Wohnanlage Reinickendorf - Mieter soll nach 84 Jahren sein Haus verlassen

Fr 03.11.23 | 15:06 Uhr
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Manfred Moslehner wohnt seit 84 Jahren in einer Siedlung in Tegel, "Kleinkleckersdorf" genannt, und soll im November 2023 sein Haus für eine Modernisierung von Bad und Küche verlassen. (Quelle: rbb)
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Video: rbb24 Abendschau | 01.11.23 | 19:30 Uhr | Antje Tiemeyer | Bild: rbb

Manfred Moslehner wohnt seit seiner Geburt in der Siedlung "Kleinkleckersdorf" und soll nun sein Haus für eine Modernisierung von Bad und Küche verlassen. Nachbarn solidarisieren sich mit ihm gegen die mögliche Verdrängung.

Sein gesamtes Leben lang hat Manfred Moslehner, genannt "Manne", in seinem Haus in der Kleinhaussiedlung Am Steinberg gewohnt. Er wurde 1939 sogar hier geboren. Nun fürchtet er, sich die Miete nicht mehr leisten zu können, wenn der Eigentümer Modernisierungen vornimmt.

Denn so sei es bereits anderen Anwohnern der "Kleinkleckersdorf" genannten Siedlung in Berlin-Reinickendorf ergangen, seitdem diese im Jahr 2010 vom Land Berlin an die private Entwicklungsgesellschaft "Am Steinberg" verkauft wurde. Das Bad und die Küche sollen nun erneuert werden, Moslehner lehnt das ab und würde die Renovierung lieber selbst vornehmen, "wenn ich wüsste, dass ich endgültig hier bleiben darf, bis eben zum Ableben", sagt der 84-Jährige.

Manfred Moslehner wohnt seit 84 Jahren in einer Siedlung in Tegel, "Kleinkleckersdorf" genannt, und soll im November 2023 sein Haus für eine Modernisierung von Bad und Küche verlassen. (Quelle: rbb)
| Bild: rbb

Nachbarn solidarisieren sich

"Manne bleibt, Manne bleibt!", singen Moslehners Nachbarn im Protest vor seinem Haus. Auf Transparenten steht "Kapital verdrängt uns", "Entmieten verbieten" und "Solidarität mit Manne" geschrieben. "Eine Wohnung ist kein Aktienpaket", sagt eine Anwohnerin aufgebracht, "und der Mann ist auch kein Aktienpaket!" Man behandle "Manne" wie Dreck, sagt ein anderer.

Die Anwohner beschreiben ähnliche Szenarien, die sich seit der Teil-Privatisierung der Wohnsiedlung vor dreizehn Jahren zugetragen haben sollen: "Dass Herrschaften kommen, von irgendeiner Firma, sich nicht ausweisen und ihn nötigen, die Wohnung und den Schlüssel heraus zu geben", beschreibt Hans-Hartmut Lenz von der Mietergemeinschaft "Am Steinberg".

Psychische Belastung

Für viele sei das eine psychische Belastung. Für einige so sehr, dass sie sich im Krankenhaus haben behandeln lassen müssen, da sie dem Druck des Gerichtsvollziehers nicht standhalten konnten, schildert ein anderer Anwohner. Auch Manfred "Manne" Moslehner setzt die Situation zu, er könne nicht schlafen, sagt er.

Von den 38 Häusern der Siedlung sind bereits 20 verkauft worden. Seither würden ehemalige Bewohner systematisch rausgedrängt, sagen die Anwohner. Ob Manfred Moslehner in seinem Haus bleiben kann, ist noch offen, vom Vermieter gab es kein Statement dazu.

Sendung: rbb24 Abendschau, 1.11.2023, 19.30 Uhr

26 Kommentare

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  1. 25.

    Ja, es ist sehr gut, dass man hier aus Menschenachtung den Wohnkomfort erhöhen wird. Es ist schon echt traurig, wie der Zustand etlicher Wohnungen in Berlin ist. Und diese werden auch noch bewohnt. Es muss dringend flächendeckend ein zeitgemäßer Wohnstandard nicht zuletzt zum Umweltschutz hergestellt werden.

  2. 24.

    Der arme Mann, helft ihm, dass er einen zeitgemäßen Standard in der Wohnung bekommt. Da wurde seit Jahrzehnten nichts gemacht. Notfalls bekommt man staatliche Hilfe mit Wohngeld und Co. Wobei man gerade mal 8% der Kosten maximal umsetzen kann.

  3. 23.

    Rechnung? Gott? Diese, sowie andere unmenschliche Nachrichten aus aller Welt ,hat Charles Bukowski einmal treffend beschrieben: " Und auf den ganzen Schlamassel gehört ein Grabstein mit der Aufschrift: Menschheit, Du hattest von Anfang an nicht das Zeug dazu ".

  4. 22.

    Woher wollen Sie wissen, dass diese Wohnung herunter gekommen ist? Es sollen die Nassbereiche saniert werden...
    Übrigens ist nach der AV Wohnen der Richtwert für eine amtliche Förderung einer Person durch die Sozialhilfe bei einer Bruttokaltmiete bei 426,-Euro. Dabei beträgt die zulässige Wohnraumgröße, gemäß §2 Abs. 2 Wohnraumgesetz Berlin 50 qm. Wissen Sie wieviel Miete der Herr jetzt zahlt und wie groß seine Wohnung ist? Sie sollten etwas differenzierter an diese Sache gehen, bevor Sie großspurig von amtlichen Zahlungen sprechen. Vom Verlust seines sozialen Standings mal ganz abgesehen...

  5. 21.

    Die Eigentümer schämen sich bestimmt. Mit Sicherheit. Wo leben Sie? Wir? In einem abartig globalisierten Kapitalismus. Wobei es ja in Deutschland noch geht. Schauen Sie sich in anderen "Demokratischen" Staaten um ....

  6. 20.

    Die sog. "Steinbergsiedlung" war/ist schon seit vielen Jahren ein Zankapfel im Bezirk.
    Ich kann mich noch an die Anfänge erinnern, als es dazu in der BVV heiße Debatten gab, schon zu Zeiten als Frank Balzer (CDU) Bezirksbürgermeister war. Augenscheinlich ist das Thema auf der politischen Ebene mittlerweile mehr oder weniger im Sande verlaufen (?)...

  7. 19.

    Ich dachte Berlin hätte sich jetzt auf die Fahne geschrieben Wohnraum zu schützen und zu schaffen, wieso die Siedlung dann überhaupt an einen Investor verkauft wurde erschließt sich mir nicht..es werden lauter unbezahlbare Neubauwohnungen aus dem Boden gestampft, aber leider keine günstigen vernünftigen Wohnungen mit einem guten Standard geschaffen - traurig ist das

  8. 18.

    Kein Respekt vor dem Alter! Wieso darf ein so alter Mann, der sich offensichtlich sogar noch selbst versorgen kann, nicht einfach sein Leben so zu Ende leben. Ohne Besserwisserei , welcher moderne Standard für ihn gut sein soll.. Vielleicht sollte sich der Investor mit diesem Lebenserfahrenen unterhalten und seinen geistigen Reichtum vergrößern? Zahlt sich womöglich mehr aus!!!

  9. 16.

    Ich würde sein Häusle kaufen und ihm lebenslanges Wohnrecht geben.
    Die Eigentümer sollten sich was schämen. Pfui.

  10. 15.

    Diese jungen Hüfner, die sich heute um Mieter (kümmern) sollten daran denken ….auch sie werden mal alt. Ich keine Kirchen Tanten, doch glaube ich an Gott, irgendwann gibt es dafür die Rechnung.

  11. 14.

    " Ob Manfred Moslehner in seinem Haus bleiben kann, ist noch offen, vom Vermieter gab es kein Statement dazu. "

  12. 13.

    Ach, dem Kapital sind menschliche Schicksale egal. Wer hätte das gedacht...

  13. 12.

    Das tut natürlich sehr leid. Aber 1939 dort geboren zu sein, hat schon einen Beigeschmack. Er darf doch nach der Sanierung wieder in das sanierte Haus zurück, also ist es doch gut für ihn.

  14. 11.

    Eine richtig lange Kündigungsfrist von einigen Jahren finde ich hier angemessen.
    Allerdings ist M. halt auch "nur" Mieter.
    Er trägt weder das gleiche Risiko, noch die gleichen Pflichten, wie ein Eigentümer. Das sollte jedem Mieter auch klar sein.
    Das Mietrecht in Deutschland ist extrem Mieterfreundlich und das ist (fast) immer gut so.
    Aber M. hat das Haus nun einmal nicht gekauft. Der Käufer kauft den Mietvertrag sozusagen mit. Es läuft also scheinbar alles normal nach dem Mietrecht.

    Hinzu kommt, wie andere bereits erwähnt haben, dass es Hilfen gibt, sollte M. sich die gestiegene Miete nicht mehr leisten kann. Einzelfallprüfung und Härtefallregelungen kommen noch hinzu.

    Ein neuer Eigentümer wird es wohl auch schwer haben in einem solchen Fall auf Eigenbedarf zu kündigen.

    Ich werbe für weniger schwarz/weiß und einen differenzierteren Blick.

    Ich wäre z.B. froh, wenn diese alten Immobilien energetisch saniert würden und die Kosten dafür sozial verträglich umgelegt würden.

  15. 10.

    rbb soll dranbleiben ???? an der story ???
    wäre es nicht besser, wenn der rbb helfen würde ??

  16. 8.

    Teure Sanierungsauflagen, die die Eigentümer, aus lauter Empathie, für ihre Kunden selber tragen sollen? Oder aber das Wohnen auf Kosten der Allgemeinheit, ohne Dankbarkeit, weiter zu fordern um so das Maß für Hilfen ausufern zu lassen? An einem solchen Beispiel kann man sehen, welche Moral durch andere Moralisten erst ausgelöst wird.
    Als Lösungsversuch eignet sich nur das Reden ...

  17. 7.

    Eine Wohnung ist kein Aktienpaket? Doch!Vonovia, Deutsche Wohnen und Leg zb. Privatvermietung als Altersvorsorge.Gibt es keine Möglichkeit bestimmte Wohnungen hinterher zu modernisieren? Auch wenn jetzt wieder andere benachteiligt werden und sich ein komplett neues Umfeld suchen müssen? Was zur Zeit eh schwierig ist.

  18. 6.

    Sehr guter Kommentar. Bewegend u.mitfühlend. Ich hoffe alles wendet sich noch zum Guten.

  19. 5.

    schrecklich,ohne Empathie !ohne Gleichen!

  20. 4.

    Was soll diese Nachricht "Nun fürchtet er, sich die Miete nicht mehr leisten zu können, wenn der Eigentümer Modernisierungen vornimmt." Das Amt unterstützt hier gern, niemand verliert so einfach seine Wohnung. Aber man muss sich halt darum kümmern. Wie wäre es, liebe Nachbarn, wenn ihr den Manne dabei unterstützt. Der arme Mann wohnt in einer total herunter gekommenen Wohnung und er hat schließlich eine zeitgemäße Wohnung verdient! Bitte helft diesem armen alten Mann dabei, eine moderne Wohnung zu bekommen, das wäre mal wirkliche Nächstenliebe.

  21. 3.

    Ein paar mehr als Manne* werden sich ihre Wohnung in Zukunft nicht mehr leisten können, denn um die festgelegten Klimaziele zu erreichen, sind energetische Sanierungen unausweichlich, bei gestiegenen Materialpreisen.

    Für bezahlbare Mieten und um nebenbei den Wohnungsmarkt zu entlasten, sollten die Regierungen endlich anfangen, die Bildung von bedarfsärmeren Wohngemeinschaften besonders zu fördern.

    *Nach 84 Mietjahren sollte die Kündigungsfrist zumindest 8 Jahre betragen.

  22. 2.

    Ein alter Baum war jemandem im Weg. Er störte Interessen anderer. Da der alte Baum allein war, kam man auf die Idee, diesen Baum zu verpflanzen, trotz des hohen Alters. Er würde sicher keinen Widerstand leisten. Doch der Baum war fest verwurzelt in dieser Erde mit all den Erinnerungen und Sicherheiten der Vergangenheit. Die Zukunft ist jetzt, dachte der Baum, wer will mich schon verdrängen. Doch sie kamen und rissen die Wurzeln aus dem Boden und schleppten den alten Baum auf ein braches Land, ohne Freunde, Sicherheit und Erinnerungen. Der Boden war karg und zu feucht, der Baum allein, nach und nach stellte der Baum sein Leben ein. Zuerst vermisste er die Freunde, dann starben die Erinnerungen und zuletzt starb er.
    Auf seinem alten Platz aber wuchs ein neuer Baum, der diesen Platz teuer bezahlte.
    Alles Gute von Herzen, Herr Mooslehner.

  23. 1.

    Erschütternd! Bitte dran bleiben Rbb-Team

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