Belästigung im ÖPNV - Was tun, wenn ich heimlich gefilmt werde?

Sa 16.09.23 | 07:12 Uhr | Von Julian von Bülow
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Symbolbild: Notrufsäule auf U-Bahnhof der Linie U5. (Quelle: imago images/pemax)
Video: rbb24 Abendschau | 16.09.2023 | Material: K. Breinig & J. von Bülow | Bild: imago images/pemax

Vermutlich niemand wird gern von Fremden aus nächster Nähe gefilmt. Dennoch passiert es, etwa in Bus und Bahn. Doch ist das überhaupt legal? Welche Rechte haben Betroffene? Und was kann man dagegen tun? Von Julian von Bülow

"Es war ein Erwachsener, was mich noch mehr geschockt hat. Wenn’s jemand in meinem Alter gewesen wäre, wäre das auch schlimm, aber nicht so ekelhaft", sagt die 17-jährige Carlotta W. Sie wurde schon zum zweiten Mal aus der Nähe von einem fremden Mann ohne Zustimmung in der Bahn gefilmt.

KI erhöht das Missbrauchspotenzial

Als ihr dies das erste Mal widerfährt, sitzt sie mit ihrer Schulklasse im Regionalzug. "Ich habe angefangen zu zittern, habe danach auch geweint. Es ist einfach eine überfordernde Situation", erzählt Carlotta. "Der Regionalzug war voll. Jeder hat es mitbekommen, keiner hat irgendwas gesagt." Es waren dann ihre Freunde, die gesehen haben, dass sie gefilmt werde.

Von fremden Menschen gefilmt zu werden, mögen wohl die wenigsten; dass Aufnahmen davon im Internet landen, vermutlich noch weniger. Carlottas Vater sorgt sich auch darum, was mit diesen Bildern geschehen könnte. Denn im Zeitalter von Videogeneratoren mit künstlicher Intelligenz reichen schon wenige Bilder, um etwa einigermaßen realistische Porno-Montagen zu generieren. Und soweit muss es ja gar nicht erst kommen. Carlotta sagt: "Nur, weil ich bestimmte Sachen an habe, gibt es den Männern nicht das Recht, mich zu filmen oder zu sexualisieren."

Diese Regeln gelten in Bus und Bahn

Was die Männer in ihrem Fall getan haben, ist im ÖPNV allein durch die Verkehrsunternehmen schon verboten. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sind da streng: Ob Presse oder Privatperson – wer auf dem Gelände oder in Fahrzeugen der BVG Aufnahmen anfertigen möchte, muss sich vorher eine schriftliche Genehmigung der Pressestelle [bvg.de] einholen. Denn Fahrgäste sollen ungestört von A nach B kommen. Wer dagegen verstößt, den kann die BVG aus ihren Örtlichkeiten schmeißen – so sieht es die Nutzungsordnung vor. Die S-Bahn Berlin ist etwas kulanter, sie erlaubt private Aufnahmen, wenn dabei die Persönlichkeits- und Datenschutzrechte von Mitarbeitenden und Fahrgästen gewahrt werden.

Jene Rechte sind etwa im Kunsturheberrechtsgesetz definiert, besonders das 'Recht am eigenen Bild', erklärt der Rechtsanwalt und freischaffende Künstler Ringo Krause. Er sagt: "Eine Veröffentlichung darf nur mit Einverständnis der Abgebildeten erfolgen." Ausnahmen davon gebe es für Prominente oder wenn die Abgebildeten nur Beiwerk im Foto sind, etwa bei einer Landschaftsaufnahme oder einem Weitwinkelschnappschuss in der Bahn, sagt Krause. "Wenn die Abgebildeten quasi zufällig auf dem Bild sind und seinen Charakter in keiner Weise bestimmen, müssen sie auch keine Einwilligung geben."

Was kann ich tun?

Beim zweiten Mal sitzt Carlotta W. in der U6. "Ich hab' nicht damit gerechnet, dass ich wieder von einem Fremden gefilmt werde", sagt Carlotta. Mitbekommen habe sie das durch die Spiegelung vom U-Bahn-Fenster. "Ich war genauso überfordert wie beim ersten Mal. Ich wusste auch nicht wirklich, was ich machen soll."

Es gibt jedoch mehrere Möglichkeiten. Die Sprecherin der Berliner Datenschutzbeauftragten rät: "Habe ich den Eindruck, gefilmt zu werden, ist das Naheliegendste, die Person darauf hinzuweisen, dass ich das nicht möchte. Hört die Person nicht auf, kann ich weggehen."

Das hat auch Carlotta in der U-Bahn getan. Als sie in der Regionalbahn das erste Mal gefilmt wurde, sagte ihre Freundin dem Filmer, dass er die Videos löschen soll.

Er hat nicht mit uns geredet, hat die dann aber gelöscht.

Carlotta W.

Eine weitere Option für den Augenblick: Handy raus und zurückfilmen. Das schüchtert die Filmer möglicherweise ein und lässt sie aufhören, birgt aber auch das Risiko einer Eskalation. Würden beim Zurückfilmen Persönlichkeitsrechte des Filmers verletzt, könne man aber argumentieren, dass dies aus Notwehr geschehen sei, so Rechtsanwalt Krause.

Die BVG teilt auf rbb-Anfrage mit, dass Fahrgäste bei Belästigungen auch jederzeit den Sicherheitsdienst ansprechen können, etwa mit Notruf- und Informationssäulen auf jedem Bahnsteig.

Veröffentlicht dennoch jemand ein Bild ohne Einverständnis, etwa auf einer Social-Media-Plattform, könne man die Unternehmen zur Löschung des Fotos verpflichten, so Rechtsanwalt Krause. Zudem könne man vom Täter rechtlich die Beseitigung des Posts, die Unterlassung weiterer Veröffentlichungen sowie Schmerzensgeld einfordern.

Es existieren keine Zahlen zu Verstößen

BVG und S-Bahn Berlin erheben keine Zahlen, ob Fahrgäste gegen ihren Willen gefilmt werden. In Carlottas Freundeskreis sei sie mit ihren Erfahrungen zumindest nicht die Einzige, sagt sie. Die 17-Jährige wünscht sich, dass Fahrgäste einschreiten und es ansprechen, wenn Leute heimlich oder gegen ihren Willen gefilmt werden.

Sendung: rbb24 Abendschau, 16.09.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Julian von Bülow

54 Kommentare

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  1. 54.

    Ernsthaft? Sie haben damit angefangen

    „ interstellar Samstag, 16.09.2023 | 21:37 Uhr
    Wenn ein älterer Mann minutenlang gezielt eine 17 jährige in der U-Bahn filmt finde ich den Rat" einfach weggehen" zynisch. “

  2. 53.

    Woran erkennen sie denn, ob und wie lange sie einer filmt??

  3. 52.

    Die Frage im Titel ist gut.

    Ich würde sagen: Ahnungslos gut aussehen.

  4. 51.

    Das ist nur bedingt richtig.
    Ich kann auf der Straße jedermann filmen, auch ohne Einverständnis, mit Ausnahme von Kindern.
    Lediglich das Veröffentlichen ohne Einverständnis hat man zu unterlassen und das gilt sogar für Polizisten, ausgenommen Mitglieder von Spezialeinheiten, aber den Rest darf ich jederzeit filmen, gerade zum Selbstschutz. Das mit den "neun Personen" ist extrem veraltet, denn nicht die Anzahl gilt, sondern halt der Fokus und denk mal weiter, dann kommst du auch drauf, warum das so ist.
    Tipp: Acht Leute umringen eine neunte und das ganze wird gefilmt - du glaubst, du kommst dann mit der Sache durch? Nein, kommt du nicht.

  5. 50.

    Wenn ich minutenlang gefilmt werden würde, wäre ich schön bekloppt. Ich wäre schon längst weg. Minutenlang. Echt jetzt? Da bleiben Sie sitzen?

  6. 46.

    Wenn ein älterer Mann minutenlang gezielt eine 17 jährige in der U-Bahn filmt finde ich den Rat" einfach weggehen" zynisch. Nach dem Motto: Mädchen und Frauen haben eh wenig Rechte, also versteckt euch lieber...

  7. 45.

    Klar, der ekelhafte Typ, der ohne Zustimmung filmt, darf sitzen bleiben und das Opfer hat aus der Situation raus zu gehen. Scheint mir nicht besonders fair...

  8. 44.

    Meine Persönlichkeitsrechte haben in erster Linie mit den Gesetzen zu tun, damit eine einheitliche Handhabe möglich ist.
    Ethische und moralische Gesichtspunkte sind rein persönlich und individuell. Und es gibt Menschen, deren ethische und moralischen Gesichtspunkte auch andere Menschen durchaus Schaden zufügen kann. Daher ist es nicht ausschlaggebend!

  9. 43.

    Einfach weggehen. Raus aus der Situation ist meist das beste.

  10. 41.

    „ Denn im Zeitalter von Videogeneratoren mit künstlicher Intelligenz reichen schon wenige Bilder, um etwa einigermaßen realistische Porno-Montagen zu generieren. “

    Das im Bericht genannte Beispiel ist sehr realistisch. Es gibt Leute, die schauen gerne auf den Busen, unter den Rock usw… Wenn bei entsprechender Kleidung da etwas gefilmt werden kann, wird es verarbeitet werden können. Wollen Sie solche Bilder im Internet sehen? Wohl kaum

  11. 40.

    Andersrum wird juristisch ein Schuh draus: Wenn ich eine Szenenaufnahme mache, z.B. Bahnsteig, Plätze, Gebäude, dürfen ungefragt Menschen mit drauf sein. Es darf nur der Fokus nie direkt auf nur eine Person gerichtet sein. Dann muss ich diese Person fragen. Egal, ob ich die Aufnahme nur für mich verwende oder auch weitergeben oder veröffentlichen möchte. Wenn ich speziell nur eine Person aufnehmen möchte, gilt selbiges. Ich kann auch Personengruppen ab 9 Personen im öffentlichen Raum aufnehmen, z.B. jubelnde Menschen auf nem Konzert und diese verwenden. Allerdings: Wenn sich eine Person dann meldet und deren Veröffentlichung im nachhinein nicht wünscht, dann muss man dieses Foto aus allen Portalen wieder löschen. Das mal so als Faustregeln. Juristisch formuliert klingts komplizierter als ob nichts erlaubt ist.

  12. 39.

    Man kann vieles Vieles übertreiben mit Persönlichkeits Rechten, klar wenn es jemand unangenehm ist hat man natürlich kein Recht es zu machen. aber übertreibt nicht mit Datenschutz, Persönlichkeitsrecht und so weiter. manchmal geht es einfach um Zufälligkeit Fotos und
    wenn man mit dem unbekannten Lover in der Waldbühne ist, dann hat man halt Pech gehabt, dann geht da nicht hin zu einem großen event.
    Immer sind die anderen Schuld.

  13. 38.

    Ich frag mich, was die mit den Videos machen? Ich meine wenn ich als Mann ne hübsche Frau sehe, kann ich sie mir doch anschauen, spricht ja nichts dagegen und dann ist jut. Watt brauch ick da Filme?!?

  14. 37.

    Bei der Gelegenheit würde mich mal interessieren , was eigentlich mit den Videos / Aufnahmen geschieht , die in den U-Bahn-Stationen , U-Bahnen , Bussen etc. angefertigt werden ? Wer hat Zugriff darauf , wie lange , wann wird das Ganze wieder gelöscht und wer kontrolliert das eigentlich alles ? Eine Smartphone-Kamera ist qualitativ ein Witz gegen diese z.T. sehr hoch auflösenden Kameras in den Öffis. Mal ganz abgesehen von der Quantität der eingesetzten Geräte.Kann jeder / jede gerne mal bei der nächsten Busfahrt drauf achten.Das sind schon fast chinesische Verhältnisse hier. Scheint niemanden zu kümmern - oder doch ?

  15. 36.

    So lange Sie für den privaten Gebrauch fotografieren oder filmen, mögen Sie Recht haben. So bald Sie das Material in irgend einer Form in die Öffentlichkeit bringen, brauchen Sie die Zustimmung der abgelichteten Personen. Kann sonst gegebenenfalls teuer werden.

  16. 35.

    Der Sicherheitsdienst sollte auf jedem Bahnhof sein und nicht nur alle paar Jubeljahre mal irgendwo anzutreffen sein. Auf jedem Bahnhof!

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