Tagung in Senftenberg - Fachleute sehen Crystal Meth eher als lokales Problem
Crystal Meth sieht so harmlos aus wie Kandiszucker - kann das Gehirn aber in kürzester Zeit schwer schädigen. Auf einer Fachtagung in Senftenberg haben Experten nun Erfahrungen ausgetauscht. Von Anja Kabisch
Sozialarbeiter, Ärzte, Mitarbeiter von Jugendamt und Beratungsstellen sind am Montag in Senftenberg (Oberspreewald-Lausitz) zum Erfahrungsaustausch über Crystal Meth zusammengekommen. Die erste positive Erkenntnis: Die gefähliche Droge hat bislang nicht wie befürchtet das ganze Land überschwemmt.
Fehlende Händlerstrukturen im Norden
"Crystal überschwemmt Brandenburg" oder "Todesdroge überschwemmt die Lausitz": So lauteten in den vergangenen Jahren immer wieder die Schlagzeilen. Die Angst vor der synthetischen Droge und ihrer raschen Ausbreitung war groß. Doch die Befürchtungen sind bislang nicht eingetreten, resümiert Andrea Hardeling von der Brandenburgischen Landesstelle für Suchtfragen. Sie sagt, dass Crystal Meth noch immer eher ein lokales Problem sei. "Es wird deutlich, dass nach wie vor der Süden und Südosten des Landes Brandenburg am meisten betroffen ist."
In den Kreisen Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz kommen demnach die meisten zu den Suchtberatungsstellen. "Glücklicherweise zeigt es sich aus unserer Perspektive im Moment noch so, dass der Norden in Brandenburg kaum betroffen ist", so Hardeling. Die Fachleute vermuten fehlende Händlerstrukturen dahinter.
Vor allem betroffene Kinder leiden
Die aktuelle Situation ist stabil, allerdings auf einem hohen Niveau, bestätigt auch Stephan Hermann vom Jugendamt des Landkreises Oberspreewald Lausitz. Derzeit werden 80 Kinder und Jugendliche wegen des Crystal-Meth-Konsums ihrer Eltern vom Jugenamt des Landkreises Oberspreewald Lausitz betreut. "Insgesamt, mit Suchtbelastung, haben wir 170 Kinder in Betreuung."
Vor allem Kinder, deren Eltern abhängig sind, leiden. Noch mehr leiden Kinder, deren Mütter in der Schwangerschaft Crystal Meth konsumieren. Es sind Kinder, die wenige Tage nach ihrer Geburt ihren ersten Enzug durchmachen und die vermutlich ihr ganzes Leben lang beeinträchtigt sein werden. "Es ist häufig nicht auf dem ersten Blick sichtbar, ob eine schwangere Frau Drogen konsumiert", sagt Hardeling. Da brauche es eine gute Wahrnehmung und Qualifizierung von Gynäkologen und sonstigen psycho-sozialen Fachkräften. Nur so könnten sie auch reagieren.
Schwangere, die von Crystal abhängig sind, gehen oft sehr spät zu ersten Vorsorgeuntersuchung. Außerdem gibt es oft Probleme mit der Plazenta, sie neigen zu Frühgeburten. Hier müssen Gynakologen sensibiliert werden, denn hier hakt es noch, sagt Stephan Herrmann. "Wir sehen es häufig in den dramatischen Fällen, wo überhaupt noch kein Hilfenetzwerk aktiviert ist und wir in kürzester Zeit reagieren müssen." Besonders schwierig sei das bei Schwangerschaften, bei denen die Kinder automatisch die Droge mitkonsumieren, "wo wir kaum Einflussmöglichkeiten haben und oftmals auch erst sehr spät Kinder unterstützen können." Solange das Kind im Leib ist, ist es Teil der Mutter. "Wir haben keine rechtliche Handhabe, die Mutter zu Abstinenzprogrammen oder Ähnlichem zu verpflichten."
Vorbild Dresden
Ein Projekt in Dresden macht es vor: "Mama - denk an mich" heißt es und wendet sich an Drogen konsumierende Schwangere. Sie werden engmaschig betreut. Neben einem Therapieprogramm werden die Schwangeren auch zu allen Vorsorgeuntersuchungen und in der Zeit nach der Entbindung begleitet. Dadurch können mehr Kinder mit ihren Müttern nach Hause und müssen nicht in Einrichtungen und Pflegefamilien.
Crystal Meth ist eine synthetische Droge, die recht einfach und billig hergestellt werden kann. Bis vor einigen Jahren wurde sie hauptsächlich in Laboren in Tschechien hergestellt und kam von dort vor allem nach Sachsen und Bayern. Inzwischen gibt es aber in ganz Deutschland illegale Produktionsstätten.
Crystal Meth hat eine aufputschende Wirkung, zügelt den Appetit, verringert das Schlafbedürfnis und macht sehr schnell abhängig. Bei längerem Konsum zerstört das Methamphetamin Hirngewebe und führt zum Verlust von Impulskontrolle und Affektsteuerung. Außerdem kommt es zu Halluzinationen, Wahnvorstellungen, Gewichtsverlust, Nierenschäden und Zahnausfall.
Mit dem Onlineportal "Breaking Meth" hat das Land Brandenburg ein Selbsthilfeangebot für Konsumenten von Crystal Meth geschaffen.