Ermittler halten sich bedeckt - Hintergründe zur mutmaßlichen Bohnsdorfer "Drogenküche" immer noch unbekannt

Fr 12.04.24 | 17:39 Uhr | Von Anna Bordel und Georg-Stefan Russew
Ist eine Straße in Bohnsdorf zu sehen. Die Polizei hat wegen eines Drogenlabors, welches entdeckt wurde, die Staße gesperrt.
Video: rbb24 Abendschau | 08.04.2024 | Kerstin Breinig | Bild: rbb

Anfang April wurde in Bohnsdorf eine "Drogenküche" ausgehoben. Bislang ist noch nichts über die Täter bekannt geworden. Was aber klar scheint, dass dort vermeintliche "Badesalze" produziert wurden - neue, verbotene psychoaktive Substanzen. Von A. Bordel und G.-S. Russew

Knapp eine Woche nachdem Ermittler ein mutmaßliches Drogenlabor im Berliner Ortsteil Bohnsdorf (Treptow-Köpenick) ausgehoben haben, laufen die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Polizei nach wie vor auf Hochtouren. Angaben zu möglichen Tatverdächtigen und auch zu Hintergründen machte die Staatsanwaltschaft auf rbb|24 am Freitag nicht.

Chemische Dämpfe verrieten mutmaßliches Drogenlabor

Austretende Ammoniak-Dämpfe hatten Anwohner einer Bohnsdorfer Lagerhalle stutzig gemacht und die Polizei verständigt. So ist man dem mutmaßlichen Drogenlabor in Berlins äußerstem Südosten überhaupt auf die Spur gekommen. Im Halleninneren fanden sich laut Polizei mehrere tausend Liter Chemikalien. So wurden knapp 5.000 Liter zum Teil hochätzender Säuren und anderer chemischer Stoffe entdeckt. So ergaben Analysen, dass sich darunter auch 1.200 Liter der Droge 3-CMC (Clophedron) befanden. Deren Verkaufswert ist bislang unklar.

Gerätschaften zum "Drogen kochen" frei erwerbbar

Besondere Anforderungen für illegale Drogen-Labore braucht es laut Polizeisprecher Marin Dams nicht. "Entsprechende 'Labore' können theoretisch überall eingerichtet werden", so Dams. Häufig achteten Täter auf Abgeschiedenheit, um das Entdeckungsrisiko durch Geruchsbelästigung zu minimieren, so der Polizeisprecher weiter.

Und auch an entsprechende Labor-Ausrüstung zu kommen, sei nicht schwer. Ein Großteil der eingesetzten Gerätschaften kann zum Teil in Baumärkten erworben werden. Auch die chemischen Substanzen, die zur Drogenherstellung benötigt würden, könnten zum Teil freigekauft werden. Verbotene Zutaten zum "Drogen kochen" würden laut Polizei illegal erworben oder importiert.

Zwölf Drogenlabore in vergangenen zehn Jahren in Berlin ausgehoben

Generell komme es nicht so häufig vor, dass in Berlin Drogenlabore ausgehoben werden. Laut Dams wurden im Zeitraum von 2014 bis 2023 in Berlin zwölf sogenannte Drogenlabore entdeckt, wo zum Teil synthetische Rauschmittel hergestellt wurden.

Wie Dams weiter auf rbb|24-Anfrage mitteilte, würde Substanzen wie 3-CMC fast ausschließlich im Internet oder Darknet gehandelt. Daher könne die Berliner Polizei keine validen Angaben zum Verbreitungsgrad der Droge machen. Auch wolle sich die Polizei nicht an Spekulationen um das Warum und Wieso beteiligen. Auch will sie nicht zur Motivation der Tatverdächtigen mutmaßen.

Christian Lanninger vom Zollfahndungsamt Berlin-Brandenburg führte in diesem Kontext ins Feld, dass ein Grund, die Droge direkt in Berlin herzustellen, Profitmaximierung sei. "Das ergibt einen höheren Gewinn, weil man keinen Zwischenhändler bezahlen muss.”

3-CMC ist ein neuer psychoaktiver Stoff, der verboten ist

3-CMC wird von der EU-Drogenbeobachtungsstelle als neue psychoaktive Droge qualifiziert. Über das Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz [bundesgesundheitsministerium.de] ist das Verkaufen, Kaufen und Besitzen von 3-CMC in Deutschland.

Die ersten synthetischen Cathinone tauchten Mitte der 2000er Jahre [unodc.org] auf Online-Märkten und in Headshops auf. Als Mephedron noch nicht verboten war, wurde es als vermeintliches "Badesalz" [aidshilfe-kiel.de] verkauft. Erst später wurde der Begriff "neue psychoaktive Substanzen" geprägt.

Bei 3-CMC handelt es sich genauer gesagt um ein synthetisches Cathinon. Diese gehören zu einer Gruppe von Stimulanzien, die chemisch mit Cathinon verwandt sind, der wichtigsten psychoaktiven Substanz in der Khat-Pflanze. Dieser Stoff selbst ist chemisch mit Amphetamin vergleichbar. Die EU-Drogenbeobachtungsstelle listet insgesamt 162 unterschiedliche synthetische Cathinone auf.

Relativ neue Erscheinung

Laut EU-Drogenbeobachtungsstelle [emcdda.europa.eu] ist der verstärkte Konsum von synthetischen Cathinonen eine relativ neue Erscheinung. Daher sind genauere Wirkmechanismen, Giftigkeit und mögliche Langzeitfolgen bislang unbekannt, hieß es.

So hat Drugchecking Berlin im April 2023 angefangen zu testen und im vergangenen Jahr 1092 Proben entgegengenommen. Davon seien 191 auf Ecstasy, 180 auf Kokain 180, 178 auf Speed getestet worden. An vierte Stelle kamen mit 137 Proben synthetische Cathinone. "Das ist eine große Überraschung für uns gewesen", sagte Tibor Harrach, pharmazeutischer Leiter, gegenüber rbb|24. "Meist waren die Cathinonen falsch deklariert. Häufig wurden sie als Mephedron gekauft und tatsächlich war dann 2-MMC, 3-MMC, 3-CMC oder 4-CMC drin."

Größetes Angebot stammt aus Indien, kleinere Teil aus polnischen Laboren

Synthetische Cathionone seien laut Harrach nicht schwer herzustellen. Laut EU-Drogenbeobachtungsstelle werden diese Stoffe zunehmend in industriellem Maßstab in Indien hergestellt und nach Europa geschmuggelt. Ein kleinerer Teil des Cathinonangebots stammt aus Europa, wo seit 2019 eine wachsende Zahl von Produktionsstätten sichergestellt wurde. 2021 wurden in Polen 14 der insgesamt 15 in Europa ausgehobenen Labore entdeckt.

Die Beobachtungsstelle selbst gehe davon aus, dass sehr viel mehr produziert wird. "Angesichts der Mengen beschlagnahmter Vorläuferchemikalien und des Abfangens unregulierter alternativer Chemikalien erscheint es wahrscheinlich, dass dies in großem Maßstab der Fall sein wird", heißt es im Europäischen Drogenbericht 2023.

"3-CMC ist eine Verbindung, die in der Berliner Partyszene, aber auch in der Chemsex Szene gebraucht wird. Sie wirkt sexuell stimulierend", erklärte Tibor Harrach von Drugchecking Berlin, wirkt auf das Zentralnervensystem und hinterlässt Spuren. "Es gibt in Berlin eine Gruppe von Menschen, die können ihre Sexualität nur dann ausleben, wenn sie bestimmte psychoaktive Substanzen konsumieren", so Harrach. Dazu gehören auch synthetische Cathionen.

Die EU-Drogenbeobachtungsstelle spricht im Zusammenhang mit dem Konsum sythetische Cathiononen von einem hohen Gesundheits- und Sterblichkeitsrisiko. Darunter fallen Überdosierungen, akute und chronische psychische Gesundheitsprobleme sowie Infektionskrankheiten.

Beitrag von Anna Bordel und Georg-Stefan Russew

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