Brasilianische Fachkräfte am Cottbuser Klinikum - Nach Deutschland, der Pflege wegen

Do 22.12.22 | 12:39 Uhr | Von Anke Blumenthal und Florian Ludwig
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Brasilianische Pflegekräfte in der Schule in Forst (Bild: rbb/Blumenthal)
Brasilianische Pflegekräfte in der Schule in Forst | Bild: rbb/Blumenthal

Wegen des Fachkräftemangels setzt das Cottbuser Thiem-Klinikum immer mehr auf Pflegekräfte aus dem Ausland. 15 von ihnen hat das Klinikum eigens in Brasilien angeheuert. Sie bereiten sich aktuell auf ihren Einsatz vor. Von Anke Blumenthal und Florian Ludwig

Mit einem freundlichen "Guten Tag" betritt Andressa Calheiros das Patientenzimmer. "Darf ich Ihren Blutdruck messen?" fragt sie, dann legt sie das Messgerät an, anschließend wird ein Verband gewechselt.

Andressa Calheiros ist 31 Jahre alt, studierte Intensivpflegerin - und stammt aus dem brasilianischen Maceió. Im Juni ist sie nach Deutschland gekommen, um in der Lausitz als Pflegekraft zu arbeiten. Im Cottbuser Carl-Thiem-Klinikum (CTK) bekommt sie die nötige Praxis.

Andressa Calheiros in der Schule (Bild: rbb/Blumenthal)
Andressa Calheiros in der Schule | Bild: rbb/Blumenthal

Kampf gegen den Fachkräftemangel

Insgesamt 15 brasilianische Pflegekräfte sind im Sommer in die Lausitz gekommen. Sie alle sollen zukünftig am CTK arbeiten, vor allem in der Kardiologie und Intensivtherapie. In Forst (Landkreis Spree-Neiße) haben sie Wohnungen bekommen, 10.000 Kilometer entfernt von ihrer Heimat.

Die Lausitz leidet, wie viele ländliche Regionen, an einem Fachkräftemangel im Gesundheitswesen. Gegen den Ärztemangel in der Region soll die geplante Medizin-Universität in Cottbus helfen, wie der Projektverantwortliche Eckhard Nagel erst in dieser Woche erklärte.

Gegen den Mangel an Pflegekräften hilft das aber nicht, zumal die Kräfte schnell gebraucht werden. Neben Mitarbeitern aus Vietnam oder Polen setzt das CTK deshalb auch auf Brasilien als Herkunftsland. Über ein staatliches Förderprogramm wurden die 15 Pflegekräfte gezielt in einer eher ländlichen Region rekrutiert - damit soll der Übergang in die Lausitz kein großer Bruch sein.

Nur die Häfte der Betten belegt - wegen Personalmangels

Andressas Station ist die Kardiologie. Sie hat bereits Erfahrung in dem Bereich, vor allem in der Notfall-Kardiologie, wie sie sagt. Und sie wird in Cottbus dringend gebraucht, sagt ihre Teamleiterin Mary Rex. "Gerade durch unsere Telemetrie kann nicht jede Schwester hier arbeiten", so Rex. Telemetrie ist die automatische Messung und Übertragung von Gesundheitsdaten. Rex ist deshalb froh über jede helfende Hand.

Nur die Hälfte der Betten in der Kardiologie ist aktuell belegt - eine Folge des Personalmangels. Erst kürzlich setzte das CTK alle planbaren Operationen aus, weil das Klinikum unter einer Corona- und Grippewelle leidet. Zahlreiche Ärzte und Pflegekräfte fallen aus.

"Es ist ein großer Bedarf da", sagt Mary Rex, "deshalb ist es wichtig, dass sie bald zu uns stoßen und fest im Team integriert werden." Angekommen ist aber zumindest Andressa jetzt schon. Das sagt auch Manfred Conrath, der Patient, dem Andressa am Morgen den Verband wechselt. "Ich sehe da keine Probleme, wenn es solche internationale Solidarität gibt. Denen wird geholfen und uns wird geholfen", sagt er. Denn auch das gehört zur Geschichte der brasilianischen Pflegekräfte: sie hoffen in Deutschland auf ein besseres Leben als in ihrer Heimat.

Erst die Sprache, dann die Fachtheorie

Bis die 15 Pflegekräfte selbstständig eingesetzt werden können, müssen sie einen sogenannten Anpassungskurs absolvieren - obwohl sie alle ausgebildet sind. Ihre fachlichen Abschlüsse können sonst nicht anerkannt werden. Gleichzeitig machen sie einen Sprachkurs. Mit dem Sprachniveau B1 sind sie bereits nach Deutschland gekommen, am Ende des Kurses haben sie das Niveau B2.

"Wir haben mit einem Intensivsprachkurs angefangen, in dem nur die Sprache geübt worden ist", sagt die Standortleiterin der medizinischen Schule in Forst und Integrationskoordinatorin Kathrin Pischon. Der Anpassungskurs laufe parallel erst seit September. Es laufe "super", so Pischon. "Ich bin total begeistert. Sie sprechen sehr gut Deutsch, verstehen das meiste".

Sie habe selbst mit mehr Schwierigkeiten gerechnet, gibt Pischon zu. Und dass sie es mit ausgebildeten Fachkräften zu tun hat, erleichtert die Arbeit zusätzlich. "Der Fachkontext ist ja da. Sie sind alle Pflegekräfte, wir verstehen uns auf dieser fachlichen Ebene sehr gut". Nur wenige Dinge seien komplett neu für sie. "Ich habe es wirklich mit Profis in der Pflege zu tun, das macht mir auch Spaß", so Pischon.

Zum ersten Mal Schnee in ihrem Leben

Schon im Januar sollen die ersten brasilianischen Pfleger eingesetzt werden, die übrigen bis zum Frühjahr. Andressa gehört zu den ersten, die im Januar die Prüfung ablegen sollen. Für sie und ihre Landsleute ist es dennoch eine Zeit mit Entbehrungen. Sie verbringt erstmals das Weihnachtsfest ohne ihre Familie.

"Ich vermisse meine Eltern, meine Schwestern. Es wäre schön, wenn sie diese Stimmung, diese Weihnachtszeit mit mir erleben würden", sagt Andressa. Sie feiert stattdessen mit Freunden in Cottbus - und natürlich mit ihren Landsleuten.

Doch neben Wehmut spürt Andressa Calheiros vor allem Freude darüber, jetzt in Deutschland zu sein. Schon mit 16 habe sie sich in das Land verliebt, wie sie sagt. Und der deutsche Winter bringt eine weitere Neuerung für Andressa: erstmals in ihrem Leben hat sie in Cottbus Schnee gesehen. "Das ist beeindruckend. Das ist ein Geschenk Gottes für mich", wie sie sagt.

Sendung: Brandenburg Aktuell, 22.12.2022, 19:30 Uhr

Beitrag von Anke Blumenthal und Florian Ludwig

14 Kommentare

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  1. 14.

    "Mein bescheidener Wunsch: 5000 Euro Einstiegsgehalt" Weltfremd, das sind keine Akademiker - wo bitte sollen dann die Einstiegsgehälter für die Hochschulkader sein und wer soll das dann bezahlen?

  2. 13.

    Ihre Aussage bezüglich der Bezahlung von Pflegefachkräften würde sich schnell relativieren, wenn Sie sich ernsthaft mit den Arbeitsbedingungen beschäftigen würden. Ständige Überlastung, 3 Schichten, Sonn-Feiertagsarbeit, Elnspringen. Mein bescheidener Wunsch: 5000 Euro Einstiegsgehalt und schon hätten wir sehr viele ehemalige Pfleger zurückgewinnen. Und bitte nicht wieder die Frage nach der Finanzierbarkeit stellen. Wir wissen alle wieviel Geld im System ist und wieviel Abzocker unterwegs sind.

  3. 12.

    Übrigens werden examinierte Pflegefachkräfte schon jetzt sehr gut bezahlt.

  4. 11.

    Tja, noch mehr Verbesserungen wie etwa mehr Personal kosten Geld. Leider sind Versicherte nicht bereit, für eine bessere medizinische Versorgung auch höhere Beiträge zu zahlen.

    Wir Ärzte erhalten auch nicht mehr Geld, obwohl Stromkosten, Gehaltskosten und Praxiskosten extrem gestiegen sind.

    Ich mache es so wie viele Kollegen: mehr Termine für Privatpatienten. Dann haben Kassenpatienten Pech gehabt

  5. 10.

    Bezahlt Fachkräftemangel ordentlich dann gibt es auch keinen Mangel. Und verschleudert nicht das Geld an Verwaltungsangestellte.
    Aber der Fachkräftemangel hat auch andere Ursachen, die heutigen jungen Menschen müssen ständig aufs Händy glotzen und haben keine Lust sich eine Stunde mit etwas anderem zu beschäftigen für das sie eigentlich bezahlt werden.

    Bezahlreihenfolge sollte an der praktischen Tätigkeit und fachlichen Einsatzfähigkeit festgelegt sein:

    Beste: Dr./Prof./Gesellen/Meister/FH
    darunter: Bachelor/Master ohne vorige Berufsausbildung in einem echten Beruf der IHK.
    im Mindestlohn: ungelernte Hilfskräfte, sonstige Studierte ohne Berufsausbildung oder Promovieren, Rohrkrepierer

  6. 9.

    Jo. Aber für die 100.000 hat ja nun die wohl reichste Krankenhaus-Kette eines der (trotz alledem immernoch) reichsten Länder der Welt glatte 15(!!!) Ersatzkräfte geholt. Okay - aus einem der ärmsten Drittwelt-Länder. Aber blecht ja der Steuerzahler. Paßt scho...

  7. 8.

    Was ist aus dem (Pflege)Abkommen 2019 mit Mexiko geworden? Dies wurde hier auch mit einem „könnte“-Artikel „gefeiert“.

  8. 7.

    Soll es nicht über 100.000 Pflegekräfte in Deutschland geben,die ihren Beruf aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen verlassen haben?
    Aber so ist es natürlich einfacher..

  9. 6.

    Wir hatten auch mal 2 Damen aus Brasilien in unserer Pflegeeinrichtung(Demenzpflege). Haben beide nicht lange durchgehalten aufgrund der völlig irren Zustände. "Gute " Idee im übrigen, anderen Ländern die Fachkräfte abzuwerben. Dafür wurde Herr Spahn auch schon mal gefeiert, als er in Mexiko versuchte Pfleger abzuwerben.

  10. 5.

    " Über ein staatliches Förderprogramm wurden die 15 Pflegekräfte gezielt in einer eher ländlichen Region rekrutiert"
    Wie sieht das Förderproramm aus?
    Ach so, es geht um das Programm "Faire Anwerbung Pflege Deutschland", aus Staaten, die mind. 3.500 km von Deutschland entfernt sind.
    Antragsteller ist das CTK.
    Das CTK bekommt bis zu 6.000 € pro Kopf wenn sie die angeworbenen Pflegekräfte in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis übernimmt.

  11. 4.

    Sind denn mitlerweile die katastrophalen strukturellen Probleme in den Krankheitseinrichtungen beseitigt? Oder wird jetzt probiert wie lange Menschen aus aller Welt diese Arbeitsbedingungen aushalten können?

  12. 3.

    Das verstehe ich unter Einwanderung von Fachkräften,nichts anderes (siehe Beitrag von Berlin vorweihnachtliches Flüchtling-Chaos)

  13. 2.

    Ich hoffe das Cottbuser Thiem-Klinikum hilft auch, wenn diese Pflegekräfte von Teilen der Anwohner angefeindet werden. Bei 22% AfD hätte ich Angst dort leben zu müssen.

  14. 1.

    .zum Glück werden solche Fachkräfte nicht in ihrer Heimat gebraucht..

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