Wirtschaftsminister Jörg Steinbach - "Mr. Tesla" will nicht mehr

Fr 22.11.24 | 07:35 Uhr | Von Hanno Christ
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Jörg Steinbach (SPD), Wirtschaftsminister von Brandenburg, nimmt am Start des Ausbildungsjahres im Tesla-Werk in Grünheide teil. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
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Audio: rbb24 Inforadio | 22.11.2024 | Angela Ulrich | Bild: dpa/Patrick Pleul

Die Investition des US-Autobauers machte Jörg Steinbach zu einem der bekanntesten Gesichter der Landesregierung. Er war einer der fortschrittlichsten Wirtschaftsminister Brandenburgs, auch weil ihm Parteizugehörigkeit manchmal egal war. Von Hanno Christ

Er gefiel ihm sichtlich, der Titel "Mr. Tesla". Jörg Steinbach war nicht der einzige Vater des Erfolges, aber er war zumindest maßgeblich daran beteiligt, dass sich der US-Elektroautobauer in Grünheide (Oder-Spree) niederließ.

So überzeugte er Tesla-Mitarbeiter bei einem Rundflug in einem alten russischen Flugzeug über Grünheide von der Errichtung einer "Giga-Factory" in den märkischen Sand. Und er scheute sich nicht, bei einem Besuch in den USA ein Tesla-Shirt überzustreifen. Es war eine Modenschau, die ihm in den USA wohl Verbündete einbrachte, daheim in der Mark aber etliche Kritiker.

Der Wirtschaftsminister lasse es an Distanz vermissen und rolle Tesla-Gründer Musk den Roten Teppich aus, kritisierten damals etwa Linke, AfD oder BVB/Freie Wähler. Und warum könne Tesla-Geschwindigkeit nicht auch in allen anderen Bereichen der Wirtschaft Anwendung finden?

Steinbach mit engem Draht zu Musk

Steinbach machte sich wenig aus solchen Anwürfen. Er dürfte zu den wenigen in der Landesregierung gehören, die noch immer einen direkten Draht zu Elon Musk haben. Immer wieder berichtete er auf Nachfrage, dass er im Austausch mit ihm stünde – zuletzt auch immer kritischer, nachdem Musk zum engsten Trump-Unterstützer wurde.

Steinbach, Tesla und Musk – das war in der brandenburgischen Politik lange Zeit ein Dreiklang, der dem Land internationalen Glanz verlieh – auch wenn die Gigafactory immer mehr als Berliner denn als Brandenburger Fabrik vermarktet wurde.

Brandenburg vom Schlusslicht zum Vorreiter

Die Wirtschaftsgeschichte Brandenburgs war lange Zeit eine, die von Komplexen behaftet war, geprägt durch Fehlinvestitionen und Pleiten. Cargo-Lifter, die Frankfurter Chipfabrik oder der Lausitzring hafteten dem Land lange als Millionengräber und ökonomische Vollkatastrophen an. Botschaft: Die Brandenburger kriegen es nicht gebacken.

Dabei erholte sich das Land langsam von diesem Image, wurde etwa Vorreiter beim Ausbau erneuerbarer Energie, ließ viele mittelständische Betriebe gedeihen, zog bereits auch Großinvestoren an Land. Mit Tesla setzte das Land erstmals ein Ausrufezeichen, das weltweit gesehen wurde – und neue Investitionen nach sich zog, etwa in der Batterieproduktion. Und mittendrin immer Steinbach.

Steinbach als politischer Seiteneinsteiger

Man mag es Glück nennen, dass er ausgerechnet in dieser Zeit Wirtschaftsminister wurde und er Früchte ernten konnte, die andere gesät hatten. Steinbach aber zeigte sich als eloquenter Verkäufer des neuen Brandenburger Wirtschaftswunders. Dabei war der gebürtige West-Berliner als Seiteneinsteiger in die Politik – und in die SPD – gekommen.

2018 war Albrecht Gerber (SPD) als Wirtschaftsminister aus privaten Gründen zurückgetreten. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) fand einen Nachfolger in der Lausitz, im Präsidenten der Brandenburgisch-Technischen Universität in Cottbus. Der promovierte Chemiker Steinbach hatte eine bis dahin erfolgreiche Bilanz an der Universität und schien der Richtige zu sein – auch wenn er keine politische Vorerfahrung hatte.

Politischer Außenseiter mit Beinfreiheit

Steinbach gilt zwar als fachlich versiert, nicht aber als politischer Netzwerker. Wohl auch deshalb gehörte er nie dem inneren Kern der Brandenburger Kenia-Koalition an – und auch nicht zu den SPD-BSW-Koalitionsverhandlern. Das machte ihn zu einem politischen Außenseiter, auf eine andere Weise aber verschaffte es ihm Beinfreiheit.

Steinbach zeigte sich offen gegenüber den Herausforderungen der Energiewende, verteidigte aber zugleich die Transformation des PCK Schwedt weg von fossilen Brennstoffen oder auch die langfristige – vielleicht sogar vorzeitige - Abkehr von der Braunkohleverstromung. Steinbach betonte meist mehr die Chancen als die Risiken, mehr den Mut zur Veränderung als die Angst davor und warnte vor den Folgen des Klimawandels. Er sieht aber auch: Krisen und Wandel können den Wohlstand im Land gefährden.

Verteidiger der Energiewende

Zum Leidwesen von anderen SPD-Kabinettsmitgliedern gehörte Steinbach stets zu den Verteidigern der Energiewende, hob Vorteile hervor, ohne die Bedenken vor Ort zu übersehen. Er redete mit jedem und konnte auch mal das Grün-geführte Bundeswirtschaftsministerium öffentlich loben, statt es nur zu kritisieren. Parteitaktisch mag das nicht zielführend gewesen sein, aber es war eben Steinbach.

Er machte sich auch immer wieder selbst auf den Weg ins Land, etwa nachdem die Bewohner von Münchehofe im Kreis Dahme-Spreewald vergangenes Jahr in einem Mini-Referendum gegen die Errichtung neuer Windkraftanlagen gestimmt hatten. Steinbach kritisierte die Bewohner im rbb-Fernsehen. Sie hätten die Vorteile wohl noch nicht ganz verstanden. Als es daraufhin Kritik an so viel Arroganz hagelte, machte sich Steinbach selbst auf den Weg nach Münchehofe. Um die Pläne zu verteidigen, aber auch um sich für seine Äußerungen zu entschuldigen. Auch das war Steinbach.

Abgang mit Paukenschlag

Nach Ankündigung seines Rückzugs am Donnerstag bekommt er parteiübergreifend viel Zuspruch – für seine Bilanz, aber auch für seine klare Haltung gegenüber einer möglichen Koalition von BSW und SPD. Steinbach sieht in dieser Konstellation keinen Raum mehr für sich. Mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht sei er nicht kompatibel. Austritt aus der NATO, Kritik an Sanktionen und an amerikanischen Unternehmen wie Tesla, vor allem aber die allzu russlandfreundliche Erzählung des BSW über den Ukraine-Krieg seien mit ihm – dem West-Berlin-Sozialisierten - nicht zu machen.

Steinbach ahnt, dass der Weg seiner Genossen künftig steil und steinig werden könnte – und wünscht ihnen ein gutes Händchen. Der sonst so diplomatische Minister zieht mit einem Paukenschlag von dannen. Der 68-Jährige hätte auch einfach sagen können, dass er nun reif für den Ruhestand sei – und es hätte ihm jeder geglaubt. Aber so ein Abgang wäre dann wohl vielleicht selbst für einen Jörg Steinbach zu leise und unpolitisch gewesen.

Beitrag von Hanno Christ

Kommentar

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27 Kommentare

  1. 27.

    Vielen Dank, LG.
    Ich wollte damit auch ausdrücken, das über diese ganzen Brandenburger Milliarden Subventionen und sehr oft auch Milliarden-Gräber, die kleinen notwendigen Investitionen, in den einzelnen Landkreisen, Kreisfreien Städten, Kleinstädten und Dörfern, vergessen werden.
    Nur Prestige bringende Milliarden-Projekte sind in Brandenburg wichtig - dabei fehlt in den einzelnen Gemeinden, sehr oft das Notwendigste, Viele Grüße.

  2. 26.

    Heute stand in ,,DER ZEIT'' ein interessanter Artikel über Musk: Musk wird jetzt als Oligarch eingestuft! Das sagt doch alles!

  3. 25.

    Werte Josti,
    bestimmt fahren Sie keinen Tesla. Ich auch nicht.
    Aber warum sollte das Werk schließen.

  4. 24.

    Da sind Sie ja wieder, mit Ihrer Lobhudelei für Tesla und Musk! Wissen Sie überhaupt, daß Musk ein Oligarch ist? Sie machen sich mindestens unglaubwürdig und können eigentlich nicht mitreden, da Sie im fernen Berlin auf dem Sofa sitzen!

  5. 23.

    Ggf. ist es eine Dreiteilung des Landes Brandenburg:
    1. Priorität: Der Speckgürtel um Berlin herum von Potsdam bis nach Fürstenwalde, von Oranienburg bis nach Großbeeren als allererste Adresse für Investoren-Ansiedlung.
    2. Priorität, schon deutlich abgestuft: Der Raum zwischen dem Berliner Speckgürtel und der Oder als Beispiel für eine länderübergreifende Perspektive
    3. Ebene: Der Raum "im Rücken" von Potsdam, wobei die Ausrichtung und Blickperspektive Potsdams ja Berlin ist. - Bis vor wenigen Jahren musste in einigen Ministerien intensiv auf die Landkarte geschaut werden, ob die Prignitz noch im Brandenburgischen oder schon in Mecklenburg-Vorpommern liegt. ;-

  6. 22.

    Häufig genug sind solche Standort-Entscheidungen 51 : 49 Entscheidungen, wo ein Minister machen kann, was er will. Auch "überlappt" sich ein Entscheidungsweg über mehr als 10 Jahre, wie der Beitrag m. E. richtigerweise feststellt. Hätte Albrecht Gerber als sein Vorgänger sich eine nahöstliche Bekleidung zulegen und damit auftreten sollen, damit die Chipfabrik in Frankfurt/Oder den Sprung über die Investoren-Messlatte geschafft hätte?

    (Anm.: Fortschrittlich würde ich das alles nicht benennen. Dazu ist mit der Fortschritts-Vokabel als Begründung für etwas zu viel Schindluder getrieben worden - von der blauäugigen Einführung der Atomkraft, über innerstädtische Straßenbauprojekte mit 6 und 8 Spuren bis hin zum Abriss stadtbildprägender Altstadtquartiere. Fortschritt taugt m. E. eher zu einer "begleitenden" Vokabel: Wenn ich einen Bau oder eine Krankheitskurierung begonnen habe: Wie schreitet das fort?)

  7. 19.

    Wenn das so weiter läuft in Brandenburg, kommen die nächsten Minister, bald von der AfD/BSW.
    ,,So gut, ist die Brandenburger Wirtschaftspolitik/Politik,,.
    Wäre das Berliner Umland und Teile vom Südwesten/Westen Brandenburgs, Nicht - wären SPD mit MP Woidke, doch schon ,,Geschichte,,.
    Seit der letzten Brandenburg Wahl vor 5 Jahren, ist doch schon fast das gesamte Land, ein AfD Land geworden.
    ,,So gut, ist die gesamte Brandenburger Politik und Wirtschaft,,.

  8. 18.

    Es rächen sich fehlende Offenheit selbst in hohen Politikerkreisen, Wissenshortung und die fehlende politische Erfahrung des Ministers (des Ehemaligen).
    Das machen andere besser als wir.

  9. 17.

    Mr. Tesla und Co. in Brandenburg sorgen dafür, das bald das gesamte Land Brandenburg, in Blau/Braun gefärbt ist.
    Mr. Tesla und Co. sind nur Vertreter für Tesla, Schwedt, BER, Cottbus/Lausitz und vergessen dadurch, die Hälfte der Bevölkerung, in der Westhälfte von Brandenburg.
    Prignitz, OPR und das Westhavelland sind seit 2019, schon zu Blau/Braun abgedriftet und die restlichen Gebiete in der Westhälfte Brandenburgs, werden bei den Nächsten Wahlen folgen - so viel ist sicher.
    Mr. Tesla und Co. vergessen die Westhälfte von Brandenburg und das, wird schwerwiegende politische Folgen haben.
    MP Woidke ist noch einmal, mit einem blauen Auge davongekommen, da der Westen ,,noch,, Rot gewählt hat - wenn hier keine Strukturmittel ankommen - wird es kein Rotes Brandenburg, in Zukunft mehr geben, Viele Grüße.

  10. 16.

    Wirtschaftswunder? Brandenburg gehört zu den Letzten, da wo es wichtig ist. Es hat seine Gründe, warum hier immer statt absolute Zahlen Prozentzahlen benannt werden. Auch sind die „gezählten Anrufer“ in der Wirtschaftsförderung kein Wirtschaftswunder. Da rufen Leute an, die (Förder)Geld abholen wollen. Auch „schwarze Schafe“ werden da mitgezählt.
    Das hier ist wichtig:
    BIP pro Kopf ist noch aussagekräftiger für die Wirtschaftsleistung
    Schuldenstand des Landes relativ zum BIP und Doppelverschuldung durch Aushebelung der Schuldenbremse.
    Entwicklung der Anzahl der sozialversicherten Arbeitsverhältnisse , Arbeitslosenzahlen, Lohnsteuereinnahmen,
    Steuereinnahmen aus Industieansiedlungen vor und nach der Ansiedlung
    Forderungen aus dem (Länder) Finanzausgleich im Verhältnis und deren Entwicklung
    Kein einziges Großprojekt hat in Brandenburg geklappt. Keines. Das schnelle Genehmigen reicht nicht aus, um...

  11. 15.

    Der Mann macht seinen Job. Das Unternehmen in Grünheide läuft und wird weiter wachsen. Es wird weitere Unternehmen zur Elektromobilität nach ziehen.
    Sein Rückzug ist ein Statement gegen AfD und BSW, deren Reaktion ich nur schäbig finde.
    Da hat der Verbrecher Putin hunderttausende Ukrainer auf dem Gewissen und hat eine halbe Mio. Russen in einem sinnlosen Krieg verheizt. Hauptsache wir haben es schön warm mit russischen Gas.

  12. 13.

    Der wievielte Beitrag ist das jetzt darüber?
    Nun ist wirklich gut, Mr. Tesla will nicht mehr!

  13. 12.

    Ich stimme der Einschätzung von Herrn Steinbach über Sahra Wagenknecht voll und ganz zu und finde seine Konsequenz daraus stark. Daumen hoch!

  14. 11.

    Einerseits schade, dass Herr Steinbach geht, andererseits kann ich seine Haltung zum BSW sehr nachvollziehen.
    Eine Partei, die sich nicht klar zum verbrecherischen Putin- Regime abgrenzt,ist für mich nicht tolerierbar.

  15. 9.

    Ein 68 -jähriger Mann geht in den Ruhestand und macht Platz für die Zukunft, was für eine positive Nachricht!

  16. 8.

    Das Land Brandenburg fördert mit Milliardensummen den Mittelstand. Erstmals seit Gründung der WFBB wurde ein Investitionsvolumen von rund 2,5 Milliarden Euro für Brandenburg erreicht. Zudem ist die WFBB aktiv an der Ausweisung und Erschließung neuer Gewerbeflächen beteiligt, da bekanntlich in bereits ausgewiesenen Gewerbegebiete bestenfalls nur noch eher kleine Grundstücke verfügbar sind.

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