Acht Straßen müssen gesperrt werden - Berliner Verwaltungsgericht ordnet Diesel-Fahrverbote an
Berlin muss an acht Straßen Fahrverbote für Diesel einführen. Dies hat das Verwaltungsgericht in der Hauptstadt am Dienstag entschieden. Außerdem muss der Senat an rund 60 weiteren Straßen Fahrverbote prüfen.
Berlin muss an acht Straßen ein Fahrverbot für Diesel einführen - und an insgesamt rund 60 weiteren Straßen Fahrverbote prüfen. Das hat das Berliner Verwaltungsgericht am Dienstag entschieden.
Betroffen sind die Leipziger Straße, die Reinhardtstraße, die Brückenstraße, die Friedrichstraße, der Kapweg, Alt-Moabit, die Stromstraße und die Leonorenstraße. Die Liste stimmt überein mit den hochbelasteten Straßen, an denen der Senat nach rbb-Recherchen Fahrverbote für "unausweichlich" hält.
Die Richter legten überdies fest, dass das Fahrverbot an den acht Straßen nicht nur für Diesel-Pkw bis hoch zur Euronorm 5 gelten muss, auch Diesel-Lkw bis einschließlich Euro 5 müssen dort ausgesperrt werden - sonst seien die Grenzwerte an diesen hochbelasteteten Straßen nicht einzuhalten. Diese Anordnung dürfte noch für viel Ärger bei Lieferdiensten und Speditionen sorgen. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig, Berufung ist möglich.
An diesen Straßen hat das Verwaltungsgericht Fahrverbote angeordnet:
Jeder sechste Autofahrer in der Hauptstadt betroffen
Auch Fahrverbote für Diesel der Normen Euro 6 a,b und c sind mit dem Urteil noch nicht vom Tisch - so zumindest die Einschätzung der Fachleute des Senats nach der Verhandlung. "Wir werden das weiter prüfen", erfuhr der rbb. Wie der rbb vorab berichtete, prüft der Senat solche Fahrverbote an besonders belasteten Straßen.
Das Land Berlin muss außerdem schnell handeln, entschieden die Richter: Bis Ende März 2019 müsse der Senat den neuen Luftreinhalteplan beschließen. Zwei bis drei Monate später - also zwischen Ende Mai und Ende Juni 2019 - sollen die Verbote dann in Kraft treten.
Das sind rund zwei Monate schneller als im senatsinternen Zeitplan, der dem rbb vorliegt, ursprünglich vorgesehen war. "Die Grenzwerte müssen eigentlich bereits seit dem Jahr 2010, also seit mehr als acht Jahren eingehalten werden. Deshalb muss der Senat nun so schnell wie möglich Abhilfe schaffen" begründete der Vorsitzende Richter diese Anordnung.
Von den Fahrverboten wären rund 220.000 Berliner Dieselfahrer betroffen, rund jeder sechste Autofahrer in der Hauptstadt.
Beide Seiten dürfen sich als Sieger fühlen
Vor der Urteilsverkündung hatten sich Gutachter des Klägers, der Deutschen Umwelthilfe (DUH), und Fachleute für Luftreinhaltung des Senats über Fachthemen wie der Wirksamkeit von Tempo 30 und Modellen zur Errechnung der Schadstoffbelastung gestritten. "Die Auffassungen beider Seiten hören sich sehr glaubhaft an," sagte der Vorsitzende Richter Marticke mehr als einmal.
Und so fiel dann auch das Urteil aus: Die Umwelthilfe darf sich als Sieger fühlen, weil der Senat zu acht streckenbezogebenen Fahrverboten verurteilt wurde - und sogar für mehr als jene 20 Straßen Fahrverbote prüfen muss, über die der rbb zuerst berichtet hatte. Die Richter beschlossen diese Verschärfung, weil das Computermodell des Senats die tatsächliche Belastung nach Auffassung der Richter tendenziell unterschätzt.
Und der Senat darf sich als teilweiser Sieger fühlen, weil die Richter den Hauptantrag der DUH abwies. Der hatte gelautet: Die gesamte Umweltzone müsse für Diesel-Pkw abgesperrt werden. "Selbst unter pessimistischen Annahmen ist ein Diesel-Fahrverbot für die gesamte Umweltzone nicht zwingend erforderlich", sagte Richter Marticke.
Berlins Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos/für Grüne) teilte mit, das Verwaltungsgericht habe "die Berliner Anstrengungen für eine bessere Luft gewürdigt. Sie haben dazu geführt, dass zonenbezogene Fahrverbote vom Gericht als nicht notwendig erachtet werden."
Fahrverbote könnten noch ausgeweitet werden
Kopfschmerzen könnte dem Senat allerdings bereiten, dass er nun an insgesamt 117 Streckenabschnitten Fahrverbote prüfen muss. Die Richter ließen durchblicken, dass es bei den hochbelasteten dieser Streckenabschnitte nicht bei einer Prüfung bleiben dürfe - wenn sich abzeichnet, dass die Grenzwerte anders nicht zu halten sind.
Wieviele dieser Straßen ab nächsten Sommer ebenfalls abgesperrt werden müssen, wird wohl erst im März nächsten Jahres feststehen.
Gerichtsurteil: Hier muss die Verwaltung Fahrverbote prüfen
Noch unklar, ob Berliner nun Hardware-Nachrüstungen bekommen
Das Urteil könnte auch bundespolitische Folgen haben. Verkehrssenatorin Günther hatte vorab gefordert, dass auch Berliner von den im Rahmen des Dieselkompromiss der Bundesregierung beschlossenen Hardware-Nachrüstungen profitieren müssen. Bislang ist das noch nicht vorgesehen. "Die Festlegung der 14 Intensivstädte ist willkürlich. 50 Städte, die die NOx-Grenzwerte nicht erreichen, werden damit allein gelassen", hatte ihr Sprecher Matthias Tang kritisiert.
Fürs Erste sendet die Bundesregierung jedenfalls keine Signale, dass Berlin auch mit dem zweifelhaften Titel "Intensivstadt" ausgezeichnet werden soll. "Erst nach der Bewertung der schriftlichen Urteilsbegründung wird Klarheit bestehen", antwortet der Pressesprecher des Bundesverkehrsministers auf Nachfrage. Das Bundesministerium empfiehlt dem Land Berlin gegen das Urteil zu berufen. "Die bisherigen regionalen Gerichtsurteile beruhen auf älteren Luftreinhalteplänen der Kommunen", heißt es in dem Statement. "Das Land sollte alle Möglichkeiten vor Gericht auf der Grundlage überarbeiteter Luftreinhaltepläne ausschöpfen."
Günther stellte hingegen nach dem Urteil fest: "Die Bundesregierung ist mit ihren wirkungslosen 'Dieselpaketen' auf ganzer Linie gescheitert. Es wäre Sache der Automobilindustrie, mit einer Hardwarenachrüstung der Dieselfahrzeuge für wirksamen Gesundheitsschutz zu sorgen und Fahrverbote zu verhindern."