Fragen und Antworten - Was das neue Cannabisgesetz im Alltag bedeutet
Ab 1. April ist Cannabis weitgehend legalisiert. Aber wo ist Kiffen auch in Zukunft verboten? Was gilt für den Eigenanbau? Und wie will die Polizei die Einhaltung des neuen Gesetzes kontrollieren? Antworten auf die wichtigsten Fragen. Von Sebastian Schneider
Was galt bisher?
Der Kauf und Verkauf, aber auch der Anbau von Cannabis sind in Deutschland verboten, auch wenn der Besitz kleiner Mengen schon lange vielerorts gar nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird. Laut dem Betäubungsmittelgesetz drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren.
Medizinisches Cannabis, zum Beispiel für Schmerzpatienten, ist aber schon seit einigen Jahren auf Rezept legal. Inzwischen haben zahlreiche Staaten den Besitz und Konsum von Cannabis zumindest teilweise legalisiert, beziehungsweise wird er dort nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Dazu gehören beispielsweise Portugal, Uruguay, die Niederlande, Kanada und bislang 18 Bundesstaaten der USA.
Ab April wird Cannabis auch in Deutschland von der Liste der verbotenen Betäubungsmittel gestrichen. Es gab dazu heftige Meinungsverschiedenheiten in der Regierung und fast 30 Änderungen im Gesetzesentwurf. Der Bundestag stimmte mehrheitlich dafür, der Bundesrat nach einer Extra-Schleife auch. Nun tritt die Teil-Legalisierung am Ostermontag in Kraft.
Wieviel Cannabis ist für den Privatbesitz erlaubt?
Menschen über 18 Jahren dürfen bis zu 25 Gramm getrocknetes Cannabis straffrei bei sich tragen. Zu Hause dürfen sie bis zu 50 Gramm aufbewahren. Sie dürfen zu Hause außerdem bis zu drei Cannabis-Pflanzen für den Eigenkonsum anbauen, konsumieren ohnehin [bundesgesundheitsministerium.de].
Bei den 50 Gramm für zuhause zeigt sich schon ein Widerspruch: Denn drei Pflanzen werfen in der Regel viel mehr Ernte ab. Pro Pflanze sind es zwischen 20 und 30 und im Extremfall sogar bis zu mehreren Hundert Gramm. Man darf Cannabis aber auch ab dem 1. April nicht an andere weitergeben. Überschreitet man aber die Höchstbesitzmenge, macht man sich strafbar. Bisher bleibt also nur die Aussicht: Wegwerfen oder weniger anbauen.
Ein weiterer Kritikpunkt: Die Herkunft des Cannabis muss in Berlin und Brandenburg niemand nachweisen, solange man nicht die Höchstmenge überschreitet. Diese Lücke verheißt Dealern auch weiterhin solide Geschäftsaussichten.
Wer darf alles Cannabis anbauen?
Alle Erwachsenen, die in Deutschland seit mindestens sechs Monaten einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, dürfen Cannabis zum Eigenkonsum anbauen. Das heißt: bis zu drei Cannabis-Pflanzen pro Person. Kindern und Jugendlichen bleibt das verboten.
Samen, Pflanzen und geerntetes Haschisch und Marihuana müssen gegen Diebstahl und vor dem Zugriff von Kindern geschützt werden - etwa mit abschließbaren Schränken und Räumen.
Ist der Anbau im eigenen Garten erlaubt?
Grundsätzlich schon. Aber auch hier sind Besonderheiten zu beachten. Beim Anbau von Cannabis darf es für die Nachbarinnen und Nachbarn zu keiner Belästigung durch den Geruch der Pflanze kommen - das ist aber rechtlich nicht anders gelagert, als bei jeder anderen Geruchsbelästigung. Wesentlich geruchsintensiver als der Anbau ist ohnehin das Trocknen der Blüten.
In Kleingärten darf bis auf eine Ausnahme nicht angebaut werden. Lediglich Kleingärtnerinnen und Kleingärtner, die in ihrer Parzelle leben dürfen, dürften in der Laube anbauen. Dann allerdings wieder nur gut verschlossen und ohne Geruchsbelästigungen - und wenn es die Satzung des jeweiligen Kleingartenvereins nicht ohnehin verbietet.
Wo gibt es die Samen und Stecklinge?
Um an die Samen und die Stecklinge für den Eigenanbau zu kommen, soll es unterschiedliche Wege geben. Sie sind prinzipiell nicht von einem Cannabisverbot betroffen. Zum einen dürfen sie die Anbauvereine, sogenannte Cannabis-Social-Clubs, ab 1. Juli an Mitglieder und auch an Nicht-Mitglieder weitergeben, mehr dazu weiter unten.
Außerdem ist es erlaubt, sich Samen aus dem EU-Ausland über das Internet nach Hause zu bestellen. Stecklinge dürfen keine Blüten- oder Fruchtstände haben, dann kann man auch sie bestellen.
Wer darf in Zukunft alles kiffen?
Der Konsum von Cannabis ist schon heute nicht verboten - für Menschen ab 18 Jahren. Dabei bleibt es. An dieser Altersgrenze gibt es aber Kritik: Mehrere Studien haben gezeigt, dass die Gehirnentwicklung von jungen Menschen erst mit Anfang bis Mitte Zwanzig abgeschlossen ist. Die Forschung zeigt ebenfalls: Cannabis-Konsum kann die Gehirnentwicklung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen beeinträchtigen. "Vor allen Dingen, wenn es um Gedächtnisfunktionen geht und um Aufmerksamkeitsfunktionen, sieht man Jahrzehnte später noch Störungen dieser Systeme", sagt Professor Martin Korte, Neurobiologe an der TU Braunschweig. Neben einer körperlichen Abhängigkeit kann es zu Psychosen und Schizophrenie kommen.
Zur Wahrheit gehört auch: Die bisherigen Verbote haben Menschen nicht davon abgehalten zu kiffen. Fast 60 Prozent der Drogendelikte bundesweit bezogen sich im Jahr 2022 auf Cannabis. Laut BKA der mit Abstand höchste Anteil. Einer Umfrage von 2021 zufolge haben rund die Hälfte der befragten 15- bis 64-Jährigen Berliner Erfahrungen mit dem Konsum von Cannabis. Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung stieg der Anteil der befragten jungen Erwachsenen, die angaben, Cannabis zu konsumieren, zuletzt auf den höchsten von ihr erhobenen Wert seit 1973.
Zugleich zeigten andere Umfragen von jungen Cannabis-Nutzern, dass viele im Grunde keine Ahnung haben, was sie rauchen und welche Auswirkungen es auf ihre Gesundheit und mögliches Suchtverhalten haben kann - es gibt also jede Menge Aufklärungsbedarf. Es gehe nicht darum, neue Konsumenten zu finden, sagt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). "Sondern die 18- bis 25-Jährigen, die jetzt konsumieren, die wollen wir einfach sicherer konsumieren lassen."
Darf man in Zukunft überall in der Öffentlichkeit kiffen?
Nein. Verboten ist der öffentliche Konsum von Cannabis in und in Sichtweite von Schulen, Kitas, Jugendzentren und Spielplätzen. Außerdem ist er in öffentlich zugänglichen Sportstätten wie Freibädern generell und in Fußgängerzonen zwischen 7 und 20 Uhr verboten. Die Deutsche Bahn verbietet zudem das Kiffen an Bahnhöfen. Auch in den Raucherbereichen soll nur Tabak konsumiert werden können.
Als Grenze der Sichtweite definiert das Gesetz einen Abstand von 100 Metern - außerhalb dieser Entfernung ist Kiffen legal. Das Ignorieren dieses Abstandes beziehungsweise der Sichtweite ist keine Straftat, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit mit Geldstrafen, so wie etwa Falschparken. Das heißt, die Polizei kann das ahnden, muss es aber nicht. In dicht bebauten Städten wird es schwierig, die Abstände einzuhalten - denn es ist unmöglich, an jeder Ecke zu wissen, wo die nächste Einrichtung mit Kindern und Jugendlichen steht und ob man folglich den Schutzradius reißt. Die Seite "Kowelenz Social" hat als ersten Eindruck eine "Bubatzkarte" für deutsche Großstädte gebastelt - zoomt man in Berlin hinein, zeigen sich vor allem rote Flecken, Gebiete, in denen also nicht gekifft werden dürfte [bubatzkarte.de].
Wie diese kleinteilige Regelung insgesamt im Alltag durchgesetzt werden soll, ist eine andere Frage. Sicher ist aber: Die Konsumenten selber sind dafür verantwortlich, nur dort zu kiffen, wo es auch erlaubt ist. "Wir werden nicht mit dem Maßband dastehen, aber wenn Kolleginnen oder Kollegen Kinder, Jugendliche oder eine Kita ganz in der Nähe sehen, werden sie sicher eingreifen", sagte eine Berliner Polizeisprecherin rbb|24.
Wie will die Polizei das kontrollieren?
Wenige Tage vor dem 1. April entsteht der Eindruck: Die Polizei weiß noch nicht, wie sie die Einhaltung des neuen Gesetzes kontrollieren will. Auf Anfrage von rbb|24 verweist die Sprecherin des Brandenburger Polizeipräsidiums an das zuständige Innenministerium. Dessen stellvertretender Sprecher gibt an, "inhaltlich nicht groß weiterhelfen zu können" und schickt stattdessen ein Statement des Innenministers Michael Stübgen (CDU). "Die Bundesregierung hat fachlichen Unfug beschlossen", lässt sich Stübgen zitieren. Eine Antwort auf die gestellten Fragen ist das nicht.
Ob die Polizei für die Kontrolle der Cannabis-Verbotszonen rund um Kitas und Co. zusätzliche Kräfte einplant, ob die Beamtinnen und Beamten überhaupt selber wissen, wo solche Verbotszonen in den Städten und Gemeinden liegen und mit welchem zusätzlichen Arbeitsaufwand die Polizei durch das neue Gesetz rechnet - dazu äußert sich die Brandenburger Behörde nicht.
Die Berliner Polizei antwortet auf Anfrage von rbb|24: "Zu den konkreten praktischen Auswirkungen können derzeit keine validen Angaben gemacht werden." Eine Arbeitsgruppe im LKA solle klären, wie die Polizei mit der neuen Lage umgehe und wie die Auswirkungen des Gesetzes etwa bei Kontrollen und anderen Maßnahmen seien. Man erwarte, dass sich der Aufwand bei Kontrollen und den entsprechenden Bearbeitungen wegen der "neuen komplexen Regelungen" zunächst erhöhen werde. Genauer wird es nicht. "Sie können davon ausgehen, dass man erst nach etwa vier Wochen sagen kann, wie sich das neue Gesetz auf die Arbeit der Polizei auswirkt", sagte eine Polizeisprecherin am Donnerstag.
Zunächst müsse auch noch geklärt werden, welche Ordnungsbehörde überhaupt zuständig sei - neben der Polizei könnten das noch die Ordnungsämter sein. Eine Anfrage beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg ergibt: "Die Kontrolle der Abstandsregelungen liegt nicht in der Zuständigkeit des Ordnungsamtes".
Welche Regeln gelten im Straßenverkehr?
Ein Grenzwert von 3,5 Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blutserum und in Verbindung damit ein absolutes Alkoholverbot am Steuer für Konsumenten. Kontrolliert werden soll der THC-Wert per Speicheltest. Das schlägt eine unabhängige Arbeitsgruppe von Experten vor, die im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums einen Grenzwert erarbeiten sollte, sagte eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage von rbb|24. Wer bekifft fährt, hat in der Regel eine verlängerte Reaktionszeit und mangelnde Konzentrationsfähigkeit. Der Grenzwert muss nun noch im Gesetz festgeschrieben werden.
Die Kommission beschäftigte sich schon seit 20 Jahren damit, vier Tage vor Inkrafttreten des Gesetzes stieg dann doch noch weißer Rauch auf. Dass sie sich nicht bereits vorher einigen konnte, liegt daran, dass die Frage nicht leicht zu beantworten ist: Was genau definiert eigentlich bekifft?
Bisher gilt in der Straßenverkehrsordnung ein Höchstwert von einem Nanogramm Tetrahydrocannabinol (THC) pro Milliliter Blutserum - sehr niedrig, wenn es um einen Einfluss auf die Verkehrstüchtigkeit geht. Denn je nach Konsumgewohnheiten kann es sein, dass der Grenzwert auch noch Tage nach dem letzten Joint überschritten wird, obwohl der Stoff zu diesem Zeitpunkt keinerlei Einfluss mehr auf das Fahrverhalten hat.
Ganz anders als zum Beispiel bei Alkohol, kann THC sehr lange im Blut nachgewiesen werden, es wird auch nicht gleichmäßig abgebaut. Eine Forschungsarbeit deutscher Rechtsmediziner, die die Fahrtüchtigkeit von bekifften Probanden im Fahrsimulator untersuchten, hat ergeben: Nach etwa drei Stunden war die Fahrleistung wieder größtenteils normal [link.springer.com]. Frei verfügbare Tests in Apotheken oder dem Versandhandel können THC nachweisen, aber sie sind nicht sonderlich genau, was den Wert angeht. Konsumenten sollten sich nicht darauf verlassen, bevor sie sich hinters Steuer setzen - im Zweifel lieber das Fahrzeug stehen lassen.
Wer heute bei einer Kontrolle den Grenzwert reißt, muss mindestens 500 Euro Bußgeld zahlen, darf einen Monat nicht fahren, bekommt zwei Punkte und muss in der Regel eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) machen. Besonders Mischkonsum mit Alkohol verschlechtert die Fahrtüchtigkeit laut mehreren Studien deutlich - und genau dieser Mischkonsum wird laut Polizei und Verkehrsforschung bei erwischten Autofahrern häufig festgestellt. Der neue Grenzwert entspricht laut der Expertenkommission einem Blutalkoholwert von etwa 0,2 Promille.
Wird es in Deutschland Coffeeshops geben?
Nein, einen Freizeitmarkt mit Cannabis-Läden wie in den Niederlanden und einigen US-Bundesstaaten wird es in Deutschland vorerst nicht geben. Das hätte sich der Bundesgesundheitsminister so gewünscht, um dem illegalen Schwarzmarkt mit staatlich kontrolliertem Verkauf mehr legale Konkurrenz zu machen. Der Handel mit Cannabis zu anderen als wissenschaftlichen oder medizinischen Zwecken verstößt aber gegen EU-Recht, deshalb musste die Bundesregierung dieses Ziel wieder aus dem Gesetzesentwurf streichen. Falls Sie jetzt sofort an die Niederlande und ihre Coffeeshops denken: Dort ist der Verkauf immer noch juristisch illegal, der Verkauf kleinerer Mengen wird allerdings nicht verfolgt [mdr.de].
Stattdessen bleibt Konsumenten in Deutschland als gesetzeskonformer Weg neben Eigenanbau nur die Mitgliedschaft in einem sogenannten "Cannabis Social Club" - einem Cannabisverein also. Die sollen ab 1. Juli 2024 für gemeinsamen, nicht-kommerziellen Anbau lizenziert werden dürfen.
Welche Regeln gelten in so einem "Cannabis Social Club"?
Wer einen solchen Club gründen will, muss die Erlaubnis dafür bei der zuständigen Landesbehörde beantragen. Es gibt mehrere Voraussetzungen, unter anderem ein aktuelles Führungszeugnis, unbeschränkte Geschäftsfähigkeit und dass man in den vergangenen fünf Jahren vor Antragstellung nicht bezüglich bestimmter Delikte straffällig wurde. Pro Stadt oder Gemeinde ist nur eine Höchstzahl an Clubs möglich, jeder Club darf höchstens 500 Mitglieder haben - und diese dürfen auch nur in diesem einen Club Mitglied sein. Sind sie es in mehreren, machen sie sich strafbar. Aber: Nur Vorstand und vertretungsberechtigte Personen müssen den Behörden namentlich bekannt sein, nicht grundsätzlich jedes Mitglied. Es läuft erstmal nur auf eine Selbstauskunft hinaus.
Einen Kaufpreis dürfen die Clubs nicht verlangen, finanzieren sollen sie sich durch ihre Mitgliedsbeiträge. Wer schließlich die Erlaubnis zum Anbau bekommt, muss die dafür vorgesehenen Räume ausreichend sichern, zum Beispiel mit einbruchsicheren Türen – und er muss nachweisen, dass nur Clubmitglieder Zugang haben. Werbung für solche Clubs und Konsum in den Vereinsräumen sind verboten. Außerdem muss jeder Verein einen Sucht- und Präventionsbeauftragten und ein Jugendschutzkonzept nachweisen. Die Behörden dürfen auch unangekündigt auf der Matte stehen und den Club kontrollieren.
Wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, dürfen die Clubs pro Tag 25 Gramm und pro Monat insgesamt 50 Gramm getrocknetes Cannabis an ihre Mitglieder abgeben, außerdem sieben Samen oder fünf Stecklinge pro Monat.
Mitglieder bis 21 Jahre aber dürfen pro Monat höchstens 30 Gramm Cannabis über die Anbauvereinigungen beziehen, mit einem THC-Gehalt von höchstens zehn Prozent. Auch hier wieder ein Problem: Der Gehalt von Gras auf dem Schwarzmarkt steigt seit Jahren an und liegt oftmals deutlich höher. Laut Senatsgesundheitsverwaltung hatte in Berlin gedealtes Cannabis einen durchschnittlichen THC-Wert von 20,4 Prozent, zehn Jahre zuvor waren es noch 10,1 Prozent. Der Anreiz, sich bei einem Dealer mit Cannabis einzudecken, das deutlich mehr "knallt", bleibt ungebrochen. Das Argument der Clubs: Sie bieten sauberes Cannabis an, das nicht durch synthetische Streckmittel verunreinigt ist. Im Gegensatz zu Gras auf dem Schwarzmarkt könnten die Club-Mitglieder genau nachvollziehen, was drin ist.
Das alles zeigt aber: Der Weg über einen Anbauverein bedeutet großen Aufwand, den wohl nur Vielkiffer zu betreiben bereit sein werden. Wer nur gelegentlich zum Joint greifen will und nicht selber anbauen möchte, dürfte wohl weiter illegal kaufen. Dass der Schwarzmarkt durch die Liberalisierung nennenswert zurückgedrängt wird, bezweifeln deshalb unter anderem Gewerkschaft der Polizei, Richterbund und selbst Politiker der Koalitionspartei SPD.
Darf man in Clubs oder Kneipen kiffen?
Für Berlin gilt: Die Kneipen dürfen selber regeln, ob sie Kiffen tolerieren. Es sei dann mit dem Rauchen von Zigaretten vergleichbar, sagte ein Sprecher der Dehoga. An sich sei das gesetzlich in den meisten Kneipen in Berlin verboten und nur in wenigen Raucherkneipen erlaubt. Allerdings würde in bestimmten Kneipen das Rauchen derzeit schon hingenommen und sei auch im Sommer draußen vor Kneipen, Spätis, Restaurants und in Biergärten üblich.
Clubs könnten Zigaretten hinnehmen, Cannabis aber verbieten oder die Konsumenten in den Freiluftbereich schicken. Ob die Berliner Kneipen, Restaurants und Clubs für ihre Bereiche drinnen und draußen spezielle Hinweise entwickeln, Schilder aufhängen oder Aufkleber bestellen, und wie sich die Rauschwirkung in einer überfüllten Bar mit Kiffern auf die Umgebung auswirkt, ist noch völlig offen.
Wie sollen Minderjährige in Zukunft vor Cannabis-Konsum geschützt werden?
Der Bund will die Cannabis-Freigabe mit deutlich stärkeren Präventionsprogrammen begleiten, über Social Media, aber auch zum Beispiel mit Aufklärungs- und Informationsveranstaltungen an Schulen, in Sportvereinen und Jugendzentren. Im Internet läuft bereits seit dem vergangenen Sommer eine Kampagne des Bundesministeriums für Gesundheit. Mit "Cannabis - legal, aber..." beginnen dort Merksätze. Niemand dürfe das Gesetz missverstehen, betonte Karl Lauterbach bereits im August. "Cannabiskonsum wird legalisiert. Gefährlich bleibt er trotzdem."
Gleichzeitig wird das Mindeststrafmaß für den Cannabisverkauf an Jugendliche auf zwei Jahre erhöht. Die Möglichkeit zu einer Strafe auf Bewährung wird außerdem gestrichen.
Was, wenn ich wegen Cannabis-Besitzes angezeigt wurde? Gilt das dann nicht mehr?
Alle Verfahren im Zusammenhang mit Cannabis, die jetzt durch die neue Regelung betroffen sind, werden wieder aufgerollt. Heißt zum Beispiel: Wer mit höchstens 25 Gramm von der Polizei erwischt wurde, den muss die Justiz nun so behandeln, als habe es diese Tat nie gegeben. Bereits verhängte Haft- oder Geldstrafen wegen Delikten, die nach dem Gesetz in Zukunft nicht mehr strafbar sind, sollen nun erlassen, eingetragene Verurteilungen aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden.
Das bedeutet jede Menge Arbeit für die Justizbehörden: Allein in Brandenburg müssten laut Justizministerium etwa 4.000 Gerichtsurteile überprüft werden, in Berlin sind es laut Staatsanwaltschaft und Justizverwaltung etwa 6.000 Verfahren. Dabei geht es in etwa 3.200 Verfahren um eine Freiheitsstrafe oder Ersatzfreiheitsstrafe und bei 2.500 Verfahren um Geldstrafen.
Der Brandenburger Richterbund bezeichnete das alles als "nicht leistbar". Sven Rebehn, Geschäftsführer des Deutschen Richterbunds, bezeichnete das Gesetz als ein "Bürokratiemonster", das von Justiz, Polizei und Ordnungsbehörden wieder mühsam eingefangen werden müsse. Kritiker wie die als liberal geltende "Neue Richter:innenvereinigung" wenden ein: Die Justiz sei nicht von dem Gesetz überrumpelt worden. Der Bundesrat habe sich schon im vergangenen September mit dem Gesetzentwurf beschäftigt. "Es wäre also möglich - und geboten gewesen, Vorkehrungen für den Gesetzeserlass zu treffen."
Abgesehen von der Menge der Verfahren gibt es noch offene juristische Fragen, das Gesetz sei nicht zu Ende gedacht, sagt ein Berliner Rechtspfleger rbb|24. "Ein Beispiel: Ein Täter wurde wegen einer früheren Straftat auf Bewährung verurteilt. Nun wurde er mit Cannabis erwischt, der Straftatbestand wäre also Besitz von Betäubungsmitteln - und aufgrund der neuen Straftat wurde die Bewährung widerrufen und er muss ins Gefängnis. Durch die Gesetzesänderung muss er aber nun so gestellt werden, als hätte es die neueste Verurteilung nie gegeben. Was ist dann mit seiner bereits teilweise verbüßten Freiheitsstrafe?", sagt der Rechtspfleger. Oft würden auch sogenannte nachträgliche Gesamtstrafen wegen mehrerer Delikte gebildet. Wenn nun die nachträgliche Amnestie kommt, müssten diese nachträglichen Strafen wieder irgendwie aufgedröselt werden.
Auch die nachträgliche Streichung von Verurteilten aus dem Bundeszentralregister dürfte großen bürokratischen Aufwand bedeuten. Solche Einträge von Verurteilten haben bedeutende Auswirkungen, zum Beispiel aufs polizeiliche Führungszeugnis und damit potentiell auf künftige Arbeitsstellen. Nun muss die Justiz bei jedem einzelnen Fall prüfen, ob es gerechtfertigt ist, den Eintrag eines Verurteilten ohne die Verurteilung in Zusammenhang mit Cannabis wieder zu löschen.
Wie geht es weiter?
Welche Auswirkungen das Gesetz hat, soll zum ersten Mal nach einem Jahr bewertet werden, die Veröffentlichung der Ergebnisse ist für Ende September 2025 geplant. Danach soll die Cannabis-Liberalisierung nochmals nach zwei und abschließend nach vier Jahren ausgewertet werden.
In einem zweiten Schritt plant die Bundesregierung ein Modellprojekt: In einigen Regionen soll Cannabis dann wissenschaftlich begleitet und staatlich kontrolliert in Fachgeschäften verkauft werden. Durch den Status als Modellprojekt hofft die Bundesregierung auf die nötige Zustimmung der EU. In der Schweiz wird genau so ein Projekt bereits seit wenigen Jahren durchgeführt [spiegel.de / €].
Ob es überhaupt noch dazu kommt, ist offen: Die CDU hat bereits angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs die Liberalisierung des Cannabis-Konsums und -Anbaus wieder rückgängig zu machen. Wie schnell das ginge, ist noch nicht klar.
Sendung: rbb24 Abendschau, 28.03.2024, 19:30 Uhr