Projekt zur verlorenen Kunst jüdischer Menschen - Die Lebensgeschichten hinter den geraubten Kunstwerken
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat zusammen mit Partnern ein Erinnerungsprojekt gestartet. Es dokumentiert in Filmen, wie jüdischen Menschen, die einst das Kulturleben Deutschlands geprägt haben, im Nationalsozialismus ihre Kunst geraubt wurde. Von Maria Ossowski
Ann Charlotte Mörner lebt in Schweden. Sie zeigt auf eine Zeichnung, die die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ihr 2019 zurückgegeben hat. Das Bild gehörte ihrem Großvater, Friedrich Guttsmann, der es verkaufen musste, da er als Jude Beruf und Wohnung verloren hatte: "Das ist das Bild, das mein Großvater, Friedrich Guttsmann, der Nationalgalerie in Berlin verkauft hat. Und als er es verkauft hat, stempelten die Nazis die Rückseite. Hier ist das Zeichen mit dem Nazistempel."
"Mediathek der Erinnerung" lässt die Nachfahren zu Wort kommen
Der Film über dieses Bild und die Nachfahren zeichnet das Lebensschicksal des Besitzers nach - auch mit den Erinnerungen der Enkelin. Zwei Filme existieren bereits, dreißig sollen es in den nächsten zwei Jahren mindestens werden. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz und die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben damit ein einzigartiges Erinnerungsprojekt gestartet [externer Link]. Es erzählt von jüdischen Menschen, die einst das Kulturleben Deutschlands mitgeprägt haben, die entrechtet wurden und denen die Nazis alles weggenommen hatten. In einer "Mediathek der Erinnerung" erzählen die Bilder mit den Nachfahren die Geschichte dieser Menschen. Partner dieses Projekts und Produzenten der Filme sind der Bayerische Rundfunk und der Rundfunk Berlin Brandenburg. "Das unterstreicht: Die Öffentlich-Rechtlichen, die immer leicht in der Kritik sind, nehmen ihren Auftrag und auch ihren Kulturauftrag, gesellschaftspolitisch zu wirken, ernst", sagt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz.
Schicksale der Vergessenheit entreißen
Etwa 600.000 Kunstwerke haben die Nazis gestohlen. Restitution, also Rückgabe, ist erst seit den Neunziger Jahren ein Thema und gerichtlich bislang nicht durchzusetzen. Wir wollen keine gestohlenen Dinge behalten, so Hermann Parzinger, wir wollen mit diesem Projekt die Schicksale der Menschen aus der Vergessenheit holen - Schicksale wie jenem von Miriam Friedmann.
Mirian Friedmann sitzt in Augsburg und ist der Veranstaltung an diesem Tag in Berlin zugeschaltet. Auch sie hat ein Bild zurückerhalten, eine Bauernstube. Es hing einst bei ihren Großeltern Selma und Ludwig Friedmann: "Als meine Großeltern zusammengepfercht waren in diesem Judenhaus, haben sie sich zusammen mit drei befreundeten Familien das Leben genommen. Und dieses Bild - deshalb bedeutet es mir so viel - war Zeuge."
Die Enkelkinder berichten, dass die Schrecken der Naziherrschaft und das Schicksal der Großeltern oft verschwiegen wurden. Man wollte die Kinder damit nicht überfordern.
Schwierigige Wege der Werke auch nach dem Krieg
Zwar gibt es in Deutschland an den Universitäten mittlerweile sechs Lehrstühle für Provenienzforschung, aber dauerhaft gesicherte Stellen bei den Museen fehlen. Stattdessen sind die Projekte zur Erforschung der Herkunft solcher Bilder zeitlich begrenzt.
In der Lost Art Datenbank werden 40.000 gestohlene Kunstwerke gesucht, in den letzten zwanzig Jahren sind nur 518 zurückgegeben worden. Das liegt auch an den vielen verschiedenen Eigentümern nach dem Krieg. Für Galerien oder Museen ist es darum außerordentlich schwierig, die Reise eines Kunstobjekts nachzuverfolgen. Vor allem für die kommenden Generationen sollen deshalb diese Filme, die auf der Provenienzforschung beruhen, zeigen, dass die Werke mit den Lebensschicksalen ihrer Besitzer untrennbar verbunden sind.
Sendung: rbb Kultur,, 25.02.2023, 8:16 Uhr