Erzieher, sucht sich natürlich Stellen, wo es besser läuft ganz klar.

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