Belästigung im ÖPNV - Was tun, wenn ich heimlich gefilmt werde?
Vermutlich niemand wird gern von Fremden aus nächster Nähe gefilmt. Dennoch passiert es, etwa in Bus und Bahn. Doch ist das überhaupt legal? Welche Rechte haben Betroffene? Und was kann man dagegen tun? Von Julian von Bülow
"Es war ein Erwachsener, was mich noch mehr geschockt hat. Wenn’s jemand in meinem Alter gewesen wäre, wäre das auch schlimm, aber nicht so ekelhaft", sagt die 17-jährige Carlotta W. Sie wurde schon zum zweiten Mal aus der Nähe von einem fremden Mann ohne Zustimmung in der Bahn gefilmt.
KI erhöht das Missbrauchspotenzial
Als ihr dies das erste Mal widerfährt, sitzt sie mit ihrer Schulklasse im Regionalzug. "Ich habe angefangen zu zittern, habe danach auch geweint. Es ist einfach eine überfordernde Situation", erzählt Carlotta. "Der Regionalzug war voll. Jeder hat es mitbekommen, keiner hat irgendwas gesagt." Es waren dann ihre Freunde, die gesehen haben, dass sie gefilmt werde.
Von fremden Menschen gefilmt zu werden, mögen wohl die wenigsten; dass Aufnahmen davon im Internet landen, vermutlich noch weniger. Carlottas Vater sorgt sich auch darum, was mit diesen Bildern geschehen könnte. Denn im Zeitalter von Videogeneratoren mit künstlicher Intelligenz reichen schon wenige Bilder, um etwa einigermaßen realistische Porno-Montagen zu generieren. Und soweit muss es ja gar nicht erst kommen. Carlotta sagt: "Nur, weil ich bestimmte Sachen an habe, gibt es den Männern nicht das Recht, mich zu filmen oder zu sexualisieren."
Diese Regeln gelten in Bus und Bahn
Was die Männer in ihrem Fall getan haben, ist im ÖPNV allein durch die Verkehrsunternehmen schon verboten. Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sind da streng: Ob Presse oder Privatperson – wer auf dem Gelände oder in Fahrzeugen der BVG Aufnahmen anfertigen möchte, muss sich vorher eine schriftliche Genehmigung der Pressestelle [bvg.de] einholen. Denn Fahrgäste sollen ungestört von A nach B kommen. Wer dagegen verstößt, den kann die BVG aus ihren Örtlichkeiten schmeißen – so sieht es die Nutzungsordnung vor. Die S-Bahn Berlin ist etwas kulanter, sie erlaubt private Aufnahmen, wenn dabei die Persönlichkeits- und Datenschutzrechte von Mitarbeitenden und Fahrgästen gewahrt werden.
Jene Rechte sind etwa im Kunsturheberrechtsgesetz definiert, besonders das 'Recht am eigenen Bild', erklärt der Rechtsanwalt und freischaffende Künstler Ringo Krause. Er sagt: "Eine Veröffentlichung darf nur mit Einverständnis der Abgebildeten erfolgen." Ausnahmen davon gebe es für Prominente oder wenn die Abgebildeten nur Beiwerk im Foto sind, etwa bei einer Landschaftsaufnahme oder einem Weitwinkelschnappschuss in der Bahn, sagt Krause. "Wenn die Abgebildeten quasi zufällig auf dem Bild sind und seinen Charakter in keiner Weise bestimmen, müssen sie auch keine Einwilligung geben."
Was kann ich tun?
Beim zweiten Mal sitzt Carlotta W. in der U6. "Ich hab' nicht damit gerechnet, dass ich wieder von einem Fremden gefilmt werde", sagt Carlotta. Mitbekommen habe sie das durch die Spiegelung vom U-Bahn-Fenster. "Ich war genauso überfordert wie beim ersten Mal. Ich wusste auch nicht wirklich, was ich machen soll."
Es gibt jedoch mehrere Möglichkeiten. Die Sprecherin der Berliner Datenschutzbeauftragten rät: "Habe ich den Eindruck, gefilmt zu werden, ist das Naheliegendste, die Person darauf hinzuweisen, dass ich das nicht möchte. Hört die Person nicht auf, kann ich weggehen."
Das hat auch Carlotta in der U-Bahn getan. Als sie in der Regionalbahn das erste Mal gefilmt wurde, sagte ihre Freundin dem Filmer, dass er die Videos löschen soll.
Eine weitere Option für den Augenblick: Handy raus und zurückfilmen. Das schüchtert die Filmer möglicherweise ein und lässt sie aufhören, birgt aber auch das Risiko einer Eskalation. Würden beim Zurückfilmen Persönlichkeitsrechte des Filmers verletzt, könne man aber argumentieren, dass dies aus Notwehr geschehen sei, so Rechtsanwalt Krause.
Die BVG teilt auf rbb-Anfrage mit, dass Fahrgäste bei Belästigungen auch jederzeit den Sicherheitsdienst ansprechen können, etwa mit Notruf- und Informationssäulen auf jedem Bahnsteig.
Veröffentlicht dennoch jemand ein Bild ohne Einverständnis, etwa auf einer Social-Media-Plattform, könne man die Unternehmen zur Löschung des Fotos verpflichten, so Rechtsanwalt Krause. Zudem könne man vom Täter rechtlich die Beseitigung des Posts, die Unterlassung weiterer Veröffentlichungen sowie Schmerzensgeld einfordern.
Es existieren keine Zahlen zu Verstößen
BVG und S-Bahn Berlin erheben keine Zahlen, ob Fahrgäste gegen ihren Willen gefilmt werden. In Carlottas Freundeskreis sei sie mit ihren Erfahrungen zumindest nicht die Einzige, sagt sie. Die 17-Jährige wünscht sich, dass Fahrgäste einschreiten und es ansprechen, wenn Leute heimlich oder gegen ihren Willen gefilmt werden.
Sendung: rbb24 Abendschau, 16.09.2023, 19:30 Uhr