Schwedt (Uckermark) - Kinder im Rollstuhl trainieren auf Skaterbahn für den Alltag
Matthias Wagner ist Inklusionstrainer in einem Verein in Schwedt. Dort zeigt er jungen Menschen spielerisch, wie sie ihren Alltag mit Handicap bewältigen können. Vor allem mit dem Rollstuhl sei mehr möglich, als sich viele vorher zutrauen.
Matthias Wagner und seine Schülerin Rosalie trainieren in einem Skaterpark in Schwedt (Uckermark). Die Achtjährige gehört zu den erfahrenen Rollstuhlfahrerinnen und bereitet sich aktuell auf einen Wettkampf vor - im Rollstuhl-Skaten. Mit Schwung rollt Rosalie von einem Sockel, um zuerst eine Rampe gerade hinauf und rückwärts wieder hinunterzufahren.
Beim ersten Versuch klappt nicht alles. Die Schülerin verliert ihre Linie, dreht sich und fällt aus dem Rollstuhl. Geübt fängt sie sich aber ab. Nichts passiert. Hinterher folgt von ihr ein kleines "Hat Spaß gemacht" und die Manöverkritik des Trainers. "Als du in die Wall reingefahren bist, warst du perfekt vorne. Du hast nur vergessen, ein kleines bisschen abzubremsen." Also geht es auf ein Neues.
Als Vorbild für Motivation sorgen
Der 42-jährige Matthias Wagner hatte mit 18 Jahren einen Sportunfall. Seit einem Jahr ist er gänzlich auf einen Rollstuhl angewiesen und musste selbst lernen, Hürden im Alltag zu meistern. Im Behinderten-Sport ist er allerdings schon länger unterwegs und hat im vergangenen Jahr in Berlin den dritten Platz bei den WCMX German Open im Rollstuhl-Sport errungen. Als Inklusionstrainer gibt er nun gerne seine Erfahrungen im ehrenamtlichen Verein der "Trickfabrik" weiter. "Es muss jemandem geben, der vorangeht und zeigt, wie es funktionieren kann, um andere mitzureißen", sagt Wagner. "Meine Motivation ist wirklich, die Inklusion dahin voranzutreiben, dass Menschen mit oder ohne Handicap aufeinander zugehen und dann in der Mitte auch Inklusion entsteht."
Mit Routine aus dem Skaterpark in den Alltag
Zu seiner Trainingsgruppe gehören aktuell vier "Rollikids", wie sie sich selbst nennen. Das Ziel der Kinder ist es, Bordsteinkanten, Treppen und irgendwann den Ein- und Ausstieg in Busse meistern lernen. Denn Stufen sind und bleiben für ungeübte Fahrer die größten Hindernisse im Alltag, so Trainer Wagner.
Den richtigen Umgang mit seinem Rollstuhl will deshalb auch der sechsjährige Luke lernen. In dieser Stunde geht es darum, auf den Hinterrädern zu stehen und die Vorderräder anzuheben, ohne dabei umzukippen. Beim Training muss Luke den Oberkörper gerade halten. Die Balance sei dann Übungssache. "Den Really, den wir brauchen, um über Hindernisse zu kommen, ist eine der anstrengendsten Übungen, weil man die aus den Bauchmuskeln heraus macht, um im Schwerpunkt zu bleiben. Das ist eine Muskelgruppe, die wenige beanspruchen."
Die Eltern waren anfangs in Sorge um ihre Kinder. Groß war die Angst vor Verletzungen. Jetzt gehören die Trainingseinheiten einfach dazu, sagt Rosalies Mutter Virginia Wegiel. Denn der Alltag ohne Übung sei teilweise noch gefährlicher. "Wir wohnen auf dem Dorf und haben einige Bordsteinkanten, um über die Straße zu kommen. Da ist sie einmal gegengefahren und ist aus dem Rollstuhl rausgefallen."
Lernen mit Spaß
Um genau das zu vermeiden, werden neben den Grundübungen im Schwedter Skaterpark auch entsprechende Situationen mit alltäglichen Hindernissen nachgestellt. "Die Kinder erlernen bestimme Skills, die wir brauchen, um im zweiten Schritt rauszugehen und diese Draußen zu trainieren."
Das Wichtigste für Inklusionstrainer Matthias Wagner ist dabei, den Kindern spielerisch die Scheu vor der Beeinträchtigung durch einen Rollstuhl zu nehmen. Die Übungseinheit auf der Skaterbahn endet deshalb für Rosalie, Luke und Matthias Wagner mit einer gemeinsamen Rollstuhl-Polonaise über die Rampen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 18.04.2024, 15:10 Uhr
Mit Material von Riccardo Wittig