Steigende Preise - Wird der Festival-Besuch zum Luxusgut?
Nicht nur Clubs klagen über weniger Besucher. Auch Festivals spüren, dass die Menschen wegbleiben oder erst kurzfristig buchen. Das macht die Planung zu einem Glücksspiel. Gerade kleinere Festivals wünschen sich mehr Förderung. Von Wolf Siebert
Laureen, Julia und Yin aus Berlin sind verzweifelt: Gut einen Monat vor Beginn des "Alinae lumr"-Festivals in Storkow (Oder-Spree) haben sie viel zu wenige Eintrittskarten verkauft. "Wir machen das Festival seit 2015", sagt Laureen. "Corona war dann schon ein starker Einbruch, den wir aber dank öffentlicher Förderung überstanden haben. In diesem Jahr aber bleibt das Publikum aus."
Das könnte auch an den höheren Ticketpreisen liegen. Im vergangenen Jahr kostete ein Festival-Pass für zweieinhalb Tage 90 Euro, in diesem Jahr verlangen Laureen, Julia und Yin 120 Euro. "Alles ist teurer geworden: die Bands, Personal, Leihgebühren für Technik, die Security, der Strom. Und wir bekommen in diesem Jahr kaum Förderung, nur noch vom Landkreis Oder-Spree", sagt Laureen. Sponsoren hat das kleine Festival, das eine Mischung aus Indie-Rock und Indie-Pop anbietet und neben Twens auch Familien ansprechen will, keine.
Die drei Frauen organisieren das Festival ehrenamtlich, gemeinsam mit zwei Dutzend Unterstützerinnen. Zusätzlich erschwert wird die Planung dadurch, dass Festival-Besucher nur noch selten im Voraus kaufen.
Inflation treibt die Ticketpreise
Das bestätigt auch Simon Knop Jacobsen. Bei "Impuls Brandenburg" in Potsdam ist er für Festivals zuständig. Der Verein unterstützt im Auftrag der Landesregierung Festivals, Popularmusik und soziokulturelle Projekte. "In den letzten zehn Jahren sind Ticketpreise für Festivals teilweise drastisch gestiegen", sagt er. "Und die Besucher haben dann ja noch weitere Ausgaben: Essen und Trinken, An- und Abreise. Wenn die Kosten weiter so steigen, dann entspricht das dem, was man für einen All-inclusive-Urlaub bezahlen muss. Und da überlegen sich dann viele, ob sie wie früher dreimal im Jahr auf ein Festival gehen oder nur noch einmal."
In Brandenburg gibt es 93 aktive Festivals. Viele haben nach Jacobsens Angaben finanzielle Probleme und wissen nicht, ob sie im kommenden Jahr noch existieren werden. Vor allem betroffen sind die kleinen Festivals, die nicht mit prominenten Headlinern locken können, und Festivals, die oft keine Sponsoren haben.
Ressourcen-Pooling kann nur ein Teil der Lösung sein
In diesem Jahr muss noch kein Festival in Berlin und Brandenburg aus Kostengründen abgesagt werden. Aber überall wird versucht, die Kosten zu senken. So nutzen die Festivalorganisatoren der "Wilden Möhre", des Praerie-Festivals und des Lusatia-Festivals den gleichen Veranstaltungsort.
Bühnen und Bars müssen dann nur einmal aufgebaut werden und nicht dreimal. Dieses "Ressourcen-Pooling" wird in der Branche zunehmen, da zeigt sich Simon Knop Jacobsen sicher. Auch bei der Werbung lasse sich durch Kooperationen Geld einsparen.
"Musik-Festivals sind mehr als Fun"
Ohne öffentliche Unterstützung würden viele Festivals nicht überleben. Zurzeit gibt es in Brandenburg zwar den "Inno-Fonds Pop" mit 50.000 Euro. Damit werden aber nicht nur Festivals gefördert.
Und es gibt diverse andere Programme auf kommunaler Ebene. "Das aber reicht angesichts der steigenden Kosten nicht aus", sagt Jacobsen. "Wir brauchen im Land Brandenburg eine stärkere öffentliche Förderung. Sonst wird ein Festival-Besuch zum Luxusgut." Es gebe bereits Gespräche mit der Politik, sagt Jacobsen weiter, er sei hoffnungsvoll. "Musik-Festivals sind mehr als Fun. Es gibt häufig Workshops und Gespräche, ganz unterschiedliche Menschen begegnen einander, ohne Diskriminierung, da geht es auch um Werte. Und in manchen Gegenden sind Festivals die einzige Möglichkeit der soziokulturellen Teilhabe."
Festival-Förderung in Berlin
In Berlin bietet der Senat zwei Förderprogramme für Festivalveranstalter an: Gefördert werden Projekte, "die dem Selbstverständnis Berlins als weltoffene, kreative und geschichtsbewusste Metropole entsprechen", so steht es im Ausschreibungstext.
3,6 Millionen Euro pro Jahr stehen für ein- und zwei-jährige Projekte zur Verfügung. Die Vorhaben müssen in Berlin entwickelt und gezeigt werden sowie mehrheitlich Berliner Künstler und Künstlerinnen beteiligen. Mit weiteren fünf Millionen Fördergeldern pro Jahr sollen "stadtpolitisch relevante Festivals", die "sich in der Vergangenheit durch künstlerische Qualität, ein besonderes Profil und thematische Schwerpunktsetzung in der Berliner Kulturlandschaft etabliert haben, langfristige Planungssicherheit" bekommen.
Laureen, Julia und Yin vom !Alinae lumr"-Festival werden davon nicht profitieren. Denn ihr Festival findet nicht in Berlin statt. "Bei uns heißt es jetzt: sparen, sparen, sparen", sagt Laureen. 1.000 bis 1.200 Tickets müssen sie nach eigenen angaben verkaufen, um nicht ins Minus zu rutschen. Deshalb machen sie jetzt noch viel Werbung und bieten auch günstigere Tickets an: ein "Anwohner-Ticket" für 35 Euro, ein "Freundinnen-Ticket" für vier Personen für 400 Euro. Und sie hoffen, wie sie sagen, dass viele Kurz-Entschlossene kommen werden, die ein "Tages-Ticket" kaufen.
Und das Festival absagen? Auch darüber hätten die drei im Unterstützerkreis diskutiert, sagen sie. Und dann entschieden, auf das Prinzip Hoffnung zu setzen. Aber ohne öffentliche Förderung wird es künftig wohl nicht gehen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 28.07.23, 08:55 Uhr