Neuer Trainer Cristian Fiél - Hertha geht ins Risiko für eine offensive Spielweise

Mi 05.06.24 | 19:37 Uhr
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Cristian Fiél
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Video: DER TAG | 05.06.2024 | Christian Dexne | Bild: IMAGO/Steinsiek.ch

Cristian Fiél wird der neue Hertha-Trainer. Der Ex-Nürnberger hat nicht weniger als den Bundesliga-Aufstieg als Auftrag – und die Berliner Verantwortlichen müssen beweisen, dass die Trennung von Pal Dardai die richtige Entscheidung war. Von Marc Schwitzky

"Wir sind im Trainerstab sehr zufrieden mit der Saison. Wie die Führung das sieht, ist wieder eine andere Sache. Da sind vielleicht Differenzen. Aber ich sehe das so und halte dafür auch meinen Kopf hin." Mit diesen Worten offenbarte Pal Dardai vor ein paar Wochen die inhaltlichen Differenzen zwischen Trainerteam und Vereinsführung darin, wie die Saison 2023/24 von Hertha BSC zu bewerten ist – und warum der Vertrag von Dardai nicht verlängert wurde.

Nun soll Cristian Fiél als Nachfolger von Dardai deutlich mehr aus den "Blau-Weißen" herausholen – und in allerspätestens zwei Jahren zum Aufstieg bringen. Hertha soll sich dessen Dienste laut Medienberichten eine mittlere sechsstellige Ablösesumme kosten lassen, die an den 1. FC Nürnberg geht.

Wer ist Cristian Fiél?

Dort verbrachte der 44-Jährige seine letzten drei Berufsjahre – erst als Coach der zweiten Mannschaft, dann als Co-Trainer unter Dieter Hecking und 2023/24 als alleiniger Cheftrainer bei den Franken. Cristian Ramon Fiél Casanova, wie er mit ganzem Namen heißt, war vor seiner Trainerlaufbahn auch als Spieler im Profifußball aktiv: Von 1999 bis 2015 spielte er bei den Stuttgarter Kickers, Union Berlin, dem VfL Bochum, Alemannia Aachen und Dynamo Dresden – große Traditionsvereine kennt er somit bestens.

Folgend hatte der gebürtige Esslinger wichtige Trainererfahrungen im Jugendbereich gemacht. Nach seiner aktiven Karriere blieb er als Jugendtrainer in Dresden. Fiél galt als große Zukunftshoffnung, wurde deshalb sehr aktiv auf seinem Karriereweg gefördert. 2019 wurde er in Dresden erstmals Profi-Cheftrainer, schaffte den zuvor gefährdeten Klassenerhalt, wurde nach 15 Spieltagen der neuen Saison jedoch gefeuert. Damals machte sich Sportdirektor Ralf Minge große Vorwürfe, den noch 38-jährigen Fiél zu früh ins Wasser geworfen zu haben. Die Trennung sei ihm alles andere als leicht gefallen. Minge bezeichnete Fiél als "eines der größten Trainertalente überhaupt", das seinen Weg noch gehen würde.

Opfer der Umstände in Nürnberg

2023 ging jener Weg in Nürnberg weiter - Fiél wurde das Amt des Cheftrainers anvertraut. Die Hinrunde unter dem Deutsch-Spanier lief überraschend gut, Nürnberg sammelte 24 Punkte – nur einen weniger als Hertha. In jenem halben Jahr konnte sich Fiél im Profi-Geschäft deutlich profilieren, indem er mutigen Offensivfußball mit vielen jungen Talenten spielen ließ und so unter anderem Hertha bei beim 3:1-Hinrundensieg überrollte. So hauchte er einem Verein, der in den Jahren zuvor äußerst grauen Zweitligafußball spielte und stets gegen den Abstieg kämpfte, neues Leben ein.

Aus den Nürnberger Mannschaftskreisen heißt es gegenüber rbb|24 allerdings, dass die Mannschaft in der Hinrunde – durch Fiéls Arbeit – deutlich über ihren Möglichkeiten gespielt habe. So kam der Einbruch in der Rückrunde kaum überraschend. Internen Einschätzungen zufolge war vor allem die Kaderplanung Schuld, denn schon früh wurde einigen Profis mitgeteilt, dass sie den Verein verlassen müssen, andere hatten sich schon mit Abnehmern geeinigt. So brach der Teamgeist auseinander, die entscheidenden Prozentpunkte fehlten auf dem Platz – und von der guten Hinrunde blieb wenig übrig. Der Leidtragende: Cristian Fiél, der fachlich wie menschlich überaus geschätzt wurde. Nürnberg rettete sich gerade so vor dem Abstieg – eine, blickt man nur auf die Endtabelle, dürftige Saison.

Fiéls Philosophie könnte zu Hertha passen

Ein weiterer Grund dafür, dass Nürnbergs Stern in der vergangenen Saison nur kurz auf- und umso tiefer unterging, war, dass der Kader nicht auf Fiéls Philosophie abgestimmt war. "Man könnte es darauf runterbrechen, dass ich lieber 4:3 gewinne als 0:0 spiele. Ich bin jemand, der offensiv denkt, weiß aber auch genau, dass du ganz große Probleme kriegst, wenn du defensiv nicht gut arbeitest. Deshalb wollen wir nach Ballverlusten den Ball möglichst schnell wieder haben, um den Gegner vom letzten Drittel fernzuhalten", fasste er seine taktischen Überzeugungen zum Amtsantritt in Nürnberg zusammen. Dafür fehlten beim "Club" nahezu alle Zutaten.

Für seinen dominanten Offensivfußball benötigt der 44-Jährige beispielsweise einen technisch beschlagenen Torhüter und aufbaustarke Innenverteidiger, da das Spiel durch kurze Flachpässe eröffnet wird – etwas, das wiederum zu Hertha-Akteuren wie Tjark Ernst, Marton Dardai oder Pascal Klemens passt. In seinem 4-3-3 legt Fiél großen Wert auf technisch feinen Aufbau durch das Zentrum, der den Gegner lockt, um dann gut geplant die offensiven Flügelspieler für Dribblings oder Flanken in der Tiefe und einen Zielspieler im Sturmzentrum einzubinden – auch hierfür hat Hertha mit Spielern wie Fabian Reese oder Haris Tabakovic passende Puzzleteile, die Fiél in Nürnberg fehlten.

Taktisch kompromisslos - in Nürnberg klappte das nicht

Auch einrückende Außenverteidiger wie Michal Karbownik oder Jeremy Dudziak sind ganz nach Fiéls Geschmack. Beide kamen im vergangenen Sommer unter Sportdirektor Benjamin Weber, der auch mit aktuellen Neuverpflichtungen wie Kevin Sessa beweisen will, dass er und Neu-Trainer Fiél fußballerisch dieselbe Sprache sprechen – etwas, das mit Vorgänger Dardai mitnichten der Fall war. Der Ungar und die Mannschaft fanden fußballerisch-taktisch nur selten zueinander, was zu fehlender Konstanz führte.

Fiél will seine offensive Idee von Fußball unter allen Umständen umsetzen, dafür arbeitet er äußerst akribisch, fast schon besessen. "Jemand aus dem Klub sagte letztens zu mir: 'Hey, du musst mal etwas finden, was nichts mit Fußball zu tun hat.' Und ja, er hat Recht", verriet er vor ein paar Monaten lachend. Ohnehin gilt Fiél als sehr emotionaler Mensch, der seine Spieler nicht nur fachlich sondern auch am Herzen packt. Seine absolute Überzeugung von seinem Fußball kann jedoch auch zu einer gewissen Sturheit führen, sodass manchen Auftritten seiner Teams eine pragmatische Balance fehlt – auch deshalb kassierte Nürnberg in der vergangenen Saison die insgesamt zweitmeisten Gegentore aller Zweitligisten.

Zwischen Skepsis und Hoffnung

Ein nüchterner Blick auf Fiéls bisherige Laufbahn kann verständlicherweise Skepsis hervorrufen. Weder bei Dresden noch bei Nürnberg ist dem 44-Jährigen ein durchschlagender Erfolg gelungen – und für so jemanden zahlt Hertha nun sogar eine Ablösesumme, weshalb? Weil Fiéls klare Ideen vom Fußball schablonenhaft auf die der Berliner Verantwortlichen passen und dessen fachliche Arbeit sowohl bei Dynamo als auch im Frankenland sehr geschätzt wurde. Oft ist ein Trainer auch mehr als die reine Punkteausbeute, die von so vielen Faktoren abhängig ist.

Das von Fiél favorisierte 4-3-3 passt nicht nur bestens zu Herthas Profi-Kader, sondern wird auch von allen Jugendteams im Klub gespielt, sodass eine Einbindung der Eigengewächse möglichst niedrigschwellig gestaltet werden kann. Ohnehin gilt er als ein Trainer, der Jugendspielern großes Vertrauen schenkt und somit zum eingeschlagenen "Berliner Weg" passt. Mit seiner emotionalen Art kann Fiél einen Traditionsverein und dessen Fans mitreißen, mit seinem mutigen Fußball ohnehin.

Skepsis ist aufgrund der noch kurzen Trainervita Fiéls nicht nur erlaubt, sondern auch notwendig. Und doch lässt sich nicht von der Hand weisen, dass die "Alte Dame" hier einen Kandidaten gefunden hat, mit dem aufgrund vieler Faktoren eine gute Symbiose absolut vorstellbar ist. Fiél ist ein Risiko, andere für Hertha erreichbare Trainer wären es aber auch gewesen – und das Festhalten an Pal Dardai ebenso.

Sendung: DER TAG, 05.06.2024, 19:15 Uhr

13 Kommentare

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  1. 13.

    Der Aufstiegsdruck scheint selbstauferlegt, denn die Zuschauerzahlen sind zufriedensstellend und der "Berrliner Weg" ist kostengünstig.
    Wenn Hertha sich nicht mal mehr die 2.Liga leisten kann, sollte sie Insolvenz anmelden und ganz ohne Zeitdruck dann eben wieder von unten anfangen

  2. 12.

    Zitat: "Es gibt keinen Druck möglichst schnell in die 1.Liga zurückzukehren..."

    Aber natürlich gibt es seitens der Clubführung den "Druck" schnellstmöglich in die 1. Bl. aufzusteigen, was auch recht klar kommuniziert wurde. Denn nur dort winken bspw. die sehr viel höheren TV-Gelder, die sich für HBSC dann weit mehr als verdoppeln dürften. Wie die Fans zum Thema stehen ist eine völlig andere Sache und weniger maßgebend, da diese nicht den Rechenschieber für den finanziell angeschlagenen Club bedienen müssen, Anna.

    Aber klar, man sollte seine Erwartungen angesichts der großen Konkurrenz nicht allzu hoch hängen. Düsseldorf und der HSV sind wohl DIE Aufstiegsaspiranten und dahinter werden sich eine Handvoll Kandidaten balgen, zu denen auch Hertha gehören könnte.

  3. 11.

    Klasse zu erlangen und zu festigen ist ein Prozess und der nächste Aufstieg sollte nachhaltig sein.

    Mit Fiel aufsteigen zu wollen ist ein gewagtes Experiment, denn Aufstiege können nicht über Nacht am "Reißbrett" beschlossen werden und seine Vita läßt nicht darauf schliessen, daß es mit ihm um den Aufstieg gehen kann.

    Es gibt keinen Druck möglichst schnell in die 1.Liga zurückzukehren, denn
    Hertha spielt in der 2.Liga gegen namhafte Clubs und die Zuschauer honorieren das mit ihrer Unterstützung.

    Wenn Fabian Reese, die tragende Rolle der letzten Saison nicht gehalten werden kann und lieber in der 1.BL spielen will, könnte es reichlich um den Abstieg gehen.

    Der "Saison-Lackmustest" wartet mit Hansa in Rostock in der ersten Runde des DFB-Pokals.

  4. 10.

    Und wenn das 4-3-3 mal nicht passt? Mir scheint die Fokussierung auf ein Spielsystem etwas dürftig und leicht ausrechenbar. Wenn gute Verteidiger die Herren Reese und Tabokovic abmelden, passiert offensiv auch nicht mehr allzu viel. Da sollte es mehr Spielideen und Flexibilität geben, um auf jeweilige Spielverläufe reagieren zu können. Dafür müssen vorallem Fitness, Wille, Einsatz und Leidenschaft der Mannschaft stimmen.

  5. 9.

    Unterm Strich eine gute Verpflichtung, vor allem wenn man bedenkt welche Gelder in der Vergangenheit sinnlos verbrannt worden sind.

  6. 8.

    Ehemalige Unioner als Trainer bei Hertha haben ja mittlerweile Tradition.

    Auch eine Variante des Berliner Weges...

  7. 7.

    Hahaha, jetzt zeigen einige hier, daß sie noch rechnen können und nicht digital dement sind. Mensch, das ist ne Allegorie.
    Hätte jedenfalls tausend Jahre Kohlen schleppen müssen, für das Geld - jetzt besser? Vom Inhalt her bleib ich dabei, manchmal sind das Perlen vor die Säue!

  8. 6.

    Was ist das für eine Aussage "spätestens in 2 Jahren den Aufstieg. Hier mal die Ansage von Herrich, nächstes Jahr aufsteigen ist ein muss sonst gibt es finanziell Probleme. Spärest in 2 Jahren aufsteigen da hätte man Dardai behalten können.

  9. 5.

    Dauerkarten angehoben, Kombiticket, Öffentliche zum Spiel gibt es nicht mehr es soll gespart werden, aber Ablöse für Trainer.

  10. 4.

    2500,-€ Jahresgehalt??? Da haste irgendwas falsch gemacht….

  11. 1.

    Ne halbe Million! Dafür hätte ich 200 Jahre arbeiten müssen! Gehts noch?

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