Umsturz geplant? - Prozess gegen mutmaßliche Mitglieder der "Reichsbürger"-Gruppe gestartet
In Frankfurt am Main startet der Prozess gegen eine "Reichsbürger"-Gruppe, die der Bundesanwaltschaft zufolge einen gewaltsamen Umsturz plante. Nun stehen die mutmaßlichen Rädelsführer vor Gericht, darunter die Berliner Ex-Richterin Malsack-Winkemann.
- Prozess gegen neun mutmaßliche Mitglieder der "Reichsbürger"-Gruppe hat Dienstag begonnen
- Unter ihnen ist die ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD und Berliner Ex-Richterin Birgit Malsack-Winkemann
- Ihnen wird vorgeworfen, Mitglieder in einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein
Rund anderthalb Jahre nach dem Enttarnen der rechtsextremistischen Terrorgruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß stehen seit Dienstag die mutmaßlichen Rädelsführer in Frankfurt am Main vor Gericht. Angeklagt werden dort neben Prinz Reuß auch die ehemalige Bundestagsabgeordnete der AfD und Berliner Ex-Richterin Birgit Malsack-Winkemann sowie ein ehemaliger Oberstleutnant der Bundeswehr.
In Frankfurt werden den dort insgesamt neun Beschuldigten nach Angaben des Oberlandesgerichts die Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung sowie die Planung eines gewaltsamen Angriffs auf das Reichstagsgebäude in Berlin vorgeworfen.
Der Auftakt des Prozesses am Oberlandesgericht verzögerte sich am Dienstagmorgen, weil Anwälte zuvor noch mit ihren Mandanten sprechen wollten, wie eine Gerichtssprecherin sagte. Mit einer leichten Verspätung begann der Prozess am Vormittag. Die Verteidiger von Prinz Reuß wiesen die Vorwürfe gegen ihren Mandanten am Rande des Prozesses zurück. "Er ist kein Anführer, kein Rädelsführer, und er ist auch nicht Mitglied einer terroristischen Vereinigung", sagte der Anwalt Roman von Alvensleben in einer Verhandlungspause in Frankfurt.
Die Vorwürfe gegen die in all diesen Verfahren insgesamt 26 Mitglieder der Gruppe werden in mehreren Prozessen verhandelt: Bereits seit Ende April müssen sich neun Angehörige ihres "militärischen Arms" am Oberlandesgericht in Stuttgart verantworten. In München beginnt der Prozess gegen acht weitere Angeklagte am 18. Juni. Die Gruppe von "Reichsbürgern" war nach einer großangelegten Anti-Terror-Razzia und der Festnahme von mehr als 20 der mutmaßlich Beteiligten kurz nach dem Nikolaustag 2022 bekannt geworden.
Im Dezember 2023 hatte die Bundesanwaltschaft dann Anklage gegen die mutmaßlichen Mitglieder des Netzwerks erhoben.
"Tiefe Ablehnung staatlicher Institutionen"
In dem Prozess in Frankfurt stehen ab Dienstag die mutmaßlichen Rädelsführer vor Gericht, Reuß sowie Rüdiger von Pescatore, der den militärischen Arm der Gruppe geleitet haben soll. Den Angeklagten wirft die Generalbundesanwaltschaft vor, mit einer 2021 gegründeten terroristischen Vereinigung "die bestehende staatliche Ordnung in Deutschland gewaltsam zu beseitigen und durch eine eigene, in der Grundform bereits ausgearbeitete Staatsform zu ersetzen".
Die Angehörigen der Vereinigung verbinde eine "tiefe Ablehnung der staatlichen Institutionen und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung". Ein Teil der Anklage lautet auch auf "Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens". Konkrete Vorbereitungen wie die Rekrutierung militärischen Personals hätten stattgefunden.
Die Angeklagten sollen laut Generalbundesanwalt für ihre Umsturzpläne rund eine halbe Million Euro eingesammelt und über ein "massives Waffenarsenal" verfügt haben.
Sondersitz für die Verhandlung mit umfassenden Sicherheitsvorkehrungen
Für den Prozess wurde in Frankfurt am Main eine Leichtbauhalle als Außenstelle des Oberlandesgerichts am Stadtrand errichtet, da die innerstädtischen Justizgebäude in den nächsten Monaten saniert, um- und neu gebaut werden. Die Anklageschrift umfasst nach Angaben einer Gerichtssprecherin 617 Seiten, die Dokumente zu dem Prozess füllen derzeit 801 Aktenordner, für die eigens ein Raum geschaffen wurde. Für die Sicherheit während der
bislang angesetzten 48 Verhandlungstage in der mit Stacheldraht umzäunten Halle sollen jeweils 40 bis 45 Wachtmeister sorgen.
Malsack-Winkemann seit Dezember 2022 in Untersuchungshaft
Die ehemalige Berliner Richterin Malsack-Winkemann befindet sich seit Dezember 2022 in Untersuchungshaft. Von 2017 bis 2021 saß sie für die AfD im Bundestag, im März 2022 war sie dann zunächst in den Richterdienst zurückgekehrt. Im März 2023, also vier Monate nach ihrer Festnahme und Inhaftierung, entschied das Verwaltungsgericht Berlin, dass die Juristin nicht weiter als Richterin tätig sein darf.
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.05.2024, 7:20 Uhr