Legalisierung im April - Verstöße gegen Cannabis-Gesetz werden in Berlin später geahndet
In Berlin werden Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz bislang nicht geahndet. Die Polizei sammelt aber Verstöße für spätere Bußgeldbescheide. Ganz anders sieht es in Bayern aus. Von René Althammer
41 Ordnungswidrigkeiten wegen Kiffens in sogenannten "Konsumverbotszonen" hat die Berliner Polizei seit dem 1. April dieses Jahres aufgenommen. Hinzu kommen noch weitere 32 Ordnungswidrigkeiten wegen anderer Verstöße gegen das Konsumcannabisgesetz (KCanG), das am 1. April in Kraft trat. Das teilte die Polizei rbb24 Recherche auf Anfrage mit.
Die Polizeibeamten haben das neue Gesetz ernst genommen, auch wenn bislang, knapp sieben Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes, nicht geklärt war, wer die Ordnungswidrigkeits-Anzeigen eigentlich weiter bearbeiten soll. Auch einen Bußgeldkatalog, an dem es in den vergangenen sieben Monaten ebenso mangelte, gab es bislang nicht.
Kiffen nicht legal vor Schulen, Kitas, Sportstätten, Spielplätzen
Doch wer in Berlin in Sichtnähe von Kinderspielplätzen, öffentlichen Sportstätten oder Schulen und Kitas beim Kiffen erwischt wurde, sollte nicht darauf hoffen, dass er ungeschoren davonkommt. Die Verjährungszeit liegt bei bis zu drei Jahren, weil Verstöße gegen das KCanG mit Geldbußen von bis zu 30.000 Euro geahndet werden können. So steht es zumindest im Bundesgesetz.
Die Berliner Landesregierung hat also noch etwas Zeit – die Kiffer müssen etwas länger bangen. Und die Berliner Polizisten machen im Ernstfall wahrscheinlich einfach weiter wie bisher: Die Anzeigen werden bei den örtlich zuständigen Polizeidirektionen gesammelt, wie es seitens der Pressestelle heißt.
Neun Fälle in Brandenburg gemeldet
In Brandenburg ist die Umsetzung des Gesetzes dagegen schon länger klar geregelt: Neun Fälle wurden dem Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG) bislang von Polizei- und Ordnungsbehörden sowie Staatsanwaltschaften gemeldet.
Die Zuständigkeit des LAVG sei bereits Ende Juni geklärt worden, teilte das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz dem rbb mit.
Bundesweit scheint man sich bislang am wenigsten in Thüringen und Niedersachsen für die Umsetzung des KCanG zu interessieren, wie eine Umfrage von rbb24 Recherche ergab. Bislang, schreibt die Pressestelle des Landeskriminalamtes, "gibt es in Thüringen weder eine zuständige Verfolgungsbehörde noch einen gültigen Bußgeldkatalog" und auch keine Statistik.
Auch in Niedersachsen fehlt es bislang noch an einer "Zuständigkeitsverordnung". Dann sollen, wie bei anderen Ordnungswidrigkeiten auch, die Kommunen übernehmen. Der Entwurf solle "zeitnah in die Verbandsanhörung" kommen, schreibt das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung. Fallzahlen gibt es keine.
In Mecklenburg-Vorpommern fehlt nach Auskunft des Landeskriminalamts aktuell noch eine Landesverordnung "zur Durchführung des KCanG und der damit einhergehenden Regelung zur Festlegung der zuständigen Behörden zur Verfolgung und Ahndung". Aber Polizei und Ordnungsbehörden scheinen sich nicht daran zu stören. Die Polizei hat bislang 28 Anzeigen aufgenommen.
Berlin zählt bundesweitz zu "Spitzenreitern" bei Cannabis-Verstößen
In Bayern hingegen mit seinen gut 13,4 Millionen Einwohner gibt es 823 Anzeigen und klar geregelte Zuständigkeiten: "84,3 Prozent der erfassten Vorgänge sind bereits polizeilich abgeschlossen und wurden an die jeweilige Verfolgungsbehörde abgegeben", schreibt die Pressestelle. In allen anderen Bundesländern ist zumindest geklärt, wer zuständig ist: Polizei, Ordnungsbehörden der Kommunen oder die Landkreise.
Wie oft es bislang zu Verstößen kam, wird jedoch nicht überall komplett statistisch erfasst. Nach Bayern folgen im Ranking (absolut) Rheinland-Pfalz (76), Sachsen (65) und Hamburg (59). Berlin liegt mit den 77 Fällen also unter den Spitzenreitern. Die weiteren Länder, die auf die Anfrage von rbb24 Recherche Zahlen nannten, sind Sachsen-Anhalt (17 Fälle), Bremen (15) und das Saarland (8).
Berliner Bezirken fehlt Personal
Staatssekretärin Ellen Haußdörfer (SPD) machte am Dienstag auf der Senatspressekonferenz deutlich, wie es in Berlin jetzt weitergeht: Ordnungswidrigkeiten wie Kiffen in den Verbotszonen sollen durch die Bezirke verfolgt werden. Nach Aussage der Staatssekretärin seien die Bezirke schon jetzt dafür zuständig, allerdings solle es trotzdem noch eine weitere Rechtsverordnung geben, die eine "Klarstellung" und "eindeutige Zuordnung" enthalten soll.
Der rbb hat bei den Bezirken nachgefragt, ob sie sich den neuen Aufgaben gewachsen sehen. Die Antworten lassen vermuten, dass es mit der Umsetzung des Gesetzes noch ein wenig dauern wird.
Die einwohnerstärksten Bezirke Pankow (424.307 Einwohner) und Mitte (397.279 Einwohner) haben nahezu wortidentisch darauf hingewiesen, dass sie davon ausgehen, dass für "für neue und mehr Aufgaben auch mehr Personal" bereitgestellt wird. Alles andere würde bedeuten, dass "die Dienstkräfte des Ordnungsamtes nicht ausgelastet" wären und auf zusätzliche Aufgaben "warten" würden, schreiben die Pressestellen.
Friedrichshain-Kreuzberg verfügt nach eigener Aussage nicht "über geschultes Personal zur Überwachung der Regeln" und weist – wie auch Tempelhof-Schöneberg - auf fehlendes Personal hin. In Köpenick macht man allen, die sich nicht an die Regeln halten, Hoffnung: "Aufgrund der fehlenden Bereitstellung von zusätzlichen personellen Ressourcen … ist zu erwarten, dass die Verfolgung der Verstöße zum Konsumverbot keinen Schwerpunkt darstellen wird."
Fast unisono weisen die Bezirksämter auch darauf hin, dass die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege (SenWGP) zwar derzeit die Rechtsverordnung vorbereite und dazu in der Abstimmung mit der Senatskanzlei sei. "Eine Abstimmung mit dem Ordnungsamt" sei jedoch nicht erfolgt, bemängelt nicht nur Charlottenburg-Wilmersdorf. Aus Steglitz-Zehlendorf wird noch ergänzt, dass "Einstellung und Schulung" neuer Mitarbeiter nicht von einem auf den anderen Tag gehen würde. Man gehe davon aus, dass dies auch der Gesundheitsverwaltung und der Senatskanzlei klar sei und "für ein effizientes Verwaltungshandeln die entsprechenden Stellenprofile und Stellenbewertungen für das neue Personal direkt mit erarbeitet werden".
Ganz überraschend sind die Antworten wohl nicht, denn Staatssekretärin Haußdörfer wies während der Pressekonferenz auch darauf hin, dass man jetzt erstmal sehen müsste, wie hoch der Aufwand sei und wo man personell noch nachsteuern muss. Es kann also alles noch dauern. Die Berliner Polizisten sind darauf sicherlich eingestellt und können ihre Anzeigen ja wie gewohnt einfach weiter in den "Sammelboxen" der Direktionen ablegen.
Sendung: Fritz vom rbb, 29.10.2024, 10:30 Uhr