Zu schlechte Luft - Feinstaub-Grenzwert in Berlin überschritten
Die Feinstaub-Belastung in der Neuköllner Silbersteinstraße übertrifft den gesetzlichen Jahresgrenzwert. Am Samstag lag die Tagesbelastung zum 36. Mal in diesem Jahr über 50 Mikrogramm. Nun muss Berlin beim neuen Luftreinhalteplan reagieren.
Berlin kann auch Feinstaub: Die Neuköllner Silbersteinstraße hat am Wochenende als erste Messstelle deutschlandweit den Feinstaub-Jahresgrenzwert im Jahr 2018 überschritten. An mehr als 35 Tagen lag die durchschnittliche Tagesbelastung über 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft.
Diese Menge Feinstaub in der Luft gilt als Tagesgrenzwert zum Schutz der menschlichen Gesundheit. Pro Jahr darf der Grenzwert nicht öfter als 35 Mal überschritten werden. Zuletzt war die Feinstaub-Belastung in Berlin im Jahr 2015 in der Frankfurter Allee über dem Grenzwert.
Neben der Silbersteinstraße ist die Belastung aber auch an der Frankfurter Allee in Berlin-Friedrichshain sowie in der Neuköllner Karl-Marx-Straße bedenklich hoch. Die Messstellen belegen deutschlandweit die ersten drei Plätze mit der höchsten Belastung 2018. Unter den zehn am stärksten belasteten Orten liegt auch die Neuendorfer Straße in Brandenburg an der Havel mit bisher 22 Tagen über 50 Mikrogramm. Das zeigen vorläufige Zahlen der landeseigenen Messstellen, die das Umweltbundesamt [externer Link] veröffentlicht hat.
Schuld ist der Ostwind und das trockene Wetter
Die Schuldigen der Feinstaubmisere sind schnell ausgemacht: das Wetter und die östlichen Nachbarländer. "Bei Inversionswetterlagen ist der Luftaustausch stark eingeschränkt", sagte Ute Dauert, beim Umweltbundesamt verantwortlich für die Beurteilung der Luftqualität, bereits im Oktober zu rbb|24. "Das funktioniert dann wie unter einer Glocke, wo unten immer mehr Schadstoffe reinkommen, die nicht weggeweht werden können." Wenn es an grauen Berliner November Tagen ständig bewölkt ist, steht die Berliner Luft und reichert sich immer mehr mit Feinstaub aus dem Verkehr und Heizung an.
Auch Axel Friedrich, der Luftschadstoffexperte und Berater der Organisation Deutsche Umwelthilfe, pflichtet bei: "Das war ein meteorologischer Zufall. Wir hatten 2018 wenig Wind und viele Inversionswetterlagen." Besonders aus den östlichen Nachbarländern Tschechien und Polen weht schmutzige Luft in die Region.
Dass die Feinstaub-Belastung stark vom Wetter abhängt, zeigt auch der Blick auf die Verteilung der Tage mit hoher Belastung über 50 Mikrogramm (siehe Grafik oben). Neben einer Belastungsperiode im Februar und März, waren die Werte vor allem im Oktober und November zu hoch. Wenn es im Winter kalt ist, erhöht das Heizen mit Kohle und Holz die Belastung enorm.
Gegen den Trend
Die hohe Belastung mit Feinstaub in Berlin läuft klar gegen den Trend. In den vergangenen Jahren lagen in ganz Deutschland kontinuierlich immer weniger Messstellen über dem Grenzwert, wie die obenstehende Grafik des Umweltbundesamtes zeigt. Die Hauptgründe dieses Erfolges liegen in der Einführung von städtischen Umweltzonen sowie die fast flächendeckende Ausstattung von Diesel-Fahrzeugen mit Partikelfiltern. Im Jahr 2017 lag nur eine einzige Messstelle über dem Grenzwert: Stuttgart Neckartor.
Nun löst die Silbersteinstraße die Messstelle Am Neckartor in Stuttgart als größten Feinstaub-Moloch ab. Stuttgart liegt in einem Talkessel und verzeichnet sehr viele einpendelnde Autofahrer. Bei sogenannten Inversionswetterlagen im Winter, wenn obere Luftschichten wärmer sind als untere, gibt es kaum eine Durchmischung der Luft. Dann ruft die Stadt regelmäßig Feinstaubalarm aus [externer Link]. Die Tickets für Bus und Bahn sind dann günstiger und wer über eine andere Art der Heizung verfügt, darf keinen Kamin beheizen.
Keine Konsequenzen
Unmittelbare Konsequenzen hat das Überschreiten des Feinstaub-Grenzwertes nicht. Berlin muss nun - was das Land sowieso auf Grund des Stickoxid-Problems tut - seinen Luftreinhalteplan überarbeiten und die Europäische Kommission könnte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleiten.
Sendung: rbb24, 26.11.2018, 13 Uhr