Para-Leichtathletin Friederike Brose - "Wenn ich beim Sport bin, bin ich ein anderer Mensch"
Die Sprembergerin Friederike Brose ist gerade einmal 16 Jahre alt. Trotzdem hat sie bei der Para-WM einen starken vierten Platz im Weitsprung errungen. Wie sie das gefeiert hat und warum trotzdem noch Luft nach oben ist, erzählt sie im Interview.
rbb|24: Friederike Brose, direkt nachdem Sie mit gerade einmal 16 Jahren einen starken vierten Platz im Weitsprung-Wettbewerb bei der Para-WM in Paris errungen haben, haben Sie in die ARD-Kameras gestrahlt und gesagt: "So happy wie jetzt bin ich selten". Wie sieht es einen Tag später aus?
Friederike Brose: Ich freue mich einfach immer noch wie Sau. Ich kann es immer noch nicht glauben. Es hat übelst Spaß gemacht.
Kann man nach so einem Wettkampf eigentlich überhaupt abschalten?
Friederike Brose: Ich habe lange gebraucht, um einzuschlafen. Das kenne ich von mir eigentlich nicht so.
Und davor haben Sie Paris unsicher gemacht?
Friederike Brose: Das nun nicht. Wir haben uns mit meinen Eltern, Freunden und meiner Trainerin zusammengesetzt und gequatscht.
Ihre Teamkollegin Nele Moos, die vor Ihnen auf Platz drei gelandet ist, hat mit einem Stück Schokolade geliebäugelt. War bei Ihnen nicht mal das drin?
Friederike Brose: Naja, wir haben ein Glas Sekt getrunken.
Sie haben nach dem Wettkampf auch gesagt, dass Sie sich "einfach wohlgefühlt" hätten aber auch, dass Ihre "Anspannung langsam abfällt". Klingt nach einem Widerspruch.
Friederike Brose: Ich war überhaupt nicht nervös. Aber eine Anspannung war trotzdem da. Kein Herzpochen. Aber nach dem Wettkampf habe ich gespürt, dass ich jetzt runterfahren kann.
Wir können hier zugleich auch mit Ihrer Trainerin sprechen. Yuliya Schoch, wie schauen Sie denn auf den Wettkampf?
Yuliya Schoch: Das Gute ist, dass nicht alles optimal lief. Friederike hat Dinge, an denen wir gearbeitet hatten, umsetzen können. Da hatten wir schon deutlich schlechtere Wettkämpfe gehabt. Aber es war kein optimaler Wettkampf. Da ist noch Luft nach oben. Das macht mir Hoffnung für die Zukunft. Aber umso schöner ist es, dass es gereicht hat, eine so tolle Leistung zu erbringen.
Was kann denn noch besser laufen?
Yuliya Schoch: Wir hatten am Ende Schwierigkeiten mit dem Anlauf. Das kann sie auch deutlich besser. Das werden wir auch für die neue Saison angehen, dass wir das verbessern und stabilisieren. So dass wir da nicht immer im Wettkampf korrigieren müssen, sondern dass der wirklich sitzt.
Mental scheint hingegen alles zu passen. Frau Brose, man hatte nicht den Eindruck, dass Sie von der Größe der Aufgabe überfordert gewesen sind.
Friederike Brose: Ich bin ein Wettkampf-Typ, voll. Ich liebe das. Das macht mir richtig Spaß.
Yuliya Schoch: Sie ist definitiv eine richtige Wettkampf-Sau. Sie kann auch im Training sehr gute Sachen bringen. Aber es ist eine Leistung für sich, das auch im Wettkampf umsetzen zu können. Gerade auch im letzten Versuch beim Weitsprung. Das zeigt sehr viel Nervenstärke.
Im kommenden Jahr geht es, eine gelungene Qualifikation vorausgesetzt, wieder nach Paris, zu den Paralympischen Spielen. Dank Ihres vierten Platzes hat der deutsche Verband nun immerhin schonmal einen Startplatz mehr. Sollte alles klappen, wie sehen dann Ihre Ziele aus?
Friederike Brose: Ich will nicht einfach nur dabei sein. Ich erhoffe mir schon eine gute Platzierung.
Das geht nur über reichlich Training. Wie intensiv ist das derzeit?
Friederike Brose: Ich gehe auf die Lausitzer Sportschule Cottbus, da habe ich jeden Vormittag Training. Dann noch zwei Mal die Woche Nachmittags.
Klingt nach einer Knochenmühle.
Friederike Brose: Wenn ich beim Sport bin, bin ich ein anderer Mensch. Mir geht da so das Herz auf. Es gibt ganz, ganz wenig Tage, an denen ich nicht gern zum Training gehe.
Kann die Trainerin das bestätigen?
Yuliya Schoch: Wir haben mittlerweile so eine tolle Trainingsgruppe. Da geht auch mir als Trainerin das Herz aufgeht. Die pushen sich gegenseitig. Und wenn einer mal ein Tief hat, dann wird der mitgezogen. Die passen auch auf mich auf. Wir sind ein eingespieltes Team. Und das hilft dann auch durch die schweren Tage.
Friederike startet in der Startklasse T38. Erklären Sie doch bitte, was das bedeutet.
Yuliya Schoch: Die Klasse ist bezogen auf cerebrale Einschränkungen. In diesem Fall auf eine ganz leichte. Friederike zum Beispiel hat eine Halbseiten-Spastik, die aber nur schwach ausgeprägt ist. Das gibt es auch in deutlich stärkerer Form.
Die Halbseiten-Spastik war schon immer da?
Yuliya Schoch: Von Geburt an. Das war einfach da und ist dann beim Kinderarzt und Neurologen festgestellt worden. Das ist aber auch eines der Probleme beim Para-Sport. Wenn jemandem ein Bein oder Arm fehlt, ist offensichtlich, dass da eine Einschränkung vorliegt. Aber dann gibt es aber auch viele, die unentdeckt bleiben. Bei denen die Ärzte sagen: Es liegt ja keine große Einschränkung vor. Da sage ich: Das ist richtig. Aber es ist ein potenzieller Para-Sportler.
Weshalb viele gar nicht beim Para-Sport landen?
Yuliya Schoch: Das ist die Erfahrung, die ich an Schulen gesammelt habe. Dass ich zu Lehrern sagen: Schaut mal, diese und diese Kinder, die sind ein bisschen auffällig. Gibt es da irgendwelche Befunde? Dann sagen die Lehrer: Warum denn, der läuft doch nur komisch? Dann sage ich: Genau!
Wann sind Sie denn zum Para-Sport gekommen, Frau Brose?
Friederike Brose: Tatsächlich erst mit dem Wechsel auf die Sportschule vor vier Jahren. Das war auch eher Zufall, weil ein anderes Elternpaar nach dem Para-Sport gefragt hat. Da sind meine Eltern hellhörig geworden. Damit hat es angefangen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ilja Behnisch.
Sendung: rbb24 Inforadio, 14.07.2023, 19:15 Uhr