Klessin im Oderbruch - Neue Gedenkstätte soll junge Generation vor Krieg mahnen
Im Oderbruch finden sich Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkriegs immer noch die Überreste von gefallenen Soldaten. Hier tobten zum Kriegsende hin heftige Kämpfe auf deutschem Boden. Jetzt ist eine neue Gedenkstätte eröffnet worden.
- Sieben Meter hohes Portal empfängt Besucher in der neuen Gedenkstätte
- Kriegswahnsinn soll an authetischem Schauplatz als Mahnung erhalten bleiben
- Mindestes 30.000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit in Projekt gesteckt
Das Oderbruch ist bekannt für die schweren Kämpfe im Zweiten Weltkrieg. Deutlich wird das rings um das einstige Schloss Klessin. Seit Jahren werden dort Kriegstote geborgen. Der Verein Bergung Gefallener in Osteuropa (VBGO) und der Wuhdener Heimatverein haben seit mehreren Jahren an der Planung und Umsetzung des Gedenk- und Erinnerungsortes Schloss Klessin maßgeblich mitgewirkt. Am Freitag ist die Gedenkstätte unter dem Namen "Kriegsschauplatz Schloss Klessin" eingeweiht worden.
"Kessel von Klessin" gilt als Vernichtungsschlacht
Klessin selbst war im Frühjahr 1945 einer der am härtesten und am längsten umkämpfte Stützpunkte auf den Seelower Höhen. Auf engstem Raum sind dort so viele Menschen gestorben wie sonst nirgendwo in der Umgebung. Es habe dort über Wochen eine Vernichtungsschlacht getobt, sagte Reinhard Tietz vom Heimatverein Wuhden.
In dem 150-Einwohner-Ort mit Gutshof hatten sich vor 78 Jahren einige Hundert Wehrmachtssoldaten und Volkssturmleute verschanzt. Das erhöht liegende Gutsgelände galt damals als strategisch wichtiger Punkt. Von hier aus hatte die deutsche Wehrmacht fünf Brücken über die etwa zwei Kilometer entfernt liegende Oder gut im Blick.
Hunderte gefallene deutsche und sowjetische Soldaten
Nach VBGO-Recherchen waren mehr als 300 deutsche Soldaten auf dem Gut stationiert. Sie sollten die Rote Armee auf ihrem Weg in Richtung Berlin aufhalten. Sie wurden jedoch vom zahlenmäßig überlegenen Gegner wochenlang eingekesselt. Rund 1.200 Wehrmachtssoldaten sollten sie freikämpfen, die Aktion misslang.
Der Verein hat in mühevoller Kleinarbeit mehr als 1.800 Namen deutscher Soldaten zusammengetragen, die in Klessin kämpften. Nur etwa 80 von ihnen sollen die Kämpfe überlebt haben. Etwa 700 bis 800 Rotarmisten fielen in dem und um den Ort.
Heinz Mutschinski (1925 – 2018) war um die 20 Jahre alt, als er 1945 als Soldat in Klessin war. "Denn hofft man nur, dass man da lebend vorbeikommt, dann sucht man sich die tiefste Stelle im Schützengraben, versteckt sich und hofft, dass das alles vorübergehen möge. Und dann kommt diese Feuerwalze auf einen drauf zu. Die Erde zittert und das Herz", erzählt der Augenzeuge in Archivaufnahmen.
Mindestens 30.000 Stunden ehrenamtlicher Arbeit geleistet
In den vergangenen Jahren wurde das Gelände des ehemaligen Gutes beräumt, das zu DDR-Zeiten als Müllhalde für einen angrenzenden Agrarbetrieb diente. Seit 2005 wurden insgesamt 237 gefallene deutsche Soldaten und Soldaten der Roten Armee geborgen, die bei den Kämpfen dort ums Leben kamen. Mittlerweile ist das etwa sechs Hektar große Gelände nach VBGO-Angaben inzwischen das am besten dokumentierte Kampfgebiet aus dem Zweiten Weltkrieg im Oderbruch. "Wir klären hier Schicksale auf, die lange einfach unter die Decke gescharrt wurden. Man staunt immer wieder, dass man immer noch Hinterbliebene, die froh sind, dass man denjenigen gefunden hat, der immer noch vermisst ist", sagte Tietz.
Diese Hinterbliebenen, die Einwohner Klessins und auch Besucher konnten am Freitag an dieser Gedenkstätte auch miteinander ins Gespräch kommen. Annemarie Göse-Wieland kam extra aus Oranienburg zur Eröffnung: "Es interessiert mich sehr, dass vor allem die ganze Geschichte, der Wahnsinn, der hier passiert ist, nicht in Vergessenheit gerät." Man könne sich alles, die Schlachtfelder gar nicht vorstellen, wo so viele Menschen erschossen wurden.
Gedenkort soll junge Generation mahnen: Nie wieder Krieg!
Heute empfängt an der neugestalteten Gedenkstätte im Oderbrauch Besucher ein großes rostfarbenes Stahlportal mit der Aufschrift "Kriegsschauplatz Schloss Klessin 1945". Dieses soll den alten Eingang zum Gutshaus symbolisieren. Dieser war das Letzte, was vom Gut im April 1945 übrigblieb. Alles andere lag in Schutt und Asche. Drumherum ist eine Parklandschaft entstanden.
Mit dem neuen Gedenkort wollen die Macher nach eigenen Angaben einen authentischen Kriegsschauplatz aus der Vergessenheit holen und den Kriegswahnsinn für Besucher nachvollziehbar machen. Entstanden sei ein Ort der Begegnung und des Lebens, beschreibt der Wuhdener Heimatverein das Projekt.
Zusammen mit dem VBGO wurden mehr als 20 Jahre in die Projektarbeit gesteckt. Es seien in ehrenamtlicher Gemeinschaftsarbeit zusammen auch mit regionalen Unternehmen mindestens 30.000 Stunden aufgebracht worden, um alles aufzuarbeiten.
Die Gedenkstätte zeigt Granattrichter, Bunkerlöcher, Schützengräben und Trümmerreste aus den Kriegswirren. So wurden auch Findlinge zum Gedenken an die "gefallenen Soldaten" beider Seiten aufgestellt. Es finden sich auf dem Areal bildliche und akustische Informationen in vier Sprachen, die an die schrecklichen Ereignisse dieser Zeit, stellvertretend für die Kämpfe 1945 an der Oderfront, erinnern. "Möge dieser Ort mit seiner schlimmen Geschichte dazu beitragen, auch der jungen Generation zu sagen: Nie wieder Krieg", steht als Widmung auf der Webseite des Wuhdener Heimatvereins [kriegsschauplatz-schloss-klessin.de].
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 05.05.2023, 19:30 Uhr