Bundesbürger ab 16 Jahren - Neues zentrales Organspende-Register startet online

Mo 18.03.24 | 19:56 Uhr
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Symbolbild: Ein Styropor-Behälter zum Transport von zur Transplantation vorgesehenen Organen wird am 27.09.2012 in Berlin zu einem Fahrzeug für den Organtransport gebracht. (picture alliance/Soeren Stache)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 18.03.2023 | Max Kell | Bild: picture alliance/Soeren Stache

Mehr als 800 Menschen aus Berlin und Brandenburg warten auf ein Spender-Organ. Um die Zahl der Organspender zu erhöhen und - auch Angehörigen - mehr Klarheit darüber zu verschaffen, was potentielle Spender wollen, geht jetzt ein Register an den Start.

  • Neues Organspende-Register nimmt im März die Arbeit auf
  • Eigener Wille kann rechtssicher, freiwillig und kostenlos hinterlegt werden
  • 450 Menschen aus Berlin und 351 aus Brandenburg warten auf Organ
  • Register startet schrittweise und wird ab Sommer erweitert
  • Kritiker bemängeln, Lösung sei zu kompliziert

Jeder Bundesbürger ab 16 Jahren kann ab 18. März seinen Willen zur Organ- und Gewebespende rechtssicher, freiwillig und kostenlos von zu Hause im zentralen Organspende-Register online hinterlegen. Voraussetzung ist, dass er oder sie über einen Personalausweis mit Onlinefunktion und PIN (eID) verfügt.

Möglich ist das für Personen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr. Ein Widerspruch gegen eine Spende kann bereits mit Vollendung des 14. Lebensjahres erfolgen. Eine einmal hinterlegte Entscheidung kann jederzeit geändert und widerrufen werden.

Eingerichtet wurde das Portal www.organspende-register.de vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Daten sollen auf einem Server in Deutschland gespeichert werden.

Angesichts des anhaltenden Mangels an Spenderorganen forderte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zugleich aber weitergehende gesetzliche Maßnahmen.

Wille möglicher Spender schriftlich hinterlegt

Politik und Gesundheitswesen erhoffen sich dadurch mehr Klarheit bei der Frage, ob Bürger für oder gegen eine Organspende sind. Transplantationsmediziner hoffen, dass Gespräche mit Angehörigen über eine Organspende einfacher werden, wenn der Wille des möglichen Spenders schriftlich hinterlegt ist. Letztlich soll damit auch die Zahl der Organspender erhöht werden.

In Deutschland gilt derzeit, und so soll es auch mit dem neuen Register bleiben, die "erweiterte Zustimmungslösung". Für die Organentnahme nach dem Hirntod eines Menschen ist demnach die aktive Zustimmung des Betroffenen zu Lebzeiten, die Zustimmung eines engen Angehörigen oder eines Bevollmächtigten erforderlich.

"Meilenstein für Digitalisierung"

Karl Lauterbach würdigte den Start des Onlineregisters als "Meilenstein für Digitalisierung". "Die Angehörigen werden entlastet, aber auch die Ärztinnen und Ärzte." Im medizinischen Notfall könnten die Krankenhäuser nun "durch den Blick ins Organspenderegister" Gewissheit über die Spendenbereitschaft erreichen.

Potenziell gebe es eine große Bereitschaft zur Organspende - nur müsse die Hürde dafür gesenkt werden, sagte der Minister. "Viele Menschen wollen spenden, werden aber nie zu Spendern." Dies ließe sich durch eine Widerspruchslösung ändern. Eine solche Lösung sähe vor, dass grundsätzliche jeder Mensch in Deutschland gesetzlich zur Organspenderin oder zum Organspender erklärt wird - und aktiv seinen Widerspruch dagegen einlegen muss, sollte er damit nicht einverstanden sein.

Der SPD-Politiker verwies darauf, dass das neue Onlineregister für den Fall der Einführung einer Widerspruchslösung weiterentwickelt werden könne. "Das Register ist eine gute Vorarbeit für die Widerspruchslösung", sagte er. Das Register könne in Zukunft als Plattform für all jene genutzt werden, die dokumentieren wollen, dass sie nicht zu einer Organspende bereit sind.

Mehr als 800 Menschen aus Berlin und Brandenburg warten auf Organe

Derzeit warten rund 8.400 Menschen in Deutschland auf ein neues Organ. Darunter nach Angaben vorläufiger Zahlen der Deutschen Stiftung Organspende (DSO) 450 aus Berlin und 351 Menschen aus Brandenburg (Stand 31. Dezember 2023).

Deutschland liegt im internationalen Vergleich bei der Zahl der Organspender auf den hinteren Rängen der Tabelle. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation verzeichnete im Jahr 2023 insgesamt 965 Spender. Darunter, so die DSO, 53 in Berlin und 25 aus Brandenburg. In den 45 Transplantationszentren wurden bundesweit 2.985 gespendete Organe eingepflanzt.

Zum Vergleich: in Spanien wurden im Jahr 2023 nach Angaben des "Deutschen Ärzteblatts" 5.861 Organtransplantationen vorgenommen. Auch Frankreich und Italien liegen deutlich vor Deutschland. In den genannen Ländern gilt, anders als in Deutschland, die "Widerspruchslösung". Wer nicht vor seinem Tod widerspricht, ist hier automatisch potentieller Organspender.

Dabei scheint die Bereitschaft zur Organspende in Deutschland durchaus gegeben. Sandra Loder, Geschäftsführerin der Deutschen Stiftung Organspende für die Region Nord-Ost, sagt: "Wenn wir auf die Umfragezahlen gucken, ist es so, dass grundsätzlich über 80 Prozent der Menschen in Deutschland der Organspende positiv gegenüberstehen und über 40 Prozent angeben, dass sie ihre Entscheidung dokumentiert haben." Eine dokumentierte Entscheidung liegt derzeit jedoch nur bei 15 Prozent der Menschen vor. "Und das ist für uns als Koordinierungsstelle für die Organspende ein Paradox, was es aufzuheben gilt. Denn wenn Menschen dem positiv gegenüberstehen, dann sollen sie auch dokumentieren und das idealerweise jetzt im neuen Organspende-Register", sagte Loder weiter.

Stufe zwei ist ab Juli 2024 angedacht

Das neue Organspende-Register in Deutschland startet in mehreren Stufen. Schritt eins ist ab März die Hinterlegung der eigenen Absichten potentieller Organspender im Register. In einem zweiten Schritt ist geplant, dass Kliniken, die Organe entnehmen, im Register hinterlegte Erklärungen suchen und abrufen können.

Bis zum 1. Juli müssen alle Entnahmekrankenhäuser an das Register angebunden sein und abrufberechtigte Personen benannt haben. Spätestens bis zum 30. September 2024 sollen Versicherte dann eine weitere Möglichkeit zum Zugang im Register erhalten.

Um auch Menschen ohne Internetzugang oder Computer eine rechtssichere Dokumentation zu ermöglichen, bleibt auch der Organspendeausweis zukünftig gültig.

Übergangszeitraum bis Januar 2025

Um sicher zu sein, dass der Wille eines Spenders im Ernstfall auch während des Übergangszeitraums bis Januar 2025 verlässlich berücksichtigt wird, sollten die persönliche Entscheidung zur Organ- und Gewebespende zusätzlich schriftlich (beispielsweise in einem Organspendeausweis oder einer Patientenverfügung) dokumentiert werden. (organspende-register.de)

Die nächsten Angehörigen sollten auch über die Entscheidung und deren Dokumentation informieret werden. Das schafft zusätzlich Klarheit und Sicherheit. Der Organspendeausweis bleibt weiterhin gültig. Organspendeausweis, Patientenverfügung oder andere schriftliche Erklärungen können weiterhin neben dem Organspende-Register für die Dokumentation der Entscheidung genutzt werden. Liegen mehrere Dokumente vor, so gilt immer das jüngste.

Kritiker finden Lösung "zu kompliziert"

Das neue Online-Register für Organspenden stößt auch auf Kritik. Die Sprecherin des Bündnisses Protransplant, Zazie Knepper, sagte am Montag in der rbb24 Abendschau, die freiwillige Registrierung sei zu kompliziert. Das Register sei deshalb "eine Totgeburt". Langfristig brauche es aus Sicht von Protransplant die sogenannte Widerspruchslösung. Das würde bedeuten, dass jeder automatisch als Organspender gilt, es sei denn, er selbst oder Angehörige widersprechen.

Auch die Deutsche Stiftung Organspende kritisierte das Online-Register. Die Geschäftsführerin für die Region Nord-Ost, Sandra Loder, sagte am Montag im rbb24 Inforadio, dass die Erfahrungen mit freiwilligen Online-Registern in anderen Ländern nicht ermutigend seien.

Sendung: rbb24 Abendschau, 18.03.2024, 19:30 Uhr

56 Kommentare

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  1. 56.

    Naja ...
    Klar, dass ich erst an Schläuche muss.

    In der Patientenverfügung sind verschiedene Punkte, die jeder für sich entscheiden kann.
    Für meinen Teil möchte ich z.B. nicht mehr, wenn mein Gehirn so geschädigt ist, dass ich keinerlei Eigenständigkeit mehr besitze.

  2. 55.

    Das ist ein Widerspruch in sich: Jemand der nicht an Schläuche hängen möchte, aber einen Organspendeausweis hat. Wer potenziell Spender sein möchte, muss auch an Schläuche hängen können. So etwas muss klarer in der Patientenverfügung definiert sein. Sonst steht der Wille der Patientenverfügung über dem des Organspende- Willen.

  3. 53.

    Jeder kann entscheiden, was mit seinen Organen passiert.

    Ich habe in einer Patientenverfügung festgelegt, dass ich nicht an Schläuchen hängen möchte, sollte etwas passieren und trage immer meinen Organspendeausweis mit der Krankenkassenkarte bei mir.
    Damit erspare ich auch meinen Angehörigen in einer schweren Situation eine Entscheidung über meine Organe zu treffen.
    Wenn es nicht mehr anders geht, warum sollen dann meine Organe verbrannt werden?
    Evtl. erleichtern/retten diese dann noch jemandem das Leben. Für mich sinnvoller.

  4. 52.

    Her mit der Widerspruchslösung, das Register kann schliesslich passend mal offline sein. Dann gibt es wenigstens genug Nachschub von Organspendern.
    Ironie off.

  5. 50.

    Vielen Dank an alle möglichen Organspender. Ein naher, sehr sehr junger Verwandter hat kürzlich ein neues Organ bekommen. Wir sind darüber sehr glücklich.

    Ich selbst habe meinen Spenderausweis schon seit der Jugend. Das Onlineportal finde ich mit der Ausweisverifizierung aber sehr kompliziert gelöst. Ich habe die etin nicht aktiviert, weil bisher nie gebraucht. So wird es vielen gehen. Und dann ist die Hürde, das erstmal zu tun, doch sehr hoch ggü. der ausgefüllten Steckkarte im Portemonnaie

  6. 49.

    Klar das Betroffene/Bedürftige es darauf angewiesen sind.
    Nun/aber (da haben wir es wieder, mit der Mobilitätswende sehe ich die "Spendenmöglichkeiten" immer weiter sinkend.
    Oder wie bzw. unter welchen Bedingungen könnten "Spendenmöglichkeiten" ausgeschöpft werden?

  7. 48.

    "Organ-Spende ist eine Spende.
    Ganz freiwillig." Richtig

    "Beide Leben sind wertvoll." Ebenfalls richtig,

    "Darum ist es richtig und wichtig, dass man sich mit dem Thema "Organtransplantation" auseinandersetzt und dann eine ganz persönliche Entscheidung trifft."
    Ebenfalls richtig und das kann auch jeder für sich tun.

    "Wer "Organspende" erzwingen möchte, wer auf eine Widerspruchslösung pocht..., der wertschätzt nicht das Leben des Sterbenden. Das ist keine Empathie."

    Ich poche auf keine Widerspruchlösung und ich schätze sehr wohl den Wert eines jeden Lebenden. Wer hier aber versucht, den Eindruck zu erwecken, als wären die Schwierigkeiten, die sehr wohl auch auftreten können, die Regel und nicht die Ausnahme, versucht einfach nur Stimmung zu machen. Jeder Mensch kann sich freiwillig dafür oder dagegen entscheiden. Es wird hier keiner zu irgendetwas gezwungen. Wenn es dahingehend Situationen geben sollte, sind es mit Sicherheit Einzelfälle.

    Bleiben Sie gesund.

  8. 47.

    Wenn Spendern entgegengekommen wird, z.B. mit einer kostenlosen Beerdigung, würden sich mit Sicherheit mehr Menschen zu Organentnahmen bereit erklären (den Angehörigen zuliebe), denn der weltweite Menschen- und Organhandel blüht und für schnell verfügbare Organe sollen angeblich unglaubliche Summen bezahlt werden. (Hier fehlt leider vollkommen die Transparenz)

  9. 46.

    Organ-Spende ist eine Spende.
    Ganz freiwillig.
    Ein Sterbender gibt seine Organe an Jemanden, der mit dieser Spende vielleicht weiterleben kann.
    Darum ist es richtig und wichtig, dass man sich mit dem Thema "Organtransplantation" auseinandersetzt und dann eine ganz persönliche Entscheidung trifft.
    Beide Leben sind wertvoll.
    Wer "Organspende" erzwingen möchte, wer auf eine Widerspruchslösung pocht..., der wertschätzt nicht das Leben des Sterbenden. Das ist keine Empathie.

  10. 45.

    Es klingt so fortschrittlich, ist aber entsetzlich rückwärtsgewandt. Herr Lauterbach ist mehrfach krachend gescheitert mit seinen übergriffigen, paternalistischen Vorschlägen hinsichtlich Organspende. Und anstatt die Niedrigschwelligkeit bei der Information über die Spendenbereitschaft zu erhöhen, senkt man sie - die eID-Funktion wird von weniger als 15% der Personalausweisbesitzenden genutzt. Der Sozialdatenschutz ist dem Gesundheitsministerium vielfach egal, einfache Lösungen über Krankenkassen will man nicht.

    Es gibt auch große Unkenntnis im Ministerium über die Differenzierung zwischen geäußertem Willen, verfügtem Willen und mutmaßlichem Willen, mit dem Ergebnis, dass sich tendenziell über den geäußerten Willen hinweggesetzt wird. Am Ende bleibt der Eindruck, dass sich durch ökonomische Fehlanreize in Krankenhäusern die öffentliche Gesundheit den Profitinteressen von Krankenhauskonzernen unterwerfen soll. Herrn Lauterbach sollte das Vertrauen entzogen werden.

  11. 44.

    Ich wünsche allen, die sich hier so vehement gegen eine Organspende aussprechen, dass Sie nie in die Situation kommen, selber mal darauf angewiesen zu sein. Ihre Argumente sind für alle ein Schlag ins Gesicht, die gerade auf ein solches warten. Meinen Sie nicht, dass diese Menschen auch darüber nachdenken, was passieren muss, damit sie ein Organ bekommen? Was denken Sie, wie es diesen Menschen wohl gerade geht, wenn sie hier so manchen Kommentar lesen? Bleiben Sie gesund.

  12. 43.

    Sie brauchen keinen Kartenleser… das geht mit dem Handy.
    Klingt komisch funktioniert aber … AusweisApp … Ausweis ans Handy halten schon sind die Daten da und man kann sich über Internet verifizieren.
    Die Ersteinrichtung ist etwas hakelig aber wenn es einmal geht kann man sich wo es gebraucht wird digital verifizieren.

  13. 42.

    und warum kann man sich dort nicht gleich registrieren lassen? Das ist fast so doof wie das Berliner Hunderegister!

  14. 41.

    Wer bitte hat einen Kartenleser zur Hand, um seine Ausweisdaten auslesen zu können? Hier wurde doch Alles getan, um eine Registrierung möglichst kompliziert (oder besser: unmöglich) zu machen.

  15. 40.

    Früher, bis in die 60er Jahre, galt man als tot, wenn sich Totenflecke zeigten und die Leichenstarre einsetzte. Dann ist man aber viel zu tot zum Organe spenden. Also wurde "tot" umdefiniert, nun war man tot, wenn die Hirnfunktionen aussetzten. So jemand liegt aber im Sterben, der ist nicht tot! Die Organe werden also Sterbenden, nicht Toten entnommen. Der Sterbeprozess wird angehalten durch Herz- Lungenmaschine, der Körper ist warm - nur so bleiben Organe transplantationsfähig.
    Weitere Informationen: Im Deutschlandfunk: Wie tot darf ein Organspender sein?
    Auch: Initiative KAO- Seite
    Verständlich, dass Kranke, die auf ein Organ angewiesen sind, lieber ihre Seite im Fokus der Berichterstattung sehen wollen, aber objektiv ist anders!

  16. 39.

    Das hätten Sie schon seit Jahren auch in Papierform gekonnt. Sie können im Organspendeausweis auch ankreuzen, dass Sie nicht Spenderin sein wollen...

  17. 38.

    Nein, wenn die Registrierung "nur digital" möglich ist, nennt man das Ausgrenzung.
    Im schlimmsten Fall werden einem "Hirn-Toten" dann Organe entnommen, weil man den Organspende-Ausweis nicht "findet", auf dem steht, dass man kein "Organ-Spender" ist.
    Warum wird nicht eine Abfrage über die Krankenkassen veranlasst ? Die schriftliche Antwort der Versicherten kann dann auch im Register festgehalten werden.
    Übrigens, wer "Hirn-Tod" ist, der befindet sich im Sterbe-Prozess. Herz-Tod ist Tod.

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