Ein Jahr vor dem Start in Paris - Wieso der Brandenburger Spitzensport zuversichtlich auf Olympia 2024 schaut
In einem Jahr beginnen die Olympischen Spiele 2024, gut einen Monat später die Paralympics. In Brandenburg dürfen sich knapp 60 Sportlerinnen und Sportler Hoffnungen auf ein Ticket für Paris machen. 15 Medaillen sind die Zielvorgabe. Von Thomas Juschus
Nach den Spielen ist vor den Spielen - dieser bekannte Ausspruch aus der Welt des olympischen Spitzensports gilt ein Jahr vor Beginn der Olympischen Spiele 2024 mehr denn je. "So ein Olympiazyklus geht immer rasend schnell vorbei", sagt Wilfried Lausch, Leiter des Olympiastützpunktes (OSP) Brandenburg. Seit mehr als 40 Jahren arbeitet der 65-Jährige für den Spitzensport im Land Brandenburg, seit 2009 als Leiter des OSP mit seinen drei Standorten in Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder).
Aufgrund der Verlegung der Olympischen Spiele in Tokio von 2020 in das Jahr 2021 verlief die Olympiade diesmal noch schneller. "Für uns steht Paris schon unmittelbar bevor", sagt Lausch 365 Tage vor dem Beginn der Spiele an der Seine am 26. Juli 2024 und holt einen Stapel mit Statistiken und Namens-Übersichten aus einer vorbereiteten Mappe.
Brandenburger OSP-Chef sieht gute Ausgangslage
"Ich bin zuversichtlich, dass wir als Brandenburg in Paris ein gutes Ergebnis erreichen können", sagt Lausch und blättert durch seine Papiere. Ein Jahr vor den Spielen sieht der Brandenburger OSP-Chef den Sport in der Mark in einer guten Ausgangslage. Allerdings: Noch ist fast völlig unklar, wie stark das Bundesland innerhalb der deutschen Mannschaft und damit in Frankreich überhaupt vertreten sein wird. Grund: Die internationalen Qualifikationswettkämpfe sind in vollem Gange und werden sich teilweise bis weit in das Frühjahr 2024 ziehen. Und auch national sind die Ausscheidungen längst nicht abgeschlossen.
Ein Beispiel aus dem Boxen: Erstmals nach Sebastian Köber aus Frankfurt (Oder) im Jahr 2004 in Athen könnte sich mit Nikita Putilov wieder ein Boxer qualifizieren. Der Superschwergewichtler gehört zu den großen Zukunftshoffnungen, hat Anfang des Jahres bei der U22-Europameisterschaft Silber gewonnen. Ausgerechnet in seiner Gewichtsklasse hat der 20-Jährige mit Nelwie Tiafack aus Köln aber den amtierenden Europameister vor sich. "Zwischen beiden wird es einen Ausscheid geben. Danach hat der Sieger die Chance, bei internationalen Turnieren einen Quotenplatz für Deutschland zu holen", beschreibt Willi Lausch den beschwerlichen Weg zu den Spielen.
Olympia-Qualifikation läuft bis ins Frühjahr 2024
Das Beispiel Nikita Putilov beschreibt grundsätzlich aber eine positive Entwicklung im Sportland Brandenburg. Neben den traditionell starken Sportarten wie Kanurennsport, Radsport und Parasport haben sich auch in die anderen Disziplinen wieder Talente in die nationale Spitze vorgearbeitet. "In allen Schwerpunktsportarten haben wir diesmal Sportler:innen, die im erweiterten Kreis sind und um die Olympia-Qualifikation kämpfen - das hat es lange so nicht mehr gegeben", freut sich Lausch.
In Tokio gab es keine Teilnehmer aus Brandenburg im Boxen, Ringen, Gewichtheben, Judo und im Turnen. Im vor einigen Wochen von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) berufenen "Team Paris - Land Brandenburg" sind dagegen auch in diesen Sportarten Kandidat:innen für Paris 2024 dabei, wie beispielsweise Ringerin Francy Rädelt aus Frankfurt (Oder) oder Geräteturner Lucas Kochan aus Cottbus.
Zusammen 57 Sportlerinnen und Sportler aus olympischer und paralympischer Welt stehen im Team Paris und dürfen sich Hoffnungen auf ein Ticket machen: aus Boxen, Geräteturnen, Gewichtheben, Judo, Kanurennsport, Leichtathletik, Moderner Fünfkampf, Radsport, Rhythmische Sportgymnastik, Ringen, Rudern, Schwimmen, Sportschießen, Trampolinspringen, Triathlon und Behindertensport (mit Radsport, Leichtathletik und Schwimmen). Nur die Spielsportarten Fußball, Handball, Volleyball und Wasserball sind nicht vertreten, was dem Leistungsstand dieser Sportarten im nationalen Vergleich geschuldet ist.
2021: 36 Sportler:innen erkämpfen 15 Medaillen
Vor drei Jahren qualifizierten sich 36 Sportler:innen aus Brandenburg: 25 für Olympia (acht Sportarten) und elf für die Paralympics (drei Sportarten). Um die 30 Athlet:innen sollen auch in einem Jahr bei Olympia und Paralympics (ab 28. August) den Sprung aus dem "Team Paris - Land Brandenburg" in das "Team D" schaffen. "Das wäre wieder eine gute Quote", sagt Willi Lausch. Das Medaillenziel ist bereits vor Abschluss der Qualifikation klar definiert: "Wir wollen das Ergebnis von 2021 wiederholen", sagt Lausch, "wir wollen 15 Medaillen erreichen, darunter zusammen drei olympische oder paralympische Goldmedaiilen."
2021 gewann Brandenburger Athletinnen und Athleten zusammen 15 Medaillen in Japan. Fünf Medaillen (1-3-1) standen nach den Olympischen Spielen zu Buche. Die Potsdamer Kanurennsportler Ronald Rauhe und Max Lemke holten Gold im K4 über 500 Meter. Silbermedaillen brachten Kanute Jacob Schopf (Potsdam/K2 1000 m), Leichtathletin Kristin Pudenz (Potsdam/Diskus) und Radsportlerin Emma Hinze (Cottbus/Teamsprint) mit nach Hause. Eine Bronzemedaille brachte Kanute Sebastian Brendel (Potsdam/C2 1000 m) mit. Dazu gab es 14 weitere Platzierungen zwischen den Rängen vier und acht, die für die spätere Abrechnung ebenfalls eine Bedeutung haben.
Überragend war das Abschneiden einige Wochen später bei den Paralympics. Zehn Medaillen (2-2-6) gingen hier auf das Brandenburger Konto, alle gewonnen von Sportler:innen des Brandenburgischen Präventions- und Rehabilitationssportvereins (BPRSV) in Cottbus. "Der Weg zum Ruhm führt über Cottbus", schrieb damals die "Sportschau".
Brandenburg glänzt bei den Paralympics
Herausragend hier: Radsportlerin Jana Majunke mit Gold im Einzelzeitfahren und Straßenrennen. Radsportlerin Angelika Dreock-Käser (Silber, Bronze), Leichtathletin Frances Herrmann (Speer), Schwimmerin Verena Schott (dreimal Bronze) sowie die Radsportlerinnen Denise Schindler und Kerstin Brachtendorf mit je einmal Bronze sorgten für eine zuvor nie dagewesene Bilanz. Acht weitere Top-acht-Ergebnisse rundeten den starken Auftritt ab.
"Die Verantwortlichen im Parasport machen in Brandenburg eine ausgezeichnete Arbeit. Unser Ergebnis in Tokio war außergewöhnlich. Ob sich das Ergebnis sich so wiederholen oder sogar verbessern lässt, muss man abwarten", sagt Willi Lausch. Die Rahmenbedingungen seien in jüngster Vergangenheit weiter verbessert worden und werden auch in Zukunft mit Mitteln aus dem Strukturstärkungsgesetz ausgebaut. Beispielsweise wurden beim Schwimmen in Potsdam neue Trainerstellen geschaffen; in Cottbus sollen Gelder den barrierefreien Ausbau des Sportzentrums und die Errichtung eines modernen Diagnose-Zentrums für Radsport und Para-Radsport fließen.
Große Hoffnungen im Kanu, Radsport und Para-Sport
Neben dem Para-Sport sollen in Paris 2024 vor allem die Bahnradsportler aus Cottbus und die Potsdamer Kanuten für Medaillenglanz sorgen. Die Weltmeisterschaften Anfang August in Glasgow werden für Lea Sophie Friedrich, Emma Hinze, Pauline Grabosch oder Roger Kluge ein weiterer wichtiger Gradmesser über den Leistungsstand ein Jahr vor den Spielen. Die Kanuten haben Ende August im Sportpark Duisburg sogar eine Heim-WM.
"Beide Sportfachverbände bestimmen das Weltniveau mit. Kanu und Radsport sind in der Vergangenheit am leistungsstärksten aufgetreten, auch bei den letzten Höhepunkten. Natürlich erhoffen wir uns auch bei Olympia Medaillen", sagt Lausch. "Wir haben aber auch gute Entwicklungen im Land bei der Leichtathletik - oder zuletzt hat Laura Lindemann bei der Triathlon-WM in Hamburg geglänzt", ergänzt der 65-Jährige. Bis Lindemann, Friedrich & Co. bei Olympia glänzen können, dauert es aber noch ein Jahr - und bis dahin gilt es, für die Olympia-Kandidat:innen aus dem Land Brandenburg optimale Rahmenbedingungen in Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder) vorzuhalten.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.07.2023, 12:15 Uhr