Interview | Männliche Hebamme - "Ich bin bislang auf sehr viel Akzeptanz gestoßen"

Fr 05.05.23 | 06:08 Uhr
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Symbolbild: Hebammenausbildung ©Referat Presse-/Öffentlichkeitsarbeit, Evangelische Hochschule Berlin (EHB)
Audio: rbb24 Inforadio | 04.05.2023 | Sybille Seitz | Bild: ©Referat Presse-/Öffentlichkeitsarbeit, Evangelische Hochschule Berlin (EHB)

Casper Jaginiak will Hebamme werden - als einziger Mann unter 185 Studierenden an der Evangelischen Hochschule Berlin. Warum er sich gerade für diesen Beruf entschieden hat, und wie er seine ersten Geburten erlebt hat, erzählt er im Interview.

rbb|24: Herr Jaginiak, seit 2021 kann der Hebammen-Beruf nur über ein Studium erreicht werden. Sie studieren im zweiten Semester Hebammenwissenschaft. Wie kam der Wunsch in einen Beruf einzugsteigen, der so sehr frauendominiert ist?

Casper Jaginiak: Tatsächlich war es der Moment, als Freundinnen meinten, sie wollen keine Eltern werden, weil sie Angst vor der Geburt haben, weil sie so schmerzhaft sein soll. Als jemand, der unbedingt Vater werden möchte, fand ich das sehr schade. Ich wollte das verändern, dieses Bild von der Geburt und diese Angst vor dem Schmerz. Und ich denke, dass ich das in dem Beruf schaffen kann. Ich habe auch ein bisschen Inspiration bekommen, weil mein kleiner Bruder und ich zuhause geboren wurden und meine Mutter immer von unserer Hebamme geschwärmt hat.

Hebammenwissenschaft ist ein dualer Studiengang. Neben dem Studium an der Evangelischen Hochschule Berlin und dem großen theoretischen Teil gehört viel Praxiserfahrung dazu. Sie haben einen Ausbildungsvertrag mit dem Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin. Wie waren Ihre ersten "echten" Geburten?

Meine erste Geburt war ein Kaiserschnitt gleich in der ersten Schicht. Das war schon sehr aufregend. Meine erste natürliche Geburt war entgegen aller Erwartungen eine total schöne Erfahrung. Es war ein Pärchen, das sehr gut aufeinander eingestimmt war, die ganze Zeit in Kontakt miteinander war und man so richtig gemerkt hat, dass sie eine Einheit sind. In den Wehen waren sie immer sehr konzentriert auf sich und praktisch gar nicht ansprechbar. Aber dazwischen haben wir Witze gemacht und zusammen gelacht. Das war wirklich eine sehr schöne Erfahrung.

Symbolbild: Hebammenausbildung ©Referat Presse-/Öffentlichkeitsarbeit, Evangelische Hochschule Berlin (EHB)Casper übt die Versorgung des Kindes nach der Geburt an der Puppe

Eine Geburt ist eine sehr intime Situation. Wie reagieren die werdenden Mütter, wenn Sie als männliche Hebamme die Geburt begleiten sollen?

Tatsächlich gab es sehr oft Frauen, die gesagt haben, dass ich nicht dabei sein soll, die es gewünscht haben, dass ich aus dem Raum rausgehe. Aber die meisten haben sich dann nach kurzer Zeit wieder umentschieden. Ich bin bislang auf sehr viel Akzeptanz gestoßen. Eine Geburt hat viel mit Kennenlernen und Vertrauen gewinnen zu tun.

Zur Person

Symbolbild: Hebammenausbildung ©Referat Presse-/Öffentlichkeitsarbeit, Evangelische Hochschule Berlin (EHB)
©Referat Presse-/Öffentlichkeitsarbeit, Evangelische Hochschule Berlin (EHB)

Casper Jaginiak

Der 22-Jährige ist Student im 2. Semester Hebammenwissenschaft an der Evangelischen Hochschule Berlin und Auszubildender als Hebamme im Martin-Luther-Krankenhaus Berlin.

Und wie reagieren die werdenden Väter auf eine männliche Hebamme?

Solange die Frau glücklich ist, haben die Männer meist nicht viel zu sagen. Die Frau ist ganz oft einfach die Königin im Kreißsaal. Sie hat zu bestimmen, wie die Geburt läuft.

Was dürfen Sie als Student im Kreißsaal und während der Geburt machen?

Es gibt sehr simple Sachen wie Nachfüllen von Verbänden und Unterlagen. Ich durfte auch schon das Kind direkt nach der Geburt von den Ärzt:innen entgegennehmen und herumtragen oder die süßen Stempel von den Füßen machen. Dann weiß man immer, wie groß der Fuß damals bei der Geburt war.

Ansonsten überwache ich die Herztöne des Kindes. Das ist eine sehr große Verantwortung, die man natürlich nicht alleine trägt als Student. Man muss immer ein bisschen ein Auge drauf haben, vor allem, wenn der Kreissaal sehr voll ist. Dann ist es schon ganz gut, wenn man als Student nochmal guckt, dass die Herzfrequenz nicht zu hoch oder zu niedrig ist und dann rechtzeitig einer Hebamme Bescheid gibt.

Wie gehen Sie mit der großen Verantwortung um, die Sie zukünftig als Hebamme für Mutter und Kind tragen?

Ich habe jetzt gerade das Glück, dass ich noch nicht so viel Verantwortung trage als Anfänger. Aber ich bin auch schon sehr gespannt darauf, wie das für mich sein wird, irgendwann diese Verantwortung komplett alleine zu haben.

Aber das Gute ist, dass man in der Klinik die Unterstützung von Kolleginnen, durch Ärzte und andere Hebammen hat. Und wenn man in seine Fähigkeiten vertraut ist und weiß, was man gelernt und geübt hat, dann gewöhnt man sich auch daran.

Sie sind die einzige männliche Hebamme im Studiengang an der EHB. Wie reagieren Ihre Kommilitoninnen auf Sie?

Ich merke, dass vor allem ein großes Interesse da ist, weil viele das überhaupt nicht erwarten. Mir wurde auch schon gesagt, dass es schön ist, so eine Abwechslung zu haben in einem sehr frauendominierten Beruf und auch mal entspannend, sozusagen eine neue Stimmfarbe im Kreißsaal zu haben. Und Hebammen werden ja immer gebraucht, also eigentlich ist es egal, wer es macht. Hauptsache es sind genug Leute in diesem Beruf. Bislang haben sich alle gefreut.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview mit Casper Jaginiak führte Sybille Seitz, rbb Praxis

Sendung: rbb24 Inforadio, 05.05.2023, 14:25 Uhr

21 Kommentare

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  1. 21.

    Ich finde das toll, ich habe selbst 5 Kinder, einmal Zwillinge. Bei den ersten 3 Geburten hatte ich eine ganz tolle Hebamme, bei der letzten war es nicht so prima, da wäre mir ein einfühlsamer Geburtshelfer lieber gewesen

  2. 20.

    Exakt, wenn dies vorher besprochen wurde und plötzlich betritt doch eine männliche Hebamme den Raum, wäre das natürlich ein Unding. Die Begleitumstände sollten absolut im Sinne der werdenen Mutter verlaufen, dem kann ich nur beipflichten.

  3. 19.

    Das ist ein Klischee und schlichtweg falsch. Ich kenne so viele Frauen mit wenig Feingefühl und viele Männer mit sehr viel davon. Das ist eine Charakter-, keine Geschlechterfrage

  4. 18.

    Das "...wie Frauen aus anderen Kulturkreisen, in denen auf die Geschlechtertrennung großen Wert gelegt wird" habe ich oft beim Frauenarzt erlebt, da geht der Mann oder eine andere Frau mit ins Sprechzimmer. Ob das bei einer Entbindung mit der männlichen Hebamme geht... vielleicht berichtet es mal jemand.

  5. 17.

    Das finde ich persönlich nicht gut. Man sollte im Vorfeld darüber sprechen. Die Frau ist während der Geburt sowieso in einem Ausnahmezustand, da sollte man sie nicht zusätzlich unter Stress setzen, wenn Sie aus welchen Gründen auch immer keinen Mann im Kreißsaal haben möchte. Sie ist eventuell gar nicht in der Lage sich währenddessen dagegen zu wehren. Ich schätze mal, dass es gar nicht so viele Frauen sind, die ein Problem damit haben. Aber auf die sollte man Rücksicht nehmen.

  6. 16.

    Doch, solange es im Vorfeld keine konkrete Absprechung gab, darf er hineingehen.

  7. 15.

    Also ich würde sagen, den meisten Frauen geht es während der Geburt nicht gut. Sie haben starke Schmerzen!!
    Also ich habe mich fast während der gesamten Geburt übergeben und war extrem geschwächt, außerdem habe ich außer den Schmerzen niemanden um mich herum mehr wahrgenommen. Danach ist es natürlich eine absolute Freude wenn man sein Kind im Arm hat und alles überstanden ist. Aber ich denke nicht, dass der eigentliche Vorgang für die meisten Frauen eine Freude ist.
    Ansonsten denke ich auch, dass es von der Sympathie, der Kompetenz und der persönlichen Einstellung der Frau abhängt, ob ein männlicher Geburtshelfer in Ordnung ist. Ich finde der Beruf sollte auf jeden Fall jedermann offen stehen. Allerdings sollte man einer Frau nicht ungefragt einen Geburtshelfer in den Kreißsaal schicken.

  8. 14.

    Wieder mal ein Problem, wo keines ist. Sagen Sie einfach „Geburtshelfer“ oder „Geburtshelferin“. Das ist zeitgemäß und für alle verständlich.

    „Hebamme“ ist eine Bezeichnung aus dem Mittelalter. An diesem Beruf hing damals sehr viel mehr, als nur das Kind auf die Welt zu holen. Ihre Bestätigung über die zumindest zeitweise Lebensfähigkeit des Neugeborenen entschied auch über die Erbfolge bzw. die Rechte der Mutter.

    Berufe wandeln sich. Warum also auch nicht ihre Bezeichnung?

  9. 13.

    Ich sehe es genau so.
    Obwohl längst aus dem betreffenden Alter heraus, steht für mich an 1. Stelle, ob entsprechendes Fachwissen und Können vorhanden ist und ob die Chemie stimmt, Sympathie vorhanden ist.

  10. 12.

    Frauen haben mehr Feingefühl als Männer, so einfach ist das. Er scheint das notwendige Gespür zu haben, dann soll er es machen. Aber der Rest von uns Eisbloecken(überspitzt gesagt) sollte die FInger von dem Job lassen.

  11. 11.

    Also ich fand die Geburt damals sehr interessant und mir könnte das als Mann auch gefallen. Von daher verstehe ich das Problem nicht, wieso das so ungewöhnlich ist, wenn das Männer ausüben. In der Regel geht ja alles gut, von daher ist das doch ein sehr fröhlicher Job. Gibt mit Sicherheit auch andere Situationen, aber das gehört auch dazu.

  12. 10.

    Seit 2020 laut Hebammengesetz:
    Berufsbezeichnung: Hebamme (w/m/d)

  13. 9.

    „männliche Hebamme“ ist am verständlichsten. Wenn man verstanden werden und nicht missionieren will.
    Im geschlechtsneutralen Plural, ohne Biologisierung, heißt es richtig: „Die Hebammen“ wenn man alle meint (siehe auch „die Leiter“ oder „die Spinner“).
    Ein schönes berufliches Beispiel, warum es keine Quoten für jede „Marotte“ geben sollte.

  14. 8.

    Selbst im Interview wird im offiziell falschen Plural gesprochen, obwohl der Gesprächspartner nichts davon sagt. Sonst wäre ja ein Zitat mit Anführungszeichen gesetzt worden. Es heißt richtig: Die Ärzte.

  15. 7.

    @ Susanne, ja es sollte menschlich stimmen. Sicherlich gibt es auch weibliche Hebammen, die sich nicht auf die Entbindende einstellen können. Das ist besonders bei einer ersten Geburt schlecht.
    Aber so ganz egal ist das Geschlecht vielleicht doch nicht. Wenn ich die Wahl hätte, würde ich lieber eine weibliche Entbindungspflegerin nehmen. Ich hatte immer männliche Frauenärzte, bin aber jetzt bei einer Frauenärztin und fühle mich dort besser behandelt oder verstanden.
    Ich kann mir vorstellen, dass Männer auch lieber mit ihren Problemen zu einem männlichen Arzt gehen.
    Mich würde es interessieren, wie Frauen aus anderen Kulturkreisen, in denen auf die Geschlechtertrennung großen Wert gelegt wird, auf den männlichen Entbindungspfleger reagieren.

  16. 5.

    @ Helmut Krüger,
    bei Krankenbruder merkt man erst, wie komisch das Wort Krankenschwester ist. Jedenfalls auch nicht besser. Aber ich glaube, heute heißt das Krankenpfleger, oder ist das ein anderer Beruf?
    Der Mann heißt übrigens Entbindungspfleger, so stehts im Internet

  17. 4.

    Ich finde es toll, dass sich immer mehr Berufe weiter öffnen.
    Ich als Mutter kann sagen, dass es mir total egal war, ob meine Hebamme männlich oder weiblich ist. Hauptsache man versteht sich menschlich und das Fachwissen stimmt, denn bei so einer Geburt mit Vor- und Nachsorge geht es in erster Linie um einen guten Start für das kleine neue Wesen und vielleicht ein bisschen um die Mutter, aber dann doch eher nur recht wenig um die anderen Beteiligten.
    Ich wünsche Caspar viel Erfolg bei seiner weiteren Ausbildung und einen guten Start in diesen wundervollen Beruf.

  18. 3.

    In der Tat wäre die Gleichberechtigung auch so herum: Die Defizite des jeweils anderen Geschlechts ausgleichen. Frauen in ausgesprochenen Männerberufen und Männer in ausgesprochenen Frauenberufen. Deshalb ist so eine Tat wie hier ja auch wichtig.

    Ja, wie heißt er denn nun?
    Jemand sprach mal - leicht witzelnd - von Hebamme und Hebammerich.
    Da weiß ich mir auch noch keinen Rat - wie bei der männlichen Krankenschwester. Krankenbruder klänge doch recht komisch.

  19. 2.

    Schönes Interview. Es wäre schön, wenn soviel Sorgfalt für den Text aufgewendet wird,daß das Wort Kreißsaal immer richtig geschrieben wird.

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