Interview | Männliche Hebamme - "Ich bin bislang auf sehr viel Akzeptanz gestoßen"
Casper Jaginiak will Hebamme werden - als einziger Mann unter 185 Studierenden an der Evangelischen Hochschule Berlin. Warum er sich gerade für diesen Beruf entschieden hat, und wie er seine ersten Geburten erlebt hat, erzählt er im Interview.
rbb|24: Herr Jaginiak, seit 2021 kann der Hebammen-Beruf nur über ein Studium erreicht werden. Sie studieren im zweiten Semester Hebammenwissenschaft. Wie kam der Wunsch in einen Beruf einzugsteigen, der so sehr frauendominiert ist?
Casper Jaginiak: Tatsächlich war es der Moment, als Freundinnen meinten, sie wollen keine Eltern werden, weil sie Angst vor der Geburt haben, weil sie so schmerzhaft sein soll. Als jemand, der unbedingt Vater werden möchte, fand ich das sehr schade. Ich wollte das verändern, dieses Bild von der Geburt und diese Angst vor dem Schmerz. Und ich denke, dass ich das in dem Beruf schaffen kann. Ich habe auch ein bisschen Inspiration bekommen, weil mein kleiner Bruder und ich zuhause geboren wurden und meine Mutter immer von unserer Hebamme geschwärmt hat.
Hebammenwissenschaft ist ein dualer Studiengang. Neben dem Studium an der Evangelischen Hochschule Berlin und dem großen theoretischen Teil gehört viel Praxiserfahrung dazu. Sie haben einen Ausbildungsvertrag mit dem Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin. Wie waren Ihre ersten "echten" Geburten?
Meine erste Geburt war ein Kaiserschnitt gleich in der ersten Schicht. Das war schon sehr aufregend. Meine erste natürliche Geburt war entgegen aller Erwartungen eine total schöne Erfahrung. Es war ein Pärchen, das sehr gut aufeinander eingestimmt war, die ganze Zeit in Kontakt miteinander war und man so richtig gemerkt hat, dass sie eine Einheit sind. In den Wehen waren sie immer sehr konzentriert auf sich und praktisch gar nicht ansprechbar. Aber dazwischen haben wir Witze gemacht und zusammen gelacht. Das war wirklich eine sehr schöne Erfahrung.
Eine Geburt ist eine sehr intime Situation. Wie reagieren die werdenden Mütter, wenn Sie als männliche Hebamme die Geburt begleiten sollen?
Tatsächlich gab es sehr oft Frauen, die gesagt haben, dass ich nicht dabei sein soll, die es gewünscht haben, dass ich aus dem Raum rausgehe. Aber die meisten haben sich dann nach kurzer Zeit wieder umentschieden. Ich bin bislang auf sehr viel Akzeptanz gestoßen. Eine Geburt hat viel mit Kennenlernen und Vertrauen gewinnen zu tun.
Und wie reagieren die werdenden Väter auf eine männliche Hebamme?
Solange die Frau glücklich ist, haben die Männer meist nicht viel zu sagen. Die Frau ist ganz oft einfach die Königin im Kreißsaal. Sie hat zu bestimmen, wie die Geburt läuft.
Was dürfen Sie als Student im Kreißsaal und während der Geburt machen?
Es gibt sehr simple Sachen wie Nachfüllen von Verbänden und Unterlagen. Ich durfte auch schon das Kind direkt nach der Geburt von den Ärzt:innen entgegennehmen und herumtragen oder die süßen Stempel von den Füßen machen. Dann weiß man immer, wie groß der Fuß damals bei der Geburt war.
Ansonsten überwache ich die Herztöne des Kindes. Das ist eine sehr große Verantwortung, die man natürlich nicht alleine trägt als Student. Man muss immer ein bisschen ein Auge drauf haben, vor allem, wenn der Kreissaal sehr voll ist. Dann ist es schon ganz gut, wenn man als Student nochmal guckt, dass die Herzfrequenz nicht zu hoch oder zu niedrig ist und dann rechtzeitig einer Hebamme Bescheid gibt.
Wie gehen Sie mit der großen Verantwortung um, die Sie zukünftig als Hebamme für Mutter und Kind tragen?
Ich habe jetzt gerade das Glück, dass ich noch nicht so viel Verantwortung trage als Anfänger. Aber ich bin auch schon sehr gespannt darauf, wie das für mich sein wird, irgendwann diese Verantwortung komplett alleine zu haben.
Aber das Gute ist, dass man in der Klinik die Unterstützung von Kolleginnen, durch Ärzte und andere Hebammen hat. Und wenn man in seine Fähigkeiten vertraut ist und weiß, was man gelernt und geübt hat, dann gewöhnt man sich auch daran.
Sie sind die einzige männliche Hebamme im Studiengang an der EHB. Wie reagieren Ihre Kommilitoninnen auf Sie?
Ich merke, dass vor allem ein großes Interesse da ist, weil viele das überhaupt nicht erwarten. Mir wurde auch schon gesagt, dass es schön ist, so eine Abwechslung zu haben in einem sehr frauendominierten Beruf und auch mal entspannend, sozusagen eine neue Stimmfarbe im Kreißsaal zu haben. Und Hebammen werden ja immer gebraucht, also eigentlich ist es egal, wer es macht. Hauptsache es sind genug Leute in diesem Beruf. Bislang haben sich alle gefreut.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview mit Casper Jaginiak führte Sybille Seitz, rbb Praxis
Sendung: rbb24 Inforadio, 05.05.2023, 14:25 Uhr