Para-Radsport-Weltmeister Jäger - Mit Hightech aus Cottbus zu den Paralympics in Paris
Maximilian Jäger vom BPRSV Cottbus ist eine der Medaillenhoffnungen für die Paralympics 2024 in Paris. Mit Hilfe einer Entwicklung der BTU Cottbus-Senftenberg soll der Paracycler künftig noch besser werden. Von Thomas Juschus
Normalerweise ist das FES, das Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten, das technologische Zentrum für den deutschen Hochleistungssport. Auch für die Olympischen Spiele im Sommer in Paris gehen die Tüftler aus Berlin wieder mit einigen "Bausteinen für Olympiasiege" (so die Eigenwerbung) ins Rennen.
Maximilian Jäger vom Brandenburgischen Präventions- und Rehabilitations-Sportverein (BPRSV) Cottbus setzt dagegen für den weiteren Saisonverlauf und den Jahreshöhepunkt, die Paralympics in Paris, auf eine Entwicklung der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus-Senftenberg. Ein neues Carbon-Lenkermodell soll den 24-jährigen amtierenden Zeitfahr-Weltmeister im Paracycling der Startklasse T2 besser und schneller machen.
Von den Skiern aufs Tri-Bike
Jäger, der seit 2018 in Cottbus lebt und trainiert und derzeit an der Lausitzer Sportschule ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert, kam nach einem Schlaganfall im Mutterleib mit einer Halbseitenlähmung der linken Körperhälfte zur Welt. Der aus Unterfranken stammende Jäger trieb trotz seiner Beeinträchtigung von frühester Kindheit an Sport, nahm zunächst an nationalen Skiwettbewerben teil.
Als seine Wettkampf-Klasse gestrichen wurde, sattelte Jäger zum Radsport und auf das Tri-Bike um. Ein Problem seit Beginn an: Aufgrund seiner Hemiparese hat Jäger eine Armlängendifferenz und sitzt deshalb bisher schief auf seinem Renn-Dreirad - die verursacht ihm Beschwerden an Hüfte und Rücken. Und macht ihn natürlich auch nicht schneller.
Fehlhaltung sorgte für Beschwerden
Die Fehlhaltung Jägers bereitete nach und nach auch Heimtrainer Frederik Hähnel Sorgen. "Die Haltung war nicht mehr gesund", sagt der Lehrertrainer der Sportschule und wandte sich für eine Lösung an das CreativeOpenLab (COLab) der BTU Cottbus-Senftenberg. "Was wir brauchten, war ein individueller, auf Position und Körperhaltung von Maximilian angepassten Rennradlenker, der möglichst leicht und dennoch sicher und stabil ist", so Hähnel, "nur so haben wir die Chance, das Potenzial unseres Ausnahmesportlers bestmöglich zu nutzen."
Im März 2023 begann das ambitionierte Projekt, finanziert aus Forschungsgeldern der BTU. Zunächst wurde mit umfangreichen Tests und sportphysiologischen Untersuchungen die optimale Sitzposition für Maximilian Jäger ermittelt, um die Armlängendifferenz auszugleichen. Mit Hilfe modernster 3D-Drucktechnik entstand ein erster Prototyp. Mit Hilfe einer 5-Achs-Fräsmaschine wurde dann ein Negativ der Lenkerform in einen Aluminiumblock gefräst. Zu guter letzte wurde der aus Kohlenstofffasern bestehende Lenker in einer Art Ofen unter Druck "gebacken" und ausgehärtet.
Ein Jahr Entwicklungsarbeit für Lenker
Knapp ein Jahr später ist der neue Lenker jetzt fertig, Anfang Mai beim nächsten Para-Weltcup im belgischen Ostende soll das Hightech-Carbon-Stück seine Feuertaufe in einem Wettkampf geben. Der für die besonderen Anforderungen konzipierte Lenker markiert damit einen Meilenstein im Para-Radsport und bedeutenden Fortschritt in der individuellen Sportausrüstung.
"Der optimal angepasste Fahrradlenker ist ein sehr gutes Beispiel dafür, was heute im Leichtbau möglich ist", sagt Prof. Dr. Holger Seidlitz, der das Projekt an der BTU von wissenschaftlicher Seite begleitete. "Er ist das Ergebnis einer intensiven querschnittsübergreifenden Zusammenarbeit: Angefangen bei den sportphysiologischen Untersuchungen, der darauf aufbauenden Konstruktion und Auslegung des Leichtbaulenkers bis hin zur Fertigung der komplexen Geometrie inklusive des zerlegbaren Werkzeugkonzeptes mit anschließender Erprobung."
Jäger, der 2023 von der Deutschen Sporthilfe zum „Para-Juniorsportler des Jahres" gekürt wurde, zeigt sich nach den ersten Testfahrten begeistert vom neuen Lenker aus Kohlenstofffaser. Obwohl nicht mal ein Kilogramm schwer, bringt er die nötige Steifigkeit und vor allem höheren Komfort.
"Ich muss mich natürlich erst an den Lenker gewöhnen, habe aber ein gutes Gefühl. Er ist deutlich angenehmer für mich, ich habe keine Schmerzen mehr. Und aerodynamisch bringt er auch einen kleinen Vorteil", sagt Jäger, der beim Weltcup-Auftakt 2024 Mitte Januar in Adelaide/Australien das Straßen-Rennen gewinnen konnte - noch mit dem alten Lenker. Diese Ergebnisse will er bei den Weltcups im Mai bestätigen, um dann in Paris dabei zu sein. Und dort möglichst auch aufs Treppchen zu fahren.
Es gibt noch mehr Bedarf im Para-Sport
Ob die Zusammenarbeit zwischen BTU und dem Brandenburgischen Behinderten-Sportverband (BSB) über die Paralympics 2024 hinaus weiter gehen wird, ist offen. "Wir hätten da noch Sportler mit Bedarfen", sagt BSB-Sprecherin Luisa Wieczorke bei der Vorstellung und lobt die Kooperation. "Das Besondere ist, dass wir die Möglichkeit hatten, das so schnell und so kostengünstig umzusetzen. Das hatten wir als Verband ohne die BTU nicht leisten können", so Wieczorke.
Neben Maximilian Jäger trainieren mit Sportlerinnen und Sportlern wie Maike Hausberger, Jana Majunke oder Pierre Senska weitere WM-Medaillengewinner von 2023 am Bundesstützpunkt in Cottbus, die auch in Paris Edelmetall gewinnen könnten. Und auch im paralympischen Sport komme es immer mehr auf Details an - wie zum Beispiel den passenden Carbon-Lenker. "Wir im Para- Sport haben leider einen hohen Bedarf an individuellen Lösungen", sagt Frederik Hähnel und hofft auch in Zukunft auf das Cottbuser Netzwerk.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 26.1.2024, 19:30 Uhr